Fußball

Beim 1. FC Köln aussortiert Wie ein DFB-Talent bei Inter Mailand groß aufspielt

Bisseck nach seinem Tor für Inter gegen Lecce.

Bisseck nach seinem Tor für Inter gegen Lecce.

(Foto: picture alliance / DeFodi Images)

Yann Bisseck hat frühzeitig den Weg ins Ausland gesucht, weil er bei seinem Jugendverein nicht weiterkam. Mittlerweile gehört er zu den Leistungsträgern beim italienischen Tabellenführer Inter und könnte auch für Bundestrainer Julian Nagelsmann eine personelle Option für die Europameisterschaft werden.

Bis heute ist Yann Bisseck der jüngste Bundesliga-Debütant des 1. FC Köln und der zweitjüngste in der Geschichte der Bundesliga. Allerdings folgten seinerzeit auf die drei Einsätze des damals 16-jährigen Verteidigers im Dezember 2017 keine weiteren. Noch zweimal stand Bisseck im Kader des Traditionsclubs, nach der Winterpause saß er nicht einmal mehr auf der Bank. Seine Leihe zu Holstein Kiel während der Rückrunde der Saison 2018/19 führte zu drei Kurzeinsätzen in der 2. Bundesliga. In der Retrospektive erscheint es verwunderlich, dass ein heute international bekannter Verteidiger mit nahezu optimalen Grundeigenschaften für einen Innenverteidiger keine ernsthafte Chance im deutschen Profifußball erhielt.

Natürlich spielte beispielsweise der Faktor Verletzungen eine Rolle, wie Bisseck, der mittlerweile 23 ist, selbst weiß. Jedoch hat der gebürtige Kölner vor einiger Zeit in einem Interview mit dem "Geissblog", einem Online-Medium rund um den 1. FC Köln, auch die Schuld bei seinem Heimatverein gesucht. "Mit mir wurde kaum gesprochen. Auch während meiner Leihen wurde mir nicht groß geholfen, das habe ich alles selber gemacht. Schon vor meinen vielen Verletzungen und gescheiterten Leihen hatte ich mich nicht gewollt gefühlt. Ich hätte mir ebenso wie einige andere junge Spieler gewünscht, dass man mehr Interesse an uns gezeigt hätte", sagte Bisseck im Herbst.

Bisseck im Dezember 2017.

Bisseck im Dezember 2017.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Besonders nach dem Abstieg der Kölner in die 2. Bundesliga 2018 hatte er erwartet, dass er als Eigengewächs am Neuaufbau mitwirken würde. Stattdessen blieb er während der damaligen Hinrunde ohne Einsatz und versuchte sich anschließend in Kiel. Es folgten Leihen ins Ausland, konkret Roda JC in den Niederlanden und Vitória SC in Portugal, wobei er für den zweitgenannten Klub, der in Guimarães beheimatet ist, nie zum Einsatz kam. Seinen wirklichen Durchbruch erzielte Bisseck erst während seines ersten Leihjahres in Diensten von Aarhus GF in Dänemark. 2022 wurde der Transfer zwischen Köln und Aarhus vollzogen und für Bisseck war das Kapitel in der Domstadt fürs Erste beendet.

Zuletzt Stammkraft bei Inter

Sowohl unter David Nielsen als auch dem ehemaligen Bundesliga-Profi Uwe Rösler war Bisseck in Aarhus gesetzt. In dieser vergleichsweise entspannten Umgebung konnte der 1,96 Meter große Verteidiger nicht nur die endlich notwendige Spielpraxis sammeln, sondern sich auch für Klubs in den großen europäischen Ligen wie auch den Deutschen Fußball-Bund anbieten. So kam es auch, dass Bisseck die U21-Nationalmannschaft während der EM in Georgien und Rumänien im vergangenen Sommer als Kapitän anführte. Wenngleich bereits nach der Gruppenphase Endstation für die DFB-Auswahl war, hatte sich der talentierte Innenverteidiger wieder in der deutschen Fußball-Öffentlichkeit bemerkbar gemacht.

Kurz nach der EM folgte der Wechsel zu Inter Mailand, als der italienische Spitzenklub von einer Ausstiegsklausel in Bissecks Vertrag mit Aarhus Gebrauch machte und für eine Ablösesumme von sieben Millionen Euro den Transfer vollzog.

In Aarhus machte Bisseck große Schritte in seiner Entwicklung.

In Aarhus machte Bisseck große Schritte in seiner Entwicklung.

(Foto: picture alliance / Gonzales Photo/Rune Mathiesen)

Nun könnte Inter, das in dieser Saison wieder einmal einer der Top-Favoriten auf den Gewinn des Scudetto ist, auf den ersten Blick vielleicht eine Nummer zu groß für Bisseck sein - zumal er zuvor zwei Jahre in der mittelklassigen dänischen Superligaen verbrachte. Aber seit Ende November gehört er mittlerweile zum Stammpersonal von Inter-Trainer Simone Inzaghi. Zuvor musste der gebürtige Kölner eine Weile Geduld aufbringen, als er vornehmlich von der Bank aus seine Teamkollegen bei den Nerazzurri beobachten konnte.

Doch mit der Verletzung von Denzel Dumfries ergab sich für Bisseck eine Möglichkeit, mehr Einsatzminuten zu sammeln. Matteo Darmian wurde aus der Dreierkette auf den rechten Flügel gezogen, wo der 34-jährige Italiener während seiner Karriere vornehmlich spielte. Dafür rückte Bisseck auf die rechte Halbverteidigerposition neben Francesco Acerbi, Alessandro Bastoni oder Stefan de Vrij.

Vorteilhaft für den Deutschen war, dass er Teil einer gut geölten Maschine wurde. Inter hat in den vergangenen vier Ligaspielen kein Gegentor zugelassen und spielt an guten Tagen einen Inzaghi-typischen Stabilitätsfußball, der darauf ausgerichtet ist, dass das Team mit Bedacht den Ball nach vorn treibt und die Räume dahinter stets absichert. So verbuchen die Nerazzurri viel Ballbesitz, vermeiden jedoch im besten Fall, ausgekontert zu werden. Bisseck selbst konnte nicht nur seine physische Stärke und Präsenz in der Luft in die Waagschale werfen, sondern zeigte sich auch als sicherer Passspieler - ähnlich wie zum Beispiel Bastoni als linker Halbverteidiger der Dreierkette.

Torschütze gegen Lecce vor Weihnachten

Seinen bislang besten Auftritt hatte Bisseck gegen Lecce einen Tag vor Heiligabend, als er 71-mal den Ball berührte, immer wieder mit überraschend großer Selbstsicherheit Pässe aus der eigenen Hälfte zu Darmian oder Nicolò Barella brachte und das eher zaghafte Mittelfeldpressing der Gäste aus Apulien gekonnt umschiffte. Darüber hinaus machte der Kölner mit seiner Torgefahr auf sich aufmerksam. Insgesamt vier Schüsse, zwei nach Eckbällen, einen infolge eines Freistoßes und einen weiteren nach einem Einwurf, feuerte Bisseck innerhalb des Lecce-Strafraums ab.

Natürlich hatte Cheftrainer Inzaghi eingeplant, dass sein neuer Schützling bei Standardsituationen nach vorn gehen würde, um dessen Körperlänge auszunutzen. Einer jener vier Schüsse führte nach einem Freistoß von Hakan Çalhanoğlu zur Führung für Inter kurz vor der Halbzeitpause und ebnete den Weg zum 14. Sieg in der laufenden Serie-A-Saison.

Bisseck (stehend, ganz rechts) im vergangenen Sommer als Kapitän der deutschen U21-Auswahl.

Bisseck (stehend, ganz rechts) im vergangenen Sommer als Kapitän der deutschen U21-Auswahl.

(Foto: picture alliance/dpa)

Durch die jüngsten Auftritte kann Bisseck weiter sein Spiel entwickeln, zumal die taktischen Anforderungen im Spielsystem von Inzaghi vergleichsweise hohe sind und die drei Verteidiger gerade in der Vorwärtsbewegung so wenig wie möglich Fehler begehen dürfen. Auch in puncto Stellungsspiel wird dem ehemaligen U21-Nationalspieler vieles abverlangt, weil die Nerazzurri nun einmal von ihrer kollektivtaktischen Geschlossenheit und Kompaktheit auf dem Feld leben - und gerade deshalb aktuell wieder Tabellenführer vor Juventus und Stadtrivale AC Milan sind.

In den kommenden Wochen wird es für Bisseck darum gehen, inwieweit er seinen jüngst gewonnen Stammplatz behalten kann. Dumfries könnte schon sehr bald ins Aufgebot zurückkehren und Darmian von der rechten Seite verdrängen. Für Bisseck und gegen Darmian spricht der Faktor Alter. Ähnlich ist es eigentlich auch in der deutschen Nationalmannschaft, wo die Hoffnung zuletzt wieder auf Mats Hummels und Antonio Rüdiger ruhte. Die Klasse dieser beiden hat Bisseck noch nicht, aber er bringt starke athletische Attribute mit und ein steigendes Selbstverständnis in Sachen Stellungsspiel und Endverteidigung. Zudem lernt er in diesen Tagen, wie er sich als Halbverteidiger in einer Dreierkette zu bewegen hat. Solch eine Abwehrvariante könnte für Bundestrainer Julian Nagelsmann angesichts des Mangels an hochklassigen Außenverteidigern in Deutschland noch interessant werden.

Möchte während der EM in Köln spielen

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Bisseck selbst hegt auch noch Hoffnung auf eine Teilnahme an der Europameisterschaft 2024. "Ich bin nach wie vor FC-Fan und schaue fast alle Spiele. Ich hoffe, dass ich im kommenden Sommer bei der Europameisterschaft noch ein paar Spiele für die A-Nationalmannschaft in Köln machen kann", sagte er im Interview mit dem "Geissblog". Sein Karriereweg erinnert ein Stück weit an jenen eines anderen Nationalspielers: Robin Gosens, der selbst nie in einer hochklassigen Jugendabteilung wie der des Effzeh spielte, aber auch im Ausland sein Glück fand, nachdem er zuvor keine wirkliche Chance in Deutschland erhalten hatte. Für Gosens führte der Weg über Vitesse und Heracles Almelo in den Niederlanden ebenfalls nach Italien, zuletzt auch zu Inter. Im Sommer folgte der Wechsel von den Nerazzurri zum 1. FC Union Berlin.

Der Erfahrungsschatz, den Spieler anhäufen, wenn sie sich bereits frühzeitig im Ausland durchschlagen müssen, wo sie auch nicht davon profitieren können, dass sie Eigengewächse des jeweiligen Klubs sind oder unter eine etwaige Local-Player-Regel fallen, ist nicht zu unterschätzen. Bisseck musste in seiner noch jungen Karriere bereits einige Täler durchschreiten, um sich nun als Leistungsträger beim Tabellenführer der Serie A wiederzufinden. Allein das verdient schon Respekt und Anerkennung, die ihm gewiss auch viele Kölner entgegenbringen.

Quelle: ntv.de

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