Der lange Abschied beginnt jetzt Haaland und Lewandowski auf der Ehrenrunde
17.08.2021, 13:39 Uhr
Das erste Duell der beiden Stars entschieden Lewandowskis Bayern im Mai 2020 für sich, und damit auch mal wieder eine Meisterschaft.
(Foto: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/PO)
Der ansonsten weitestgehend bedeutungslose deutsche Supercup lebt in diesem Jahr von dem besonderen Duell der beiden Superstars Erling Haaland und Robert Lewandowski. Dem einen gehören die Herzen, dem anderen die Rekorde. Beide sehen ihre Zukunft außerhalb der Liga.
Das Dortmunder Westfalenstadion kannte kein Halten mehr. Gerade erst war Erling Haaland über 90 Minuten durch die Frankfurter Abwehrreihen gepflügt, hatte sie mit unter 50 Ballkontakten beinahe der Lächerlichkeit preisgegeben, da baute er sich vor der Südtribüne auf. Zu lange hatte er die Fans nicht gesehen und zu lange hatten die Fans ihn nicht gesehen. Ja, sie waren sogar Gefahr gelaufen, sich an Haaland nur als einen Geist zu erinnern, der mit der Pandemie kam, um unzählige meist brachiale und hin und wieder unglaubliche Tore zu schießen, und der dann mit dem Ende wieder verschwand. Der Geist, der für 20 Millionen Euro aus Salzburg kam und für 180 Millionen Euro in die Welt der Superklubs entschwand. Doch dann waren da 25.000 Zuschauer in Dortmund und sahen ihn wieder und wie er zwei Tore schoss und drei weitere auflegte, und sie riefen und wurden immer lauter. "Ööörling" und "Haaaaaland". Sie beteten ihn an und er genoss es. Kam wieder zur Tribüne. Gemeinsam feierten sie ihr Wiedersehen.
Die einen, die Fans, mit der Gewissheit, ihn schon in einem Jahr nicht mehr zu sehen und der andere, Haaland, auch weil sie ihn noch besser machen. "Heute war es einfach, motiviert zu sein. Ich hatte Gänsehaut, als ich rausgegangen bin. Es war großartig vor Fans zu spielen. Das ist Motivation - und ich habe sie sehr vermisst", sagte er nach dem Spiel. Dabei sind seine Werte bereits ohne die Extra-Motivation von der Tribüne sensationell. Für Haaland hätte es seit seinem Wechsel zum BVB nicht besser laufen können. In 61 Pflichtspielen gelangen ihm bislang 62 Tore und 18 Assists. Ein Wert, der nicht von dieser Welt ist.
Im Sommer Instagram, sonst gnadenlos
Nachdem der Norweger den Sommer über nicht bei der Europameisterschaft - man war an der Qualifikation gescheitert -, sondern ausschließlich auf seinem Instagram-Account für beste Laune gesorgt hatte, hat er in der laufenden Spielzeit bislang wenig Interesse an den gegnerischen Abwehrreihen gezeigt. Seine beiden Tore gegen Eintracht Frankfurt waren nach seinem Hattrick im Pokal bereits die Treffer vier und fünf, dazu kommen noch drei Assists gegen die bemitleidenswerte Eintracht. Kurz: Der 21-jährige Wunderstürmer war in dieser Saison an acht von acht Dortmund-Treffern beteiligt - und dies meist spektakulär. "Er ist ein herausragender Stürmer. Es ist außergewöhnlich, was er in der Bundesliga für Dortmund auf den Platz bringt", sagte dann auch Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.
Außergewöhnliches aber leistet auch Bayern-Stürmer Robert Lewandowski - und dies seit Jahren. Erst für Borussia Dortmund und nun seit über sieben Spielzeiten für den FC Bayern München, gibt er den positionsübergreifend besten Spieler der Fußball-Bundesliga im bisherigen Jahrtausend, mit einer außerordentlichen Bilanz: 278 Tore in 351 Bundesliga-Spielen, 73 Tore in 96 Champions-League-Spielen und 39 Treffer in 45-DFB-Pokal-Auftritten. Er ist Mister Zuverlässig. In die Liga gewechselt als reiner Stürmer, bildete ihn Jürgen Klopp auch als Mittelfeldspieler und Pep Guardiola als Mann auf den Flügeln aus.
Und wenn davon auch nur Elemente geblieben sind, so machen sie Lewandowski zu einem der komplettesten Angreifer des Spiels. Etwas, was auch sein alter Verein und heutiger Supercup-Gegner Borussia Dortmund in den letzten Jahren schmerzhaft zu spüren bekam: Mit 22 Treffern in 23 Spielen gegen die Schwarzgelben ist der 32-Jährige immer besonders gefährlich, wenn es gegen seinen alten Klub geht, den er einst dank gewiefter Berater ablösefrei verließ. Klar, seine Supercup-Bilanz liest sich mit nur einem Treffer in fünf Spielen gegen den BVB vergleichsweise bescheiden, aber das interessiert heute wirklich nur am Rande. Heute um 20:30 Uhr (im ntv.de-Liveticker) beginnt die große Abschiedstour.
Der letzte Supercup-Auftritt
Wieso? Das heutige Spiel im Dortmunder Westfalenstadion wird sehr wahrscheinlich das letzte Supercup-Duell der beiden Protagonisten sein. Haalands Verbleib bei Dortmund über das Saisonende hinaus ist in etwa so wahrscheinlich wie der Gewinn einer Bundesliga-Meisterschaft der Erzrivalen FC Schalke 04 in den nächsten zehn Jahren. Die Karriere des Norwegers ist von seinem Vater, dem Ex-Profi Alf-Inge, und seinem Berater, dem sagenumwobenen Mino Raiola, bis ins kleinste Detail durchgeplant. Im kommenden Sommer kann Haaland den Verein für eine festgeschriebene Ablösesumme von unter 100 Millionen Euro verlassen. Er wird ein Schnäppchen sein. Er wird im nächsten Jahrzehnt, vielleicht gemeinsam mit Kylian Mbappé, den Weltfußball dominieren. Und eher Dortmund, und nicht Salzburg, als Ausgangsstation seiner Welt-Karriere bezeichnen. Der BVB ist für ihn das, was Ajax Amsterdam in den frühen 2000er-Jahren für den ähnlich schillernden, ebenfalls von Raiola vertretenen Zlatan Ibrahimovic war - die Bühne, um sich der größten Öffentlichkeit zu präsentieren.
Auch bei Lewandowski deutet sich mal wieder, wie so oft, ein Abschied an. Nicht sofort. Natürlich nicht. Nicht nach dem 41-Tore-Jahr und inmitten der Ausläufer der Corona-Krise, die den Fußball immer noch beschäftigt, wenn man nicht gerade Paris St. Germain heißt oder in der englischen Premier League spielt. Doch mit nur noch zwei Jahren Vertragsrestlaufzeit, unzähligen Bundesliga-Rekorden im Gepäck und dem legendären 365-Tore-Rekord des jüngst verstorbenen Gerd Müller noch in weiter Entfernung, dürstet es den Polen immer wieder auch nach einer letzten Herausforderung und mehr Anerkennung auf dem internationalen Aufmerksamkeits-Parkett, welches sein Dortmunder Rivale mit einer Leichtigkeit bespielt, die Lewandowski abseits des Platzes immer abgegangen ist. Dort wirkt er weiter seltsam bieder, unbeholfen und immer auch zu verbissen. Vielleicht aber gesteht sich Lewandowski auch ein, dass sein europäischer Profi-Weg beim größten europäischen Kollektiv-Verein Bayern München, diesem Klub, der selten Superstars macht und doch immer erfolgreich, zu einem Ende kommen wird.
Gewiss ist nur eins: So gering der Stellenwert des Supercups in der Wahrnehmung zu Recht ist, so sehr elektrisiert der Gedanke an das Duell Haaland gegen Lewandowski - diese beiden so unterschiedlichen Stürmertypen, die in den letzten 18 Monaten den deutschen Fußball dominiert haben. Die "Haaland"-Rufe in Dortmund werden bald verhallt und er immerhin nicht nur ein Geist gewesen sein. Auch Lewandowskis aktive Bundesliga-Zeit könnte schon im nächsten Jahr nur noch eine Erinnerung und seine Rekorde dann für die Ewigkeit sein. Haaland wird sie nicht brechen.
Quelle: ntv.de