"Die Mannschaft von Schmadtke" Kölns Matchwinner verachtet Wolfsburg-Boss
15.12.2021, 08:26 Uhr
Modeste jubelt nach seinem ersten Treffer am Mittellandkanal.
(Foto: picture alliance/dpa)
Köln-Stürmer Anthony Modeste nimmt nur kurz Anlauf und trifft auch in der dritten Halbzeit, den Interviews nach dem Spiel. Der Matchwinner beim 3:2 in Wolfsburg knöpft sich Wolfsburg-Boss Jörg Schmadtke vor. Mit dem verbindet ihn eine unfreundliche Vergangenheit.
Anthony Modeste war glücklich. Ein Doppelpack, drei Punkte für ein ruhiges Weihnachtsfest und endlich Zeit für eine persönliche Abrechnung mit Wolfsburg-Boss Jörg Schmadtke. "Ich bin heute glücklich, weil wir gegen Wolfsburg gespielt und gewonnen haben. Das ist die Mannschaft von Schmadtke", sagte der Matchwinner in der ARD, nur um bei Sky nachzulegen: "Man trifft sich immer zweimal im Leben. Es ist schön, hier zu gewinnen und Wolfsburg in die Krise zu schicken."
Zur Krise entlang der ICE-Strecke zwischen Hannover und Berlin-Spandau kommen wir gleich noch, blicken jedoch erst einmal mit Freude auf Modestes ehrliche Worte. Ein wenig Trash-Talk am Rande eines Spiels hat noch nie geschadet, ist essenzieller Bestandteil der Unterhaltungsmaschine Fußball und immer auch ein willkommener Grund für einen Blick zurück. Von 2015 bis 2017 waren der Manager und der Stürmer beide beim 1. FC Köln unter Vertrag. Es waren erfolgreiche Zeiten, Modeste traf und traf und mit seinen 25 Toren in der Saison 2016/2017 führte der Franzose den Effzeh in die Europa League. Die Fans widmeten ihm Lieder. Er war ihr Held. Danach wurde es dreckig, es kam zu Bruch.
Gutes Geld im fernen China
Was wir wissen: Modeste wechselte nach langem, langem Transfer-Geschacher in die damals aus finanziellen Gründen durchaus populäre chinesische Superliga. Ein sportlicher Schritt in die Bedeutungslosigkeit, aber gutes Geld für den Verein und auch den Spieler. Tianjin Quanjian hieß der Verein, dem sich der damals 29-Jährige nach langer Aufregung anschloss.
Tianjin Quanjian waren gerade ins Oberhaus aufgestiegen, planten wie alle groß. Es war die Zeit kurz nach der Unterzeichnung eines weitreichenden Fußballabkommens zwischen Deutschland und China, das wenig besagte, aber immerhin für Wirbel und Verwerfungen auf höchster politischer Ebene sorgte. Beim Spiel zwischen dem TSV Schott Mainz und der chinesischen U20-Nationalmannschaft, die plötzlich Teil der Regionalliga Südwest war, kam es zu einem Eklat in Anführungsstrichen. Ein halbes Dutzend Zuschauer hatte eine tibetische Fahne aufgehängt. Welch ein Affront. Das Spiel wurde unterbrochen. Das Außenministerium Chinas sprach von einer Respektlosigkeit und bald darauf wurde das Projekt China in der Regionalliga Südwest eingestampft.
Da, im Winter 2017/2018, befand sich Modeste, um wieder in die Spur zu kommen, bereits in China. Ob freiwillig oder nicht? Die Ansichten drifteten auseinander. Modeste behauptete, lieber in Köln geblieben zu sein und Schmadtke das Gegenteil. Er bezichtigte den Stürmer der Lüge. Kurz darauf war auch Schmadtke aus Köln weg, die Mannschaft stürzte tief, stieg ab.
In China geriet Tianjin Quanjian wegen fehlender Gehaltszahlungen in die Schlagzeilen (und verschwand 2020 komplett von der Bildfläche). Modeste kehrte zurück an den Rhein, suchte ein paar Jahre nach seiner alten Form. Unter dem neuen Trainer Steffen Baumgart hat er sie wieder. Zehn Treffer in 16 Liga-Spielen und zwei im Pokal. Eine Top-Bilanz für den 33-Jährigen, für den die beiden Tore gegen Wolfsburg mehr waren als nur Siegtreffer.
Aus der CL in die Niederungen der Liga
Unabhängig von den herrlich krawalligen Aussagen Modestes, trifft die Niederlage die Wolfsburger hart. Der kalte Dezember-Wind am Mittellandkanal hat längst sämtliche Hoffnungen weggeblasen. Unter dem zweiten Trainer der Saison, unter dem ehemaligen Bremer Übungsleiter Florian Kohfeldt, der auf Kurzzeit-Coach Mark von Bommel folgte, ist alles nur noch schlimmer geworden: das ernüchternde Aus in der Champions League, ein dramatischer Absturz in der Liga, insgesamt sechs Niederlagen in Serie, der letzte Sieg Anfang November. Der Volkswagen-Klub ist ein paar Monate nach dem Einzug in die europäische Königsklasse zurück in den Niederungen der Bundesliga.
"Das ist bitter. Das ist eine sehr große Enttäuschung, ein weiterer Rückschlag", sagte Wolfsburg-Sportdirektor Marcel Schäfer nach dem Spiel, aus dem auch Kohfeldt - der sich ein halbes Jahr nach seinem Abstieg mit Werder Bremen schon wieder mit dem Spitznamen "K.-o.-Feldt" rumschlagen muss - nichts als Enttäuschung mitnahm. "Man hat gut gesehen, was wir wollten. Aber wir haben daraus zu wenig gemacht. Am Ende darfst du solche Tore nicht kassieren. Deshalb dürfen wir heute auch nicht von einem guten Spiel reden", sagte Kohfeldt.
Zum Jahresabschluss unternimmt er mit seiner Mannschaft noch einmal eine Reise ins Verderben. Am letzten Spieltag der Hinrunde geht es am Freitag in der Allianz Arena gegen die übermächtigen Bayern. Dann könnten es sieben Niederlagen in Folge sein. Und das Polster auf den Relegationsrang dann nur noch wenige Punkte betragen. Land unter am Mittellandkanal.
Quelle: ntv.de