Fußball

Fußball-Zeitreise, 23.11.1969 Der unbeliebteste Schiedsrichter der Welt

Moreno wies die Anschuldigungen von sich mit den Worten:  "Wenn die Italiener über Korruption sprechen, dann nur, weil sie es gewohnt sind, sie selber zu praktizieren."

Moreno wies die Anschuldigungen von sich mit den Worten: "Wenn die Italiener über Korruption sprechen, dann nur, weil sie es gewohnt sind, sie selber zu praktizieren."

In Italien spricht auch 17 Jahre nach dem Skandalspiel bei der WM in Japan und Südkorea noch immer niemand diesen Namen aus. Byron Moreno hat das stolze Fußballland damals im Achtelfinale 2002 gegen sich aufgebracht. Heute feiert der meist gehasste Schiedsrichter Italiens seinen 50. Geburtstag.

Dass Schiedsrichter Fehler machen, das kann passieren. Manche dieser unglücklichen Entscheidungen sind allerdings so verheerend, dass sie in die Geschichte eingehen. So werden wir Deutschen selbstverständlich nie die Schiri-Kombo aus dem Schweizer Gottfried Dienst und dem Aserbaidschaner Tofik Bakhramov vergessen, die uns 1966 bei der WM in England das Fußballbegriffsschätzchen "Wembley-Tor" schenkten. Noch in Hunderten von Jahren werden unsere Nachfahren nur mit diesem einen Wort immer die krasse Fehlentscheidung der beiden Unparteiischen zum vorentscheidenden 3:2 des englischen Stürmers Geoff Hurst im Finale von London verbinden. Schön ist das nicht, aber es geht noch weitaus schlimmer. Und damit sind wir auch schon bei unserer heutigen Hauptfigur der "Fußball-Zeitreise". An diesem 23. November feiert der ehemalige Schiedsrichter Byron Moreno seinen 50. Geburtstag.

Schiedsrichter Gottfried Dienst und sein Assistent Tofik Bakhramov fällten im WM-Finale 1966 eine legendäre Entscheidung.

Schiedsrichter Gottfried Dienst und sein Assistent Tofik Bakhramov fällten im WM-Finale 1966 eine legendäre Entscheidung.

(Foto: imago/Ferdi Hartung)

Glückwünsche aus Italien sollte der Mann aus Ecuador zu seinem Ehrentag allerdings nicht erwarten - denn seinen Namen nimmt man dort seit dem Jahr 2002 besser nicht mehr in den Mund. Nach Meinung der Tifosi hat der ecuadorianische Schiedsrichter das stolze Fußballland bei der WM-Achtelfinalpartie gegen das eine der beiden Gastgeberländer, Südkorea, nach Strich und Faden verpfiffen. Hinterher war man sogar so sauer auf Moreno, dass man im sizilianischen Santa Teresa di Riva eine Toilettenanlage nach dem Mann aus Quito benannte und die Pissoirs mit dem Konterfei des unbeliebten Schiris beklebte.

"Das war schon bei Mussolini so"

Moreno selbst allerdings reagierte äußerst schnippisch auf die Anschuldigungen und machte die Sache so nicht unbedingt besser: "Wenn die Italiener über Korruption sprechen, dann nur, weil sie es gewohnt sind, sie selber zu praktizieren. Die Italiener wissen immer noch nicht, wie man anständig verliert. Das war schon bei Mussolini so, als er 1938 seinen Spielern sagte, sie sollen ja nicht ohne den Pokal aus Frankreich nach Hause kommen."

Die Zufriedenheit der italienischen Fußballer mit Morenos Entscheidungen war überschaubar.

Die Zufriedenheit der italienischen Fußballer mit Morenos Entscheidungen war überschaubar.

Eine rüde Attacke mitten hinein in den italienischen Fußballstolz, denn in der Tat hatten die italienischen Spieler bei der WM 1938 damit zu kämpfen, dass ihr Führer Mussolini ihnen mit dem Tode gedroht hatte, falls sie ohne Pokal nach Hause kämen. Doch eigentlich hatte Moreno wohl eher auf die Weltmeisterschaft vier Jahre zuvor in Italien anspielen wollen, als der schwedische Schiedsrichter Ivan Eklind traurige Berühmtheit erlangte, als er im Halbfinale gegen Österreich höchstpersönlich in die Lüfte stieg und eine Flanke aus der Gefahrenzone beförderte, als es im italienischen Strafraum mal wieder allzu eng für die Heimmannschaft geworden war. Eklind wurde übrigens direkt im Anschluss an das erfolgreich beendete Halbfinale fürs Endspiel gegen die Tschechoslowakei verpflichtet - eine durchaus sinnvolle Entscheidung für die Italiener, wie sich später herausstellen sollte.

Moreno kennt sich mit Bestechlichkeit aus

Noch interessanter war allerdings, dass Byron Moreno nach dem Skandalspiel 2002 sofort den Begriff "Korruption" in den Mund genommen hatte, obwohl man sich auf Seiten der Italiener trotz aller Erregung mit solch eindeutigen Beschuldigungen dezent zurückgehalten hatte. Das mag daran gelegen haben, dass sich der Schiedsrichter selbst offensichtlich sehr intensiv mit der Materie Bestechlichkeit auseinandergesetzt hatte. Ebenfalls im Jahr 2002 sorgte Moreno nämlich bei einer Partie zwischen Liga de Quito und dem Barcelona Sporting Club aus Guayaquil für Aufregung.

Über 20 Minuten ließ der Schiri an diesem Tag nachspielen. Böse Zungen vermuteten damals, dass das einen ganz einfachen Grund hatte: Byron Moreno bewarb sich zu diesem Zeitpunkt gerade um einen Sitz im Stadtparlament von Quito. Zufälligerweise Heimatort genau der Mannschaft, der zu Hause gegen den SC Barcelona einfach kein Tor gelingen wollte. Und um das Ganze auf die Spitze zu treiben - Morenos Wahlspruch war damals: "Rote Karte für die Korruption!"

Buffon spricht über seine Morenos Unterwäsche

Der junge Gianluigi Buffon war kein großer Fan von Moreno.

Der junge Gianluigi Buffon war kein großer Fan von Moreno.

Als der Schiedsrichter schließlich 2010 am New Yorker Kennedy-Flughafen bei einem sonderbaren Kriminaldelikt erwischt wurde - er hatte an einem der bestbewachten Airports der Welt versucht, sechs Kilogramm Heroin in Plastiktüten, die er an seinem eigenen Körper befestigt hatte, zu schmuggeln -, kannte Italiens Nationalkeeper Gianluigi Buffon auch Jahre nach dem WM-Spiel gegen Südkorea keine Gnade: "Sechs Kilo Drogen? Meines Erachtens hatte er diese schon 2002, aber nicht in der Unterwäsche, sondern im Körper."

Mittlerweile zeigt sich Buffon versöhnlicher. Er habe Mitleid mit diesem Mann, sagt der Torhüter von Juventus Turin, denn es habe mit Moreno "kein gutes Ende genommen". Die Aussagen von Buffon sind allerdings eine absolute Ausnahme in Italien. Denn ansonsten wird der Name Byron Moreno immer noch totgeschwiegen. Das wird sich aller Voraussicht nach auch am heutigen 23. November, dem Tage des 50. Geburtstags des Mannes aus Ecuador, nicht ändern.

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Quelle: ntv.de

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