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Tennisbälle gegen DFL-Investor Die Bundesliga rettet sich vor dem großen Knall

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Wem der deutsche Fußball gehört, darüber wird niemals Einigkeit erzielt. Was seit heute unzweifelhaft ist: Die Fans in den Stadien, die das Spiel in den größten Arenen des Landes glänzen und scheinen lassen, sind ein guter Sachwalter des Sports. Sie nutzen ihre Macht und das Kapital hört hin. Eine gute Nachricht.

Fußball-Fans werden gerne als eine verrohte, gewaltbereite Masse porträtiert. Genau dies war nun bei den wochenlangen Protesten in den deutschen Stadien nicht der Fall. Sie zwangen die Deutsche Fußball-Liga mit Tennisbällen, Papierfliegern, ferngesteuerten Autos und Kamelle zum Umdenken. Der Investoren-Deal ist nun geplatzt. Fanvertreter und mehrere Klubs hatten neben dem Zorn über die Idee an sich das intransparente Vorgehen kritisiert und mindestens eine offene Wiederholung der geheimen Wahl gefordert.

Nun hat die Liga alle Verhandlungen abgebrochen. Und auch wenn die üblichen Verdächtigen aus dem Boulevard nun von einer neuen Erpressbarkeit der Vereine sprechen, so ist dies ganz im Gegenteil ein Sieg für den deutschen Fußball, der erneut beweist, wie kostbar das Kulturgut Bundesliga ist und wie verantwortungsvoll damit, wenn auch unter Druck, umgegangen wird.

"Der deutsche Profifußball", sagte Hans-Joachim Watzke, der Sprecher des Präsidiums der Deutschen Fußball-Liga (DFL), "steht inmitten einer Zerreißprobe, die nicht nur innerhalb des Ligaverbands zwischen den Klubs, sondern teilweise auch innerhalb der Klubs zwischen Profis, Trainern, Klubverantwortlichen, Aufsichtsgremien, Mitgliederversammlungen und Fangemeinschaften für große Auseinandersetzungen sorgt, die mit zunehmender Vehemenz den Spielbetrieb, konkrete Spielverläufe und damit die Integrität des Wettbewerbs gefährden."

Eine friedvolle Meuterei, die stolz machen sollte

In den vergangenen Wochen hatten die zahlreichen Würfe von Gegenständen in der Tat den Fußball auf eine harte Probe gestellt. Doch kein Spiel musste abgebrochen werden, auch weil die Schiedsrichter deeskalierend wirkten und die Partien gelassen weiterleiteten. Beim Spiel Hertha gegen Magdeburg sorgte Schiedsrichter Florian Exner so für ein Novum, beendete die erste Halbzeit vorzeitig und ließ die Restspielzeit nach der Pause nachspielen. So sorgte er mit beeindruckender Ruhe für ein Ende der Proteste.

Auch die meisten Funktionäre und Spieler zeigten ihr Verständnis für die Tennisballwürfe der Fans, wenngleich einigen von ihnen, wie den Dortmunder Profis Emre Can und Niclas Füllkrug, zuletzt ein wenig der Geduldsfaden riss. Die Spiele der Bundesliga wurden immer unansehnlicher, veranlassten einige Beobachter dazu, den Fans Tomatenwürfe zu empfehlen, weil nur diese den Standard der von zahlreichen Unterbrechungen geprägten Spiele abbildeten.

Im Ausland hatten die anhaltenden Unmutsbekundungen der Zuschauer vor allen Dingen durch die Art und Weise des Protests Zuspruch erhalten. Hier standen Fans für etwas ein und waren dabei mal mehr und mal weniger kreativ. Besonders die ferngesteuerten Autos, die Papierflieger und die Fahrradschlösser hatte man dort so noch nicht gesehen. Tennisbälle hingegen schon. Die "Tennisball-Meuterei" war am Ende eine friedvolle und eine, auf die der gesamte deutsche Fußball mit Stolz blicken kann.

Der Kampf ist noch nicht verloren

Denn nicht nur die Zuschauer haben gewonnen, sondern allgemein der Fußball, der dieser Tage so viel Zuspruch erhielt, wie lange nicht mehr. Viel ist in den vergangenen Jahren darüber geredet worden, wie sehr sich das Spiel von seinen Wurzeln entfremdet hat. Diese haben nun unmissverständlich klargemacht: Der Kampf um das Gesellschaftsspiel Fußball ist noch lange nicht verloren. Der VfB Stuttgart begrüßte die "nachvollziehbare Entscheidung des DFL-Präsidiums, die uns allen, die wir den Fußball lieben, wieder zusammenkommen lässt".

Die Situation ist nach dem Rückzug der DFL erst einmal befriedet. Fragen bleiben dennoch offen: Wie geht es weiter mit der 50+1-Regelung, die nach der umstrittenen, mutmaßlich vom Hannover-Mehrheitseigner Martin Kind gegen den Willen des e.V. durchgesetzten Stimme erneut auf dem Prüfstand steht? Besonders die Situation bei Hannover 96 hatte das Vertrauen in den Abstimmungsprozess unterminiert, die DFL hatte in einem bemerkenswerten Statement ausdrücklich auf die Problematik beim Zweitligisten verwiesen: Es dürfe "nicht verkannt werden, dass es diesem Votum aufgrund der Vorgänge um Hannover 96 an breiter Akzeptanz fehlt. Darüber hinwegzugehen, darf vor dem Hintergrund des hohen Guts, das wir mit der 50+1-Regel in unseren Händen halten, nicht unser Ansatz sein. Das DFL-Präsidium steht einmütig zur 50+1-Regel."

"Für die Menschen ist das Stadion Heimat"

Wie verhalten sich die beiden zugkräftigsten Klubs des Landes, der FC Bayern und Borussia Dortmund, in Sachen Zentralvermarktung der DFL? Was sagt Bayer-Boss Fernando Carro, der den Klubs der Zweiten Bundesliga vor der zweiten Abstimmung im Dezember mit einer Abspaltung drohte?

All das sind Fragen für die Zukunft. Vorerst aber heißt es Spiel, Satz und Sieg für alle, die sich gegen die Einflussnahme eines Investors, ob es die nun gegeben hätte oder nicht, mit großer Leidenschaft gewehrt haben und denen es dabei gelungen ist, das Bild der Fußballs-Fans in Deutschland erneut zu bestätigen. In einer Liga, deren Bildsprache international auch auf den farbenfrohen Kurven und Tribünen des Landes begründet ist, haben sie ihren Ruf als Bewahrer eines im Restfußball wegbrechenden Widerstands gegen den Wüsten-Kapitalismus des Sports untermauert.

"Die Menschen lieben dieses Spiel, für sie ist das Stadion Heimat. Der Fußball braucht einen verantwortungsvollen Umgang gegenüber den Menschen, die diesen Fußball ausmachen, den Fans", hatte Kay Bernstein, der im Januar viel zu früh verstorbene Präsident von Hertha BSC, im Sommer 2023 gesagt. Mit der heutigen Entscheidung der DFL hat der deutsche Fußball einen Schritt in diese Richtung gemacht. Die Frage ist nun ist, was daraus resultiert.

Quelle: ntv.de

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