Fußball

BVB siegt und siegt und siegt Die Mentalitätsmaschinen aus dem Revier pflügen Liga um

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Was in der Winterpause mit Emre Can passiert ist, kann kaum jemand so richtig erklären.

(Foto: picture alliance / DeFodi Images)

Der BVB gewinnt wettbewerbsübergreifend sein zehntes Spiel in Folge und holt sich zumindest über Nacht die Tabellenführung zurück. Sie haben auch deshalb einen Lauf, weil sich zu Tugenden wie Wehrhaftigkeit und Kampfeswillen das nötige Glück gesellt. Der Protagonist des Aufschwungs heißt Emre Can.

Weit oben auf der Osttribüne saß Karim Adeymi in der VIP-Loge hinter einer Plexiglasscheibe. Dick eingemummelt gegen die Kälte, aber immer in Bewegung. Der Nationalspieler ist aufgrund einer Muskelverletzung derzeit zum Zuschauen verurteilt, aber wenn seine Kollegen in schwarz-gelb unten auf dem Rasen einen ihrer Tempoangriffe inszenierten, ging der 21-Jährige aus dem Sattel.

Der Sprinter im Wartestand hatte über weite Strecken seinen Spaß, genau wie die mehr als 80.000 Besucher, im Dortmunder Stadion, so sie nicht aus dem fernen Leipzig angereist waren. Am Ende mussten alle, die ihr Herz an den Revierklub verschenkt haben, mächtig zittern. Es ging gut, so wie eigentlich derzeit alles gut geht für den BVB. Selbstverständlich war das 2:1 (2:0) am Ende glücklich, aber so ist das nun mal, wenn eine Mannschaft das erlebt, was Fußballer einen Lauf nennen. Ein Rad greift in das andere, alles läuft wie von selbst, am Ende geht es alles gut aus.

Zehn Spiele, zehn Siege und bis zum Ende zittern

Die sagenhafte Serie des BVB summiert sich seit Jahresbeginn auf mittlerweile zehn Siege in Folge in drei Wettbewerben. Das ist ein in allen europäischen Profiligen unübertroffener Wert. Zumindest für eine Nacht setze sich das börsenorientierte Fußballunternehmen vor den Dauermeister aus München an die Tabellenspitze. Mindestens genauso werthaltig ist der Umstand, dass die Dortmunder den Sicherheitsabstand auf den ungeliebten Herausforderer aus Leipzig auf sieben Punkte ausbauten. Die Erlebnisse der 90 Minuten fasste Kapitän Marco Reus wie folgt zusammen: "Wir tun uns schwer und müssen bis zum Ende zittern. Aber trotzdem freuen wir uns."

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BVB-Trainer Edin Terzić musste vor der WM-Pause viel Kritik einstecken. Jetzt nicht mehr.

(Foto: picture alliance/dpa)

Und weiter: "Du kommst nur über harte Arbeit zum Erfolg. Und harte Arbeit liefern wir seit Wochen ab." Es war ein weiterer Beitrag zur ewigen Debatte um die Mentalität, die die oftmals wankelmütigen Dortmunder seit Jahren begleitet. Fans und Beobachter reden sich in Rage, während Spieler, Trainer und Funktionäre des Diskurses längst überdrüssig sind. Gemeint ist die Bereitschaft, bei jedem Auftritt neben der üppig vorhandenen fußballerischen Qualitäten auch jene Wehrhaftigkeit ins Spiel einfließen zu lassen, die es verhindert, sich von einem rustikal auftretenden Gegner den Schneid abkaufen zu lassen.

Daran, dass diese immer wieder eingeforderte Tugend im noch jungen Jahr offenbar gewachsen ist, hat Terzić einen gehörigen Anteil. Der Trainer hat nach einer Hinrunde mit diversen Rückschlägen viele Gespräche geführt und ist dabei von seinem kickenden Personal offenbar erhört worden. Die "Süddeutsche Zeitung" spricht von einer "neuen Arbeitsmoral", die es ermöglicht, die zuvor porösen Reihen zu schließen. Terzić selbst formuliert die Entwicklung so: "Wir zeigen jetzt, dass wir als Mannschaft aufeinander aufpassen."

Was ist nur mit Emre Can passiert?

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Julian Ryerson kam von Union Berlin und brachte die Defensivsucht mit.

(Foto: picture alliance / Guido Kirchner)

Mittelfeldspieler Can hat beobachtet, "dass wir extrem viel miteinander reden und füreinander da sind". Aber auch im taktischen Bereich hat Terzić für mehr Sicherheit und Stabilität gesorgt. Zu Jahresbeginn etablierte er beim Auswärtsspiel in Leverkusen den wiedererstarkten Can erstmals als tiefstehenden Sechser, der nicht nur vor der Abwehr agiert, sondern sich auch in die Viererkette zurückfallen lässt, um in der gefährlichen Zone die Räume zu verdichten.

Ein Kunstgriff, der sich bewährt hat, die Zahl der vermeidbaren Gegentore ist seitdem spürbar gesunken. Can, der in Dortmund zu den Großverdienern gehört, und den viele bereits als Fehlkauf abgeschrieben hatten, ist das signifikanteste Sinnbild des Dortmunder Aufschwungs. Seine Monstergrätsche, mit der er im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals gegen Chelsea London den Ball von der Linie kratzte und damit den Sieg rettete, wird in Fankreisen als Symbol für einen Behauptungswillen gefeiert, den sie in Dortmund lange vermisst haben.

Can glänzt nicht nur als Stratege und robuster Zweikämpfer, sondern auch als Wortführer und unermüdlicher Antreiber. Gegen Leipzig gelang ihm darüber hinaus mit einer Direktabnahme das zweite Tor, das ausreichte, um weitere drei Punkte auf das Konto zu packen. Can sei für ihn "das perfekte Beispiel, dass du dir bei uns alles erarbeiten kannst", sagt Trainer Edin Terzić: "Wie er den Rhythmus bestimmt, das macht er richtig gut."

Ein Schlüsseltransfer legt den Grundstein

Auch andere Protagonisten profitieren von der gewachsenen Einheit: Julian Brandt präsentiert sich seit Wochen in blendender Spiellaune, der in seinem ersten Halbjahr nach dem Wechsel aus Salzburg fremdelnde Ausnahmesprinter Karim Adeyemi ist mit seiner enormen Schnelligkeit mittlerweile ein Unterschiedsfaktor, auch wenn er derzeit verletzt fehlt.

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Niklas Süle, Nico Schlotterbeck, Marius Wolf, Salih Özcan und der von Union Berlin geholte Julian Ryerson - die Liste der Dortmunder Profis, die seit Wochen auf der Überholspur agieren, könnte problemlos verlängert werden. Zudem verfügen die Dortmunder mit Gregor Kobel über den derzeit wahrscheinlich besten Torhüter der Bundesliga. Und wenn der - wie gegen Leipzig - kurzfristig ausfällt, springt Alexander Meyer ein und hält ähnlich formidabel.

Das alles summiert sich zu einem Gesamtkunstwerk, mit dem viel zu erreichen ist. Vor allem, wenn das Glück ein ständiger Begleiter der Borussia bleibt. Das neue Credo bei Borussia Dortmund formuliert der Mann der Stunde, Emre Can, wie folgt: "Du kannst nicht jeden Tag deinen besten Fußball spielen. Aber du kannst jeden Tag kämpfen."

Quelle: ntv.de

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