Fußball

Ur-Londoner aus Frankreich Das ist Bayerns 55-Millionen-Mann Michael Olise

Bayerns neuer Diamant in der Offensive: Michael Olise.

Bayerns neuer Diamant in der Offensive: Michael Olise.

(Foto: IMAGO/PPAUK)

Bixente Lizarazu, Willy Sagnol, Franck Ribéry, Kingsley Coman, Mathys Tel. Französische Spieler sind beim FC Bayern häufig Publikumslieblinge. Gelingt das auch Michael Olise? In England wird er für ein Kult-Interview gefeiert - und für Tore, die an eine Bayern-Legende erinnern.

Frankreich fördert seit Jahren mit beängstigender Konstanz offensive Top-Talente zutage. Nicht wenige von ihnen haben auch in der Bundesliga ihre Spuren hinterlassen. Besonders auf den Flügelpositionen durften sich Fans in den letzten Jahren über Spieler wie Bayerns Kingsley Coman, Leverkusens Moussa Diaby oder Ousmane Dembélé beim BVB freuen. Erst 2022 hatte der Rekordmeister mit Mathys Tel den nächsten verheißungsvollen Youngster aus dem Nachbarland verpflichtet. Nun kommt der Nächste: Kurz nach dem Einzug Frankreichs ins Halbfinale der Europameisterschaft verkündete der FC Bayern, Michael Olise verpflichtet zu haben.

Michael Olise passt jedoch so gar nicht in die lange Reihe französischer Stars beim FC Bayern. Das wird schon deutlich, wenn man ihn sprechen hört. Fließendes Englisch mit breitem Londoner Dialekt. Nicht nur spielte Olise zuletzt bei Crystal Palace in der Hauptstadt Englands. Er wird in London geboren und fußballerisch sozialisiert. In der Jugend spielt er kurze Zeit für den FC Arsenal und Manchester City, vor allem aber für den FC Chelsea. Von 2009 bis 2016 schnürt er die Schuhe für die Blues und trifft auf diverse andere Hochbegabte. Einen von ihnen trifft er demnächst sogar wieder.

Doch warum spielen Jamal Musiala und Michael Olise bald wieder in einem Team? Warum gibt der FC Bayern 55 Millionen Euro - nur Matthijs de Ligt, Lucas Hernández und Harry Kane waren in der Transferhistorie des Klubs teurer - für einen Angreifer ohne Länderspiel und Einsatz in der Champions League aus? Michael Olise hat andere Stärken als seine (baldigen) Nationalmannschaftskameraden Ousmane Dembélé oder Kingsley Coman. Er ist weniger ein Tempodribbler, der mit beeindruckender Endgeschwindigkeit immer und immer wieder das Duell mit dem gegnerischen Außenverteidiger sucht.

Olise tut etwas, von dem beim FC Bayern jeder sehr gut weiß, dass es funktioniert. Zug nach innen, Schuss in die lange Ecke, Tor. In der Allianz-Arena hat man diesen Ablauf dutzendfach gesehen, Arjen Robben sei Dank. Sein schönstes Tor erzielt Olise wahrscheinlich nach genau dieser Formel im November 2022 gegen West Ham United. Es ist der Siegtreffer. In der 94. Minute. Im Interview nach dem Spiel fragt ein Reporter, ob er erklären könne, wie er das Tor erlebt hat. Olise: "Ich glaube, Zaha hat mir den Ball zugespielt. Ich schoss. Ich traf."

Spiel hat keine Schwächen - Körper schon

Ganz so präzise wie am Mikrofon ist Olise im Torabschluss aber (noch) nicht. In 82 Premier-League-Partien gelangen ihm 14 Treffer. Doch eben auch 22 Vorlagen. Der linke Fuß Olises kann nach dem Zug nach innen nicht nur schießen, sondern auch flanken. Ohnehin hat der Franzose in nahezu jeder Spielsituation den Kopf oben. Er scheut sich nicht vor risikoreichen Pässen, spielt aber auch nicht für die Galerie. Ein gutes Dribbling rundet Olises vielfältigen Werkzeugkoffer ab. Wirklich eklatante Schwächen scheint sein Spiel nicht zu haben. Sein Körper zeigte sie zuletzt schon. In der vergangenen Saison verpasst er aufgrund einer Oberschenkelverletzung acht Spiele. In der Spielzeit zuvor sind es gar 13, ebenfalls aufgrund des Oberschenkels. Dass der FC Bayern derzeit in der medizinischen Abteilung jeden Stein umdreht, kommt hoffentlich auch ihm zugute.

Ein Spieler mit seinen vielseitigen Fähigkeiten fehlt dem französischen Kader - Halbfinale hin, Halbfinale her - etwas, auch durch den Ausfall von Ex-Leipziger Christopher Nkunku. Denn im EM-Aufgebot sucht man Olise vergebens. Bisher hat er noch nicht einmal ein A-Länderspiel für die Franzosen bestritten, lediglich neun Einsätze in den U-Mannschaften stehen zu Buche. Die Entscheidung für den französischen Verband war durch die Abstammung seiner Mutter möglich, auch für Nigeria oder Algerien hätte er spielen können, für England sowieso.

Vom EM-Zuschauer zum Olympia-Sieger?

Doch auch wenn er während der EM freihat, könnte er schon bald den ersten Titel im internationalen Fußball feiern. Thierry Henry, Arsenal-Legende und Trainer der olympischen Fußball-Mannschaft Frankreichs, plant mit ihm für das Turnier in Paris. Frankreich konnte erst einmal Gold erringen, 1984. 1992 gab es mit Spanien den letzten europäischen Sieger. Frankreich will zu Hause wieder ganz oben stehen, ursprünglich wollte auch Megastar Kylian Mbappé mithelfen, doch Real Madrid gab seine neueste Attraktion nicht frei. Die Bayern hingegen geben für Olise grünes Licht.

Das bedeutet auch, dass der neue Münchener Coach, Vincent Kompany, lange auf seinen Top-Transfer verzichten muss – vor allem im Erfolgsfall. Am 10. August geht in der französischen Hauptstadt das Spiel um Gold über die Bühne. Nur sechs Tage später treten die Bayern zur ersten DFB-Pokalrunde an. Olise wird also kaum Zeit haben, viel mit dem Kader zu trainieren, bevor es ernst wird. Immerhin Verständigungsprobleme sollte er kaum welche haben. Mit Kingsley Coman und Mathys Tel kann er Französisch sprechen. Und Harry Kane und Jamal Musiala freuen sich auf den Londoner Dialekt.

Quelle: ntv.de

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