Fußball

"Beschissenes Ende" für den FCS Friedhelm Funkel lernt aus dem Fehler des FC Bayern

Friedhelm Funkel freut sich, dass sein Matchplan voll aufgegangen ist.

Friedhelm Funkel freut sich, dass sein Matchplan voll aufgegangen ist.

(Foto: REUTERS)

Noch vor wenigen Wochen war Friedhelm Funkel in Trainerrente. Doch der Fußball lässt den 70-Jährigen nicht los, also nimmt er die Rettungsmission beim 1. FC Kaiserslautern an. In der 2. Bundesliga geht es gegen den Abstieg, aber im Pokal gibt's nun den großen Coup.

Vor 43 Jahren erreicht Friedhelm Funkel zum ersten Mal das Finale des DFB-Pokals. Mit dem 1. FC Kaiserslautern unterliegt er an der Seite von Größen wie Hannes Bongartz, Wolfgang Wolf und Hans-Peter Briegel der Eintracht aus Frankfurt mit 1:3. Am 25. Mai dieses Jahres steht Funkel nun wieder im Pokal-Endspiel. Und das wieder mit dem 1. FC Kaiserslautern. Am Dienstagabend beendeten die abgezockten "Roten Teufel" das Pokalmärchen des 1. FC Saarbrücken und gewannen das emotional extrem aufgeladene Derby, das mit einer gigantischen Pyroshow und motivierenden Bannern auf den beiden Seiten der Tribüne begonnen hatte, mit 2:0 (2:0).

Der Drittligist hatte in dieser Saison die große Geschichte in diesem Wettbewerb geschrieben. Drei Klubs aus der 1. Bundesliga waren hier kollabiert: Eintracht Frankfurt, der FC Bayern und Borussia Mönchengladbach. Und vor allem die beiden Letztgenannten hatten im Ludwigsparkstadion die gleichen Fehler gemacht, sie hatten dem Außenseiter die Tür zum Kontern geöffnet und waren dafür bestraft worden. Groß war die Hoffnung nun, dass man mit einem letzten großen Kampf vor eigener Kulisse das Ticket nach Berlin buchen könnte, doch dann kam Funkel, der Trainer-Altmeister, der mit der modernen Welt seiner Zunft wenig anfangen kann.

1. FC Saarbrücken - 1. FC Kaiserslautern 0:2 (0:0)

Saarbrücken: Schreiber - Thoelke, Zeitz (78. Biada), Boeder - Rizzuto, Kerber, Sontheimer (67. Civeja), Gaus (67. Di Michele Sanchez) - Naifi (67. Stehle), Rabihic (85. Uaferro) - Brünker; Trainer: Ziehl
Kaiserslautern: Himmelmann - Toure, Elvedi, Tomiak - Zimmer (78. Ronstadt), Niehues, Kaloc, Puchacz - Ritter - Hanslik (68. Stojilkovic), Redondo (31. Opoku); Trainer: Funkel
Schiedsrichter: Marco Fritz (Korb)
Tore: 0:1 Ritter (53.), 0:2 Toure (75.)
Gelbe Karten: Sontheimer (3), Gaus (2), Zeitz (2), Brünker (2), Di Michele Sanchez, Uaferro - Tomiak (3), Toure, Niehues
Zuschauer: 15.903 (ausverkauft)

Die Welt des 70-Jährigen, der vor wenigen Wochen noch in der verdienten Trainerrente war und seine Zeit vor allem auf dem Tennisplatz genoss, ist eine ohne Laptop-Gedöns und fernab von xG-Werten. Die Welt des 70-Jährigen dreht sich darum, eine Mannschaft zu stabilisieren und sie gut auf den Gegner einzustellen. Und wie sehr er sein Handwerk noch immer beherrscht, das wies er am Dienstagabend nach. Um nicht in die bekannte Falle des 1. FCS zu tappen, verordnete er seinen Fußballern eine kontrollierte Herangehensweise. Nicht glänzen, nicht dominieren, sondern beim ersten Fehler des Drittligisten eiskalt zu schlagen - so sollte es gehen.

Funkels Idee mit Touré geht voll auf

Und so ging es. Almamy Touré, bislang bei Funkel im Ligabetrieb außen vor, flankte von der rechten Seite, Marlon Ritter lief clever ein und köpfte den Ball aus etwa zehn Metern Richtung Tor. Der Ball war indes weder besonders platziert noch besonders hart, aber er rutschte Torwart Tim Schreiber durch die Beine (53.). Ein bitterer Patzer des 21-Jährigen, der mit seinen Paraden in den Partien zuvor ein Garant für das Märchen seines Klubs war und später im Interview mit den Tränen kämpfte. Für die Gäste hätte der Zeitpunkt nicht besser sein können, nach einer schwachen ersten Halbzeit mussten sie sich unbedingt steigern.

Die ersten 45 Minuten waren nur schwer zu ertragen gewesen. Beide Teams vermieden jedes Risiko. Wenn mal der Hauch von Gefahr entstand, dann, wenn Marcel Gaus in Strafraumnähe zum Einwurf kam. Seine geworfenen Hereingaben beschwören immer Unruhe herauf, aber mit vereinten Kräften hielten die "Roten Teufel" den Raum vor Torhüter Robin Himmelmann sauber. Selbst taten sie indes nichts für das Spiel nach vorne. Über das Zentrum ging gar nichts und auch über die Außenbahnen verpufften alle Bemühungen. "Die erste Halbzeit war nicht gut. Der Gegner steht mit neun Mann vor dem eigenen Strafraum. Da haben wir nicht die spielerischen Mittel. Sonst wären wir nicht Tabellen-16. in der zweiten Liga", sagte Funkel.

Nach der Pause änderte sich die Lage. Das 1:0 spielte den Gästen voll in die Karten. Weil die Gastgeber nun in der Pflicht waren, die eigene Zurückhaltung mehr und mehr aufzugeben, bekam Kaiserslautern mehr Zugriff, ohne dabei die eigene Defensive zu vernachlässigen. Ritter, der technisch beste Spieler auf dem Platz, war nun häufiger am Ball und hatte gute Szenen. Funkels Fußballer spielten plötzlich mit mehr Überzeugung, wählten auch mal den Kurzpass und nicht nur das Langholz.

Almamy Toure köpfte das 2:0.

Almamy Toure köpfte das 2:0.

(Foto: REUTERS)

Nach 75 Minuten erhöhte Toure, den Funkel wegen seiner Kopfballstärke ins Team nahm, auf 2:0. Per Kopf eben. Dabei hatte er eigentlich vor allem helfen sollen, die Recken des Gegners um Stürmer Kai Brünker in Schach zu halten. Auch das gelang. Pokalheld Brünker ließ in der ersten Halbzeit eine gute Kopfballchance aus und nach etwa 80 Minuten vergab er die Riesengelegenheit zum Anschlusstreffer mit einem wuchtigen Schuss aus kurzer Distanz. Calogero Rizzuto hatte stark vorgearbeitet.

"Wir sind einige, die gut am Glas sind"

Und so kippte das Spiel endgültig auf die Seite der Lauterer. Schön war das nicht, aber erfolgreich. Und so sah Funkel seinen Matchplan bestätigt. "Wir durften uns nicht auskontern lassen. So ist Bayern München hier gescheitert, so ist Borussia Mönchengladbach hier gescheitert", sagte Funkel er in der ARD. Gemeinsam mit seinen Spielern stürmte er nach dem Abpfiff in die Kurve. Dort war die Zeit der großen Emotionen. Im Pyronebel genossen die Fußballer, die sich in dieser Saison so schwertun, die unbeschwerten Momente, während auf der anderen Seite Tränen flossen. Dass sie eine große Reise hinter sich hatten, war ihnen in diesem Moment egal. Sie hatten die historische Chance auf das Finale verpasst. Dort wartet auf die "Roten Teufel" nun entweder Bayer 04 Leverkusen oder Zweitliga-Konkurrent Fortuna Düsseldorf. Die Rollen sind klar verteilt. Die Werkself ist in dieser Spielzeit in allen Wettbewerben noch ohne Niederlage, ein K.o. wäre eine Sensation.

Mehr zum Thema

Aber Berlin ist noch weit weg. Die Gegenwart heißt Party. Matchwinner Marlon Ritter schwärmte schon vor dem Start in die lange Nacht von den Qualitäten seiner Mitspieler abseits des Feldes. "Wir sind einige, die gut am Glas sind. Es ist wie auf dem Platz: Wir sind eine gute Mannschaft am Glas und auch auf dem Platz. Wenn man heute nicht feiert, hat man im Leben einiges falsch gemacht. Das erlebt man mal, wenn man bei Bayern, Dortmund, Leipzig oder Frankfurt spielt, aber nicht, wenn man in der 2. oder 3. Liga irgendwo rumdümpelt."

Die gestürzten Pokalhelden aus dem Saarland erhielten auf ihrer Ehrenrunde derweil den tröstenden Applaus der Fans, doch letztlich konnte das die Schmerzen des Moments nicht lindern. "Für uns war es eine einmalige Chance - für jeden von uns. Wenn man die so in den Sand gesetzt hat, ist es bitter", sagte Manuel Zeitz. Er spüre ein "Gefühlschaos", gestand der Kapitän: "Insgesamt als Drittligist im Halbfinale zu stehen, das gab es die letzten Jahre nicht so oft. Wir haben Bayern, Gladbach, Frankfurt und Karlsruhe geschlagen, das passiert nicht alle Tage. Es war eine unglaubliche Reise, aber halt auch mit einem unfassbar beschissenen Ende." Doppelt bitter sei es auszuscheiden, "ohne dass wir die schlechtere Mannschaft sind".

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen