Aufschreckendes Eingeständnis Warum dem FC Bayern die Saison zu entgleiten droht
23.01.2025, 19:30 Uhr
In Rotterdam wird der FC Bayern unsanft zu Boden gerissen. Bei Feyenoord gibt es eine empfindliche Klatsche in der Champions League, die bittere Eingeständnisse zur Folge hat. Und die die Münchner vor neue Probleme stellt.
Beim FC Bayern hätten sie es sich um kurz vor Mitternacht ganz leicht machen können. Sie hätten Justin Bijlow nach vorne schieben und die in seinen Auswirkungen gewaltig bebende 0:3 (0:2)-Niederlage in der Champions League bei Feyenoord Rotterdam am niederländischen Nationaltorwart festmachen können. Guter Mann, sehr guter Mann. Hat alles fantastisch gehalten, was auf sein Tor flog, gibt solche Abende, ist halt manchmal so. Bei einem 0:0 wäre man mit dieser Sicht auf die Dinge womöglich durchgekommen. Nicht aber bei einer Pleite, die den FC Bayern im ekstatischen Fußball-Tempel "De Kuip" als Spitzenteam endgültig außer Dienst stellt.
In der Tabelle der neuen Champions League ordnen sich die Münchner auf Rang 15 ein. Das hat mit Spitze nichts zu tun. Man steht sogar einen Platz hinter Borussia Dortmund, das im Jahr 2025 nicht mehr konkurrenzfähig und in der Nacht zu Mittwoch abermals implodiert ist. Trainer Nuri Şahin wurden rausgeworfen, der Verein versinkt in emotionalem Chaos, sportlicher Bedeutungs- und einer übergroßen Perspektivlosigkeit. Und hinter diesem BVB sortiert sich Bayern nach sieben von acht Spieltagen in der Königsklasse ein. Der direkte Weg ins Achtelfinale ist zwar noch möglich, der Abstand lediglich ein Punkt hinter Bayer Leverkusen. Aber es muss neben einem Sieg über Slovan Bratislava (35.) schon einiges auf anderen Plätzen passieren, damit es nicht in die Playoffs geht.
Die wollten die Münchner eigentlich unbedingt vermeiden, denn sie bedeuten zwei weitere Spiele, noch mehr Belastungen. Und die bedeuten eben, dass man (erneut) nicht zur Elite im europäischen Fußball gehört. Es ist passiert, was nicht sein darf. Am 31. Mai gastiert die Champions League in der Münchner Arena. Und der FC Bayern möchte an diesem Tag nicht nur höflicher Gastgeber sein, sondern Protagonist. Der FC Bayern möchte erneut ins "Finale dahoam" und dieses Mal als Sieger vom Platz gehen. Er ist verrückt vor Sehnsucht, besessen von der Revanche. Der Dämon von 2012, die auf so vielen Ebenen tragische Niederlage gegen den FC Chelsea, soll endgültig besiegt werden. Den alten Helden Manuel Neuer und Thomas Müller, ganz egal, ob sie dann noch ein Jahr bleiben oder nicht, wäre für ewig der Weg zu einem Pole-Platz auf dem Münchner Olymp gewiesen.
Die Wut kommt direkt aus dem Maschinenraum
Aber Ende Januar wackelt die Vision, klappert der Gigant. Es ist kein klassisches Schwarz-Weiß des Boulevard, das den FC Bayern als Spitzenteam außer Dienst stellt. Die knallharte Abrechnung mit dem Ist-Zustand kommt vom Chef des Münchner Maschinenraums, von Joshua Kimmich. Wortreich knöpfte er sich all die Fehler vor, die seine Mannschaft wieder einmal gemacht hatte und kam dann zur Conclusio: "Wir haben von sieben Spielen drei verloren. Wer da der Meinung ist, dass wir ein Topteam sind, der kann die Tabelle nicht lesen."
Die Pleite gegen Aston Villa (0:1) konnten die Münchner noch irgendwie verpacken, weil sie ein gutes Spiel gemacht hatten. Die 1:4-Niederlage gegen den FC Barcelona tat richtig weh, ließ sich aber damit erklären, dass Hansi Flicks Mannschaft zu diesem Zeitpunkt auf einem selten erlebten Höhenflug unterwegs war. Im Herbst war Barça das Nonplusultra, der bunte Schwan, der alles um sich herum ergrauen ließ. Und den FC Bayern in eine erste Saisondepression schubste. Zwei Niederlagen in der Königsklasse, zwei Remis gegen Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt in der Bundesliga und schon war eine Topspiel-Phobie herbeigedichtet.
Das, was die ewige Mentalitätsdebatte beim klappernden Riesen BVB ist, wurde beim FC Bayern eine Taktik- und Spitzenspieldiskussion. Ist der Ansatz von Vincent Kompany zu eindimensional, zu mutig? Ist der Trainer stur und zu engstirnig? Mit dem FC Burnley stieg er einst furios in die Premier League auf, mit seinem forschen Ansatz. Aber danach ging es sang- und klanglos wieder runter. Kompany durfte sich mangelnde Flexibilität als Vorwurf anhören. Auch in München ging es schon darum. Und so bleiben bei allem Lob für den Trainer auch leise Zweifel.
Die Abwehr ist immer mal wieder grob fahrlässig
Die Gegentore fielen nach einem sich wiederholenden Muster. Die Abwehr steht extrem hoch, übt viel Druck aus, sorgte an den vielen guten Tagen in dieser Saison für eine beeindruckende Dominanz. Aber sie ist auch immer wieder leicht zu überspielen und für grobe Fahrlässigkeiten zu haben. Beim 1:0 durch Santiago Gimenéz wurde die letzte Linie der Münchner perfekt überspielt, weil Minjae-Kim zudem nicht gut stand, klingelte es im Tor von Manuel Neuer. Auch beim 2:0 wurden die Bayern überrannt, hatten die Szene dann eigentlich geklärt, ehe Raphael Guerreiro arg unbeholfen im Strafraum foulte, die Gefahr war eigentlich gebannt. Die "Süddeutsche Zeitung" sah in der sich wiederholenden Art der Gegentore einen "signature move" des FC Bayern. Was der Moonwalk für Michael Jackson war, ist der lange Ball nach vorne der Moonwalk der Bayern-Gegner.
Die Münchner waren fleißig angerannt, hatten reichlich abgeschlossen, waren an Bijlow und freistehend am Pfosten (Leroy Sané) verzweifelt und hatten sich hinten selbst erledigt. In solchen Momenten wirken die Probleme groß, übergroß. Weil sie Abhängigkeiten zeigen, die fatal sein können. Vom Magier Jamal Musiala, der nach seiner Verletzung noch nicht wieder den massiven Einfluss auf das Spiel der Münchner hat, der den Unterschied macht. Und von Harry Kane, der zwar zuletzt auch einige Tore erzielt, aber schon länger nicht mehr aus dem Spiel heraus getroffen hat. Immer nur auf Elfmeter hoffen, das ist nicht zielführend. Nicht im Sinne des FC Bayern, der durch solch bittere Auftritte wie in Rotterdam nicht nur sportlich seine Position deutlich verschlechtert, sondern auch bei der Zukunftsplanung.
Eigentlich hätte Sportvorstand Max Eberl die schon weitgehend abgeschlossen, doch noch steckt er mittendrin in den Gesprächen mit seinen Schlüsselspielern. Vor der Crunchtime der Saison wollte Eberl alles abgeräumt haben, doch bislang ist noch kein weißer Rauch an der Säbener Straße aufgestiegen. Wie die Lage im Konklave der Münchner ist, weiß öffentlich niemand so genau. Was man weiß: Spieler wie Joshua Kimmich, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, und Musiala, dessen Arbeitspapier ein Jahr später endet, schauen sich die Entwicklung beim FC Bayern ganz genau an. Der junge Spielmacher träumt von den großen Titeln und davon, einmal der beste Spieler der Welt zu sein. Beim Blick in die Statistiken erfährt man schnell, in der Bundesliga scheint das fast unmöglich zu sein. Auch Kimmich hat das Große im Blick, weniger individuell, dafür erfolgreich mit dem Team.
Die Spieler schauen sehr genau hin
Kimmich sieht sich dort, wo er den FC Bayern seit diesem Mittwochabend nicht mehr sieht: an der Spitze. Dort stehen Teams wie Barcelona oder Real Madrid. Hansi Flick gilt als großer Fan von Kimmich und kennt ihn bestens aus der gemeinsamen Bayern-Zeit. Mit Real soll der Mittelfeldspieler laut "Bild" sogar Kontakt haben.
Kimmich hat mit seinen Worten nicht alles in Schutt und Asche gelegt, wie manch ein Kollege, etwa Philipp Lahm, vor ihm, aber er hat einmal kräftig den Alarmknopf gedrückt. Im Pokal ist der erste Titel bereits weg, in der Meisterschaft übt Titelverteidiger Bayer Leverkusen großen Druck aus und lässt das sehr gewagte Schalenversprechen von Uli Hoeneß wackeln. Bleibt noch die Champions League, die Sehnsucht nach dem Henkelpott. Am liebsten schon in diesem Sommer. Aber auch darüber hinaus muss der FC Bayern ein ambitionierter Herausforderer bleiben und der große Dominator in Deutschland, der er immer war, um Kimmich und Musiala zu halten. Sie sollen die neuen Helden werden. An ihnen richtet sich die Größe der Zukunft des Kaders aus. Etwa die Frage, ob ein Florian Wirtz kommen will oder ein anderer Superstar.
Das "Finale dahoam" strahlt in den Gedanken hell, in der Realität immer dunkler. Nächste Woche, am späten Mittwochabend, wissen sie in München wahrscheinlich, wie ihr Weg weitergeht. Ob es zu dem kleinen Wunder reicht, die Playoffs zu umgehen, ob ein Schwergewicht wie Real Madrid wartet, Juventus Turin, Manchester City oder doch eher ein Gegner aus der Kategorie Stade Brest. Kimmich will so lange nicht warten, er will raus aus der Mittelmaß-Depression. "Ich erwarte schon eine Reaktion", sagt er mit Blick auf das Bundesligaspiel gegen den SC Freiburg am Samstagnachmittag. Mut macht dem kritischen Chef aus dem Maschinenraum, "dass die Gruppe zusammenhält und wie wir nach der Niederlage gegen Barça reagiert haben. Da haben wir zehn Spiele in Folge gewonnen. Das muss auch jetzt das Ziel sein, dass wir auf keinen Fall an uns zweifeln."
Quelle: ntv.de