"What the fuck!" Das besorgniserregende Krachen bei der Klub-WM
04.07.2025, 10:35 Uhr
Unwetter ziehen über dem Stadion in Charlotte auf.
(Foto: REUTERS)
Noch nie wurden bei einem FIFA-Turnier so viele Spiele wegen des Wetters unterbrochen wie bei der Klub-WM. Starkregen oder Gewitter brachten bislang sechs Partien zum Stillstand. Das sorgt für Frust, aber auch heitere Diskussionen.
Heute könnte es wieder krachen - im wahrsten Sinne des Wortes. Um 15 Uhr (Ortszeit) sollen im ersten Viertelfinale dieser FIFA-Klub-WM Fluminense und al-Hilal aufeinandertreffen. Sollen, wohlgemerkt. Der Konjunktiv ist hier ganz wichtig, denn Spielort des Duells zwischen dem Traditionsverein aus Rio de Janeiro und dem Überraschungsteam aus Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad, ist Orlando. Und die Wettervorhersage für Orlando verheißt nichts Gutes.
Zur geplanten Anstoßzeit beträgt die Gewitter-Wahrscheinlichkeit 50 Prozent, eine Stunde später liegt sie sogar bei 70 Prozent. Nichts Ungewöhnliches für diese Jahreszeit in Florida. Und dennoch: es wäre im sechsten Turnierspiel in Orlando die dritte Spielunterbrechung. Das wirft die Frage auf, warum im riesigen Flächenland USA gerade Zentral-Florida als Spielort ausgewählt wurde? Eine Gegend, in der aufgrund der drückenden Schwüle Nachmittagsschauer- oder gar Gewitter keine Seltenheit sind.
Florida - die "Blitz-Hauptstadt" der USA
Laut Wirtschaftsmagazin "Forbes" gelte Florida allgemein hin als "Blitz-Hauptstadt" der USA. Nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde habe es im "Sunshine State" in den vergangenen 50 Jahren "mehr als 2000 Verletzungen durch Blitzschläge" gegeben. Und Florida hat mit Orlando und Miami gleich zwei Austragungsorte bei dieser Klub-WM. Ob wohl je jemand auf die Idee käme, ein Fußball-Turnier im Winter im Norden Kanadas auszutragen?
Andererseits mussten neben den Spielen in Orlando eben auch Partien in den weiter nördlich gelegenen Städten Charlotte, Nashville, Cincinnati und sogar in East Rutherford (New Jersey) unterbrochen werden. "Um ehrlich zu sein, ist es ein Witz. Das hat nichts mit Fußball zu tun", hatte sich Chelsea-Trainer Enzo Maresca bereits nach dem Achtelfinale gegen Benfica Lissabon echauffiert. Sein Team hatte in Charlotte 1:0 gegen die Portugiesen geführt, als in Stadionnähe vereinzelte Blitze aufkamen und der Schiedsrichter die Spieler deshalb in der 86. Minute wegen einer Gewitterwarnung in die Kabinen schickte. Die rund 26.000 Zuschauer in der Betonschüssel ohne Überdachung wurden aufgefordert, die Arena zu verlassen und Schutz im Stadionumlauf zu suchen.
Spielunterbrechung? Wegen eines Gewitters?
Im Pressebereich führte dies zu amüsanten Dialogen zwischen verdutzten englischen Reportern und US-Journalist Kyle Bonn, der in Charlotte lebt. "Was machen die? Spielunterbrechung? Wegen eines Gewitters?", wunderten sich die Kollegen von der Insel und fügten ein frustriertes "What the fuck!" (Was zum Teufel!) an. Gewitterwarnungen oder auch Spielunterbrechungen kämen im Sommer in den US-Südstaaten öfter vor, entgegnete Bonn und untermalte dies mit einem Schulter zuckenden "Is' nun mal so."
Es wurde schnell klar: Hier treffen zwei Welten aufeinander, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Wie Sommer und Winter, Feuer und Eis. Also in England wäre das Spiel auf keinen Fall unterbrochen worden, nicht vier Minuten vor dem Ende - Gewitter hin oder her, betonten die Chelsea-Reporter. Kyle Bonn hörte interessiert zu, nickte verständnisvoll und wiederholte beinahe hilflos: "Is' nun mal so."
Gesamtspielzeit: 280 Minuten (!)
Die englischen Kollegen riefen ihre Redaktionen in London an, teilten mit, dass es "in 30 Minuten wohl weitergehen" solle. Sie mussten letztlich noch drei weitere Anrufe tätigen. Denn aus den ursprünglichen 30 Minuten wurden fast zwei Stunden. Das Protokoll bei Gewitterwarnungen besagt, dass die Spieler erst eine halbe Stunde nach dem letzten Blitz wieder auf den Rasen - und die Zuschauer wieder auf ihre Sitzplätze - dürften. Letztlich dauerte die Partie, die noch in die Verlängerung ging, insgesamt vier Stunden und 40 Minuten.
Es war das sechste Match dieses Turniers, das wegen Starkregens oder Gewitters unterbrochen werden musste. So viele Zwangspausen hatte es noch bei keinem FIFA-Event gegeben. Er könne ja verstehen, meinte Chelsea-Trainer Maresca, dass Spiele aus Sicherheitsgründen unterbrochen würden. Aber wenn man so viele Spiele unterbrechen müsse, dann bedeute das wohl, dass "dies nicht der richtige Ort für diesen Wettbewerb" sei.
Dortmund in der Dampfsauna Cincinnati
Und selbst, wenn es nicht schüttet oder donnert, sind die Bedingungen bei diesem Turnier mitunter brutal, was auch mit den Anstoßzeiten zu tun hat. Um den europäischen Markt zur dort gewohnten Sendezeit um 18 oder 21 Uhr bedienen zu können, werden die Spiele in den USA um 12 Uhr oder 15 Uhr angepfiffen. Dortmund-Trainer Nico Kovac betonte nach dem 1:0-Sieg der Borussia im Gruppenspiel gegen HD Ulsan in Cincinnati (Spielbeginn war 15 Uhr), dass die App auf seiner Uhr eine gefühlte Temperatur "von 43 Grad Celsius" angezeigt habe. "Da kann man in eine Dampfsauna gehen, die ist ungefähr so bei 40, 45 Grad", so Kovac.
Erschwerend kommt hinzu, dass Stadien wie Charlotte, Philadelphia und East Rutherford reine Betonschüsseln sind. Aufgrund ihrer Bauweise bieten sie bei Spielen zur Mittags- oder Nachmittagszeit kaum Schatten - und werden deshalb für Fans und Fußballer zu Backöfen.
Allerdings: Gluthitze, drückende Schwüle, Wärme-Gewitter, sintflutartige Regenfälle - das ist in den USA kein Phänomen im Juni und Juli 2025, sondern ein ganz normaler Sommer. Und mit diesen herausfordernden Bedingungen werden Fußball, Fans und Fernsehanstalten auch im kommenden Sommer zu kämpfen haben, wenn in Mexiko und Kanada, vor allem aber den USA die WM ausgetragen wird. Der menschengemachte Klimawandel wird derartige extreme Wetterereignisse nur noch verstärken.
"Eine Weltmeisterschaft in Amerika mitten im Sommer? Haben die das Wetter gesehen?", hatte bereits vor einem Jahr "The Athletic" gefragt. Kurz zuvor war ein Schiedsrichter-Assistent beim Gruppenspiel der Copa América zwischen Kanada und Peru in Kansas City Ende bei einer Temperatur von 37,8 Grad Celsius zusammengebrochen.
Quelle: ntv.de