Krachende Niederlage für Bosse DFL-Absage an Investor wirft drängende Fragen auf
22.02.2024, 07:27 Uhr
Die Meinung aus den Kurven ist eindeutig.
(Foto: IMAGO/RHR-Foto)
Nach wochenlangen und massiven Protesten vieler Fans hat die Deutsche Fußball Liga die Verhandlungen zum Einstieg eines Investors abgebrochen. Am Wochenende wird sich in den Stadien der 1. und 2. Liga zeigen, ob die Spiele nun wieder ohne Unterbrechungen ablaufen. Die schwer beschädigte DFL-Spitze muss sich auf die Suche nach neuen Geldquellen machen, um die geplanten Modernisierungsprojekte zu finanzieren. Die Absage des Milliardengeschäfts wirft auch Fragen nach dem Erhalt der Einheit des Profifußballs auf.
Was ist passiert?
Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat nach den wochenlangen und massiven Fan-Protesten zuletzt die Reißleine gezogen - und den geplanten Investoren-Deal gestoppt. Bei einer Krisensitzung in Frankfurt stimmte das Präsidium um Sprecher Hans-Joachim Watzke "einstimmig" für den Abbruch der Gespräche mit CVC. Das Finanzunternehmen aus Luxemburg war der letzte noch verbliebene potenzielle Geldgeber für einen Einstieg. Damit ist auch der zweite Investoren-Anlauf der DFL gescheitert.
Wie sahen die DFL-Pläne zum Einstieg eines Investors aus?
Die 36 Profi-Klubs sollten eine Summe zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro erhalten. Für das Geld hätte ein Investor sechs bis acht Prozent der Anteile einer DFL-Tochtergesellschaft, in welche die kompletten Medienrechte ausgelagert worden wären, für 20 Jahre erhalten. Mit den Einnahmen hätte die DFL den Profifußball fit für die Zukunft machen wollen, um das Produkt aufzuwerten - Stichwörter Digitalisierung und Internationalisierung. Eine Streamingplattform sollte aufgebaut, die Auslandsvermarktung angeschoben werden, damit bei der Wette auf die Zukunft langfristig mehr Geld reingekommen wäre, als an den Investor hätte ausgezahlt werden müssen.
Vor gut einem Jahr wurden erstmals Pläne der DFL bekannt, 12,5 Prozent der Anteile an einer neuen Tochtergesellschaft für 20 Jahre zu verkaufen. Dorthin sollten Medienrechte ausgelagert werden, ein Investor sollte für seinen Einstieg zwei Milliarden Euro zahlen. Nach dem Bekanntwerden der Pläne gab es bereits Proteste der Fans, bei der Mitgliederversammlung am 24. Mai verfehlten die Pläne die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit unter den Vereinen.
Im September folgten erste Signale für einen zweiten Anlauf in abgespeckter Form. Am 11. Dezember stimmten 24 der 36 Klubs - also genau zwei Drittel - dafür. Offen ist, ob Hannovers Geschäftsführer Martin Kind entgegen der Anweisung des Muttervereins mit Ja gestimmt hat. Die Fan-Proteste gegen den Beschluss nahmen massiv zu, die DFL verhandelte derweil weiter, zuletzt noch mit dem Unternehmen CVC. Am Mittwoch stoppte das Präsidium die Verhandlungen.
Warum haben die Fans so massiv protestiert?
Viele Anhänger, vor allem die organisierten Ultras, lehnen eine immer weiter fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs ab. In dem möglichen Investoreneinstieg sahen sie einen Angriff auf den basisorientierten Volkssport Fußball, der Prozess war ihnen nicht demokratisch genug. Hinzu kam die undurchsichtige Rolle von Martin Kind bei der geheimen Investoren-Abstimmung der Vereine im Dezember. Es steht der Verdacht im Raum, dass es einen Verstoß gegen die 50+1-Regel gegeben haben könnte.
Die Regel begrenzt den Einfluss externer Geldgeber bei Klubs der ersten und zweiten Liga. Hannovers Vereinsführung hatte Kind angewiesen, gegen den Investoreneinstieg zu stimmen. Das Abstimmungsergebnis und die öffentlichen Bekenntnisse von Antragsgegnern lassen jedoch darauf schließen, dass der 79-Jährige mit Ja gestimmt und dem DFL-Plan damit zur nötigen Mehrheit verholfen hat. Kind selbst äußert sich nicht zu seinem Votum.
Wie reagieren die Fans am Wochenende?
Dass die Proteste enden, könne er nicht garantieren, sagte Thomas Kessen, der Sprecher des Fan-Dachverbandes "Unsere Kurve". "Dieser Protest wurde lokal sehr individuell gestaltet, wurde vorangetrieben, und es gab nicht die zentrale Orchestrierung - dementsprechend gibt es auch keine zentrale Orchestrierung, wie man das jetzt feiert." Das "eine oder andere lustige Plakat" werde man am Wochenende bestimmt sehen, von weiteren provozierten Unterbrechungen von teils über 30 Minuten geht Kessen aber nicht aus: "Ich wäre zumindest sehr überrascht, wenn das jetzt noch jemand macht."
Die Position der Fans scheint nach dem Sieg in dieser Machtprobe mit der DFL vorerst gestärkt. Das könnte die organisierten Anhänger bestärken, auch für andere Ziele mit ähnlichen Aktionen in die Konfrontation mit Klubs und Liga-Chefs zu gehen. "Die DFL kann gerne weiter sich Gedanken machen über Investoren oder sonstige Weiterentwicklungspotenziale, entscheidend ist, dass sie lernt, dies alles mit den Mitgliedern der Vereine zu diskutieren", mahnte Kessen.
Was bedeutet das Ende der Verhandlungen für die DFL-Spitze?
Für die DFL ist dies eine weitere krachende Niederlage. Der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Watzke - auch Geschäftsführer von Borussia Dortmund - befürwortete den Einstieg eines Investors, der frisches Geld zur Modernisierung einbringen und die Auslandsvermarktung ankurbeln sollte. Auch die beiden noch relativ neuen DFL-Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel hatten bis zuletzt ausdrücklich für die Pläne geworben. Der erste Versuch war noch unter ihren Interims-Vorgängern Axel Hellmann von Eintracht Frankfurt und Oliver Leki vom SC Freiburg gescheitert.
Vor allem aus der Fanszene gab es massive Kritik an der Liga-Führung wegen schlechter Kommunikation und mangelnder Transparenz beim Investoren-Prozesses. "Der Fehler lag bei der DFL dahingehend, dass man Fans und Mitglieder gar nicht erst mitgenommen hat", kritisierte Kessen. Die Frage ist nun, wie sehr die Bosse durch das Scheitern des Projekts beschädigt sind und ob sich das Vertrauen in die DFL-Spitze wieder herstellen lässt.
Wie reagieren die Klubs?
Bayern München etwa äußerte sich bislang nicht. Klubs wie der VfB Stuttgart, der FC Augsburg oder Hertha BSC begrüßten die Entscheidung der DFL. "Nun gilt es, die Rückschlüsse aus den vergangenen Wochen zu ziehen und hieraus eine von möglichst allen mitgetragene Basis für eine Weiterentwicklung des deutschen Profifußballs zu schaffen. Das können Verbände, Vereine und Fans nur gemeinsam", teilte Stuttgart mit. Vom FC St. Pauli hieß es: "Wir sind dringend angehalten, mit diesem Schritt den viele Jahre verschüttgegangenen institutionalisierten Dialog mit den Fangruppen zu suchen und notwendigerweise miteinander über die finanzielle Zukunft der Klubs zu sprechen."
Wie will die Liga nun an frisches Geld kommen?
Die DFL wird in den nächsten Wochen die Klubs zu Gesprächen einladen, um das Vorgehen zu erörtern. "Wir müssen jetzt einfach mal ganz neu anfangen", sagte Watzke: "Eins ist natürlich klar: Die allermeisten werden schon sehen, dass wir irgendwie was machen müssen, wenn wir uns im Ausland als Bundesliga auch ein bisschen besser präsentieren wollen oder besser vermarkten wollen".
Das bisherige Modell mit einer Minderheitsbeteiligung an einer Tochtergesellschaft ist laut Watzke vom Tisch. "Dieser Prozess ist ad acta gelegt. Wir müssen mal ganz neu anfangen", sagte der 64-Jährige. Es sollen Gespräche mit den Klubs darüber folgen, auf welchen anderen Wegen frisches Kapital in die Liga fließen könnte. Klubs könnten zur Finanzierung von Modernisierungsmaßnahmen Schulden machen. Über eigene Kredite wären sie unabhängig von einem Investor. Viele Fans schenkten den Bekundungen der Liga keinen Glauben, wonach ein Geldgeber in entscheidenden Fragen wie Spielplänen oder Anstoßzeiten kein Mitspracherecht bekommen sollte.
Droht womöglich eine Abspaltung der Bundesliga?
Nach der ersten - gescheiterten - Abstimmung wurde die Kluft zwischen großen und kleinen Klubs sehr deutlich, international spielende Branchenführer wie der FC Bayern München und Borussia Dortmund fürchteten offen um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Die größeren Klubs würden sich "sicherlich auch darüber Gedanken machen, wie es für sie weitergeht", sagte Watzke im vorigen Mai und fügte hinzu, mit "Solidaritätsthemen" solle ihm "bitte die nächste Zeit niemand mehr" kommen. Die Trennung der Ligen sei aber nur die "ultima ratio", also das allerletzte Mittel, schränkte Watzke ein. Noch viel heftigere Fan-Proteste wären erwartbar die Folge eines solchen Schritts.
Bislang werden die Einnahmen des Profifußballs bei den Medienrechten über die Zentralvermarktung der DFL generiert und an die 36 Klubs ausgeschüttet. Geschäftsführer Michael Ströll vom FC Augsburg erklärte nach dem Ende der Verhandlungen nun, der Zusammenschluss der beiden Ligen sei ein großes und wichtiges Gut des deutschen Fußballs. "Wichtig ist, dass diese Entscheidung jetzt nicht von den Befürwortern dafür genutzt wird, die Spaltung der Ligen zu forcieren. Das wäre in der jetzigen Situation völlig deplatziert", betonte Ströll.
Quelle: ntv.de, tsi/dpa/sid