Fußball

Torwart-Legende dankt ab Gigi Buffons große, verrückte Reise ist vorbei

Fast zwei Jahrzehnte war Buffon die Nummer eins der italienischen Nationalmannschaft.

Fast zwei Jahrzehnte war Buffon die Nummer eins der italienischen Nationalmannschaft.

(Foto: REUTERS)

28 Jahre lang ist Gianluigi Buffon professionell Fußball-Torhüter. In der Zeit erlebt er alle Höhen und Tiefen des Geschäfts, für viele ist er eine der wenigen Konstanten. Nun verkündet die Ikone "Gigi" sein Karriereende.

Gianluigi Buffon war kein normaler Keeper. Das Tor mit allem zu hüten, was er hat, das hatte er schon mit zwölf Jahren geschworen. "Ich habe meine Vergangenheit verleugnet, um dir eine sichere Zukunft zu garantieren", schrieb Buffon einmal, der seine Karriere als Angreifer begann, in einem Liebesbrief an das Tor. "Vor mehr als 25 Jahren habe ich mein Gelübde abgelegt: Ich habe geschworen, dich zu beschützen und zu behüten." Er wolle das machen, "solange Beine, Kopf und Herz mich tragen".

Die Karriere von Buffon sticht heraus. Nicht nur, weil er dem Tor ewige Treue schwor, sondern auch, weil sie sehr lange war. Er ist über Jahre eine Konstante des Weltfußballs. Von seinen sagenhaften Reflexen und Paraden gibt es zahlreiche Youtube-Zusammenschnitte, dabei sind sie teilweise älter als Youtube selbst. Im Internet währen sie ewig, so wie man eigentlich dachte, seine Karriere würde nie zu Ende gehen. Doch nun, nach fast drei Jahrzehnten aktivem Fußball, reicht es auch "Gigi": Als Rekordspieler der Serie A und der italienischen Nationalmannschaft, nach mehr als 1100 Pflichtspielen, ist in diesem Sommer Schluss - mit 45 Jahren. Das teilte er auf Twitter und Instagram mit: "Es endet hier. Du hast mir alles gegeben. Ich habe dir alles gegeben. Wir haben zusammen gewonnen."

Als Buffon seine Profi-Karriere begann, stand das Internet noch ganz am Anfang. Twitter, Facebook, Instagram: Nichts davon existierte 1995. Es ist nur ein Aspekt, der ihn zur Fußball-Ikone macht. Jemand, der Millionen Fußballfans auf ihrem Lebensweg begleitet hat. Spielergenerationen kamen und gingen, nur Buffon, der war immer da und war immer Teil der Weltspitze.

6111 Tage voller Leidenschaft

Mit 17 Jahren hütete "Gigi" erstmals das Tor bei der AC Parma. Schon damals fiel er auf, zwei Jahre später wurde er schon Torwart in der italienischen Nationalmannschaft. Dennoch verließ er den Klub nicht, obwohl er mit Angeboten von europäischen Topklubs überhäuft wurde. Mit den Norditalienern holte er Ende der 1990er-Jahre den UEFA-Cup. Bis heute, eigentlich verblüffend, ist es der einzige internationale Titel Buffons auf Klubebene.

Erst 2001 ging Buffon den viel beschworenen und lange erwarteten nächsten Schritt. Für rund 53 Millionen Euro wechselte er zu Juventus Turin. Dort blieb er für 17 Jahre und war auch noch bis 2016 der Rekordeinkauf des Klubs. Mit der Alten Dame erlebte er alle Facetten der Fußball-Welt: neun italienische Meisterschaften, vier Pokalsiege, aber auch den Zwangsabstieg nach dem Wettskandal im italienischen Fußball. Er selbst wurde fünfmal Welttorhüter in der Zeit. Sein Schwur, das Tor zu beschützen, der hielt bei Juve insgesamt 6111 Tage. "Es waren 6111 Tage purer Leidenschaft. 6111 Tage voller Freude, Leid, Niederlagen und Triumphe", schrieb er bei seinem Abschied.

Und auch ganz persönlich war es keine einfache Zeit. Mitte der 2000er-Jahre, in seiner Bestform, litt er unter schweren Depressionen, verriet er später. Seinen Teamkollegen erzählte er davon nicht. "Alle fragten nur nach Buffon, niemand nach Gigi", sagte er. "Ein paar Monate lang erschien mir alles sinnlos. Es fühlte sich so an, dass andere sich nicht für mich interessieren, sondern nur für das, was ich verkörpere." Mit 25 Jahren kam der Tiefpunkt, als er darum bat, nicht aufgestellt zu werden. Er erzählte, dass er danach erst anfing, das Leben außerhalb des Platzes schätzen zu lernen. Kunst, Kultur, Familie: Das half ihm aus der Krankheit.

Parallel dazu erlebte er mit der italienischen Nationalmannschaft seinen größten Triumph - den Gewinn der Weltmeisterschaft in Deutschland 2006. Es waren auch Buffons Paraden, die am Ende für den Titel sorgten. Im Halbfinale gegen Deutschland rettete er in der 111. Minute als Lukas Podolski aus 13 Metern abzog. Den vielleicht größten Moment hatte Buffon im Finale, als Frankreichs Zinedine Zidane in der 104. Minute völlig frei aus elf Metern zum Kopfball kam. Ein Augenblick, der die Partie beim Stand von 1:1 hätte zum Kippen bringen können. Doch Buffon gewann das Gigantenduell, wuchtete den Kopfball aus kurzer Entfernung mit einer Faust über die Latte. Im anschließenden Elfmeterschießen musste er keinen Elfer halten, Italien wurde Weltmeister im Berliner Olympiastadion, weil David Trezeguet seinen Schuss an die Latte setzte.

Schwierige Vergangenheit

Über die Jahre entwickelte Buffon, der Sohn einer Kugelstoßerin und eines Gewichthebers, eine gewisse Aura. Er wurde zu jemandem, der über den Dingen stand. Der Fairness, Stil und Würde lebte. Jemand, der Fehler und Schwächen eingestehen konnte. Buffon räumte etwa einmal ein, dass Manuel Neuer der bessere Torwart ist. Nur einmal verlor er diese Haltung, als im Champions-League-Viertelfinalrückspiel 2021 gegen Real sein Traum vom Titel in der Königsklasse zerplatzte. Nach einem Elfmeterpfiff in der Nachspielzeit attackierte Buffon den Schiedsrichter. "Du kannst nicht einfach so die Träume einer Mannschaft beenden", wird er später zitiert: "Offensichtlich hat er (der Schiedsrichter) kein Herz in der Brust, sondern eine Mülltonne."

Es ist nicht der schwerste Skandal seiner Karriere. Die WM 2002 drohte er zu verpassen, weil er sein Abitur-Zeugnis angeblich gefälscht haben soll. Vor der WM 2006 wurde ihm vorgeworfen, im italienischen Wettskandal verwickelt gewesen zu sein. Buffon soll 1,5 Millionen Euro für Sportwetten ausgegeben haben. Er ließ das über seinen Anwalt abstreiten. Ihm wird vor allem zu Beginn seiner Karriere immer wieder die Nähe zu Neofaschisten nachgesagt. Einst lief er bei Parma mit der 88 auf dem Rücken auf - ein international bekannter rechtsextremer Code. Das H ist der achte Buchstabe im Alphabet, die 88 ist eine Chiffre für "Heil Hitler!". Buffon redete sich damals heraus, er habe nicht gewusst, was die Nummer bedeute. Eigentlich wollte er angeblich die "00" haben, das wurde ihm aber untersagt, so geht die Geschichte.

Die Zeit der Tränen beginnt

Ab 2018 begann für Buffon langsam die Zeit der Abschiede - und der Tränen. Erst in der Nationalmannschaft. Seine Zeit bei der Squadra Azzurra endete mit dem größtmöglichen Drama. Die Italiener verpassten 2018 in den Playoffs gegen Schweden die WM-Teilnahme. Buffon weinte bittere Tränen. Später bezeichnete er das Aus als Wunde, die niemals heilen würde. Sein Abschied war auch das Ende einer italienischen Ära, er war der letzte Verbliebene der Weltmeister-Ära.

Kurz darauf fand im selben Jahr Buffons Zeit bei Juventus Turin ihr Ende. Er ließ offen, ob er seine Karriere noch einmal fortsetzt, dann die überraschende Wende: Für ein Jahr heuerte er doch noch bei Paris St. Germain an. Kylian Mbappé, Neymar und Co.: Für Buffon war es ein neues Kapitel mit 40 Jahren, während andere schon lange im Karriereende hingen. Auch menschlich fand er offenbar Freude: Nach der Zeit schwärmte er von Trainer Thomas Tuchel in den höchsten Tönen. Er sei ein "Top-Top-Top-Trainer" mit "außergewöhnlichen Ideen", seine positive Energie sei "wunderschön" gewesen. Doch er bekam bei PSG keinen längerfristigen Vertrag. Deshalb kehrte er noch einmal zu Juventus zurück. Dort war er in erster Linie Ersatztorwart. Seine wichtigste Rolle war in der Kabine gewesen sein, dort soll er vor allem zwischen Weltstar Cristiano Ronaldo und den jüngeren Spielern vermittelt haben. Am Ende holte er noch eine italienische Meisterschaft und einen Pokal.

Und am Ende kehrte er dorthin zurück, wo alles anfing. Nochmal nach Parma. Nochmal flossen Tränen. Mit Parma verpasste er den Aufstieg in die erste italienische Liga. Teamkollegen versuchen ihn zu trösten, obwohl er untröstbar war. Vor einigen Wochen gab es dann nochmal eine Mega-Offerte aus Saudi-Arabien, die lehnte er jedoch ab. Nun das Unvorstellbare: Buffon tritt ab. Nach fast 30 Jahren Profi-Fußball und insgesamt 1151 Pflichtspielen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen