Pokal-Tohuwabohu gegen den FCH Kovac ärgert sich über seine Nationalspieler
04.04.2019, 10:58 Uhr
Thomas Müller befand: "Wichtig ist, dass man gesehen hat, dass der FC Bayern noch da ist."
(Foto: imago images / Sven Simon)
Phasenweise berauscht, phasenweise planlos: Der FC Bayern stolpert spektakulär ins Halbfinale des DFB-Pokals. Das Fußball-Tohuwabohu gegen Heidenheim macht die Verantwortlichen nachdenklich. Ausgerechnet vor dem "geilsten Spiel" der Saison.
Thomas Müller sagte an diesem bemerkenswerten Abend einen bemerkenswerten Satz: "Wichtig ist, dass man gesehen hat, dass der FC Bayern noch da ist, auch wenn es gegen Heidenheim war, die das wirklich gut gemacht haben." Thomas Müller sagte diesen bemerkenswerten Satz nach einem Fußballspiel in München, das so unberechenbar war wie ein Tweet von Donald Trump, das so chaotisch war wie sonst nur bei Hempels unterm Sofa. Nach einem Fußballspiel, das vor dem Anpfiff eher so der Kategorie "kannste gucken, musste aber nicht" zugeordnet wurde, nach dem Abpfiff aber beinahe als eines dieser Duelle gelabelt worden wäre "ker, weiße noch damals, diese Heidenheimer...".
FC Bayern München: Ulreich - Kimmich, Süle, Hummels, Rafinha (46. Coman) - Thiago - Gnabry, James (46. Lewandowski), Goretzka, Ribéry (24. Boateng) - Thomas Müller. Trainer: Kovac
1. FC Heidenheim: Müller - Busch, Mainka, Beermann, Theuerkauf (73. Thomalla) - Dorsch (52. Feick), Griesbeck, Andrich - Schnatterer (66. Multhaup), Dovedan - Glatzel. Trainer: Schmidt
Tore: 1:0 Goretzka (12.), 1:1 Glatzel (26.), 1:2 Schnatterer (39.), 2:2 Thomas Müller (53.), 3:2 Lewandowski (55.), 4:2 Gnabry (66., nach Videobeweis), 4:3 Glatzel (74.), 4:4 Glatzel (77., Foulelfmeter), 5:4 Lewandowski (84., Handelfmeter)
Rote Karte: Süle nach einer Notbremse (15., nach Videobeweis)
Gelbe Karten: Lewandowski - Dorsch, Griesbeck, Beermann
Schiedsrichter: Winkmann
Zuschauer: 75.000 (ausverkauft)
Dass sich der FC Bayern nicht knapp 25 Jahre nach der Pokal-Peinlichkeit beim TSV Vestenbergsgreuth erneut zum Lackel gemacht hat, hatten sie Sven Ulreich zu verdanken. Und Robert Lewandowski. Der eine, der Ulreich, der verhinderte kurz vor dem Ende spektakulär das 4:5. Der andere, der Lewandowski, der erzielte kurz vor dem Ende das 5:4. So ging's zu Ende, dieses Fußball-Tohuwabohu im Pokal-Viertelfinale.
Dabei hatte vor 75.000 Zuschauern in der ausverkauften Arena alles so unaufregend begonnen, wie man es erwartet, wenn der Tabellenzweite der 1. Bundesliga auf den Tabellensechsten der 2. Bundesliga trifft. Mit einem frühen Führungstor für den Favoriten: Ecke Joshua Kimmich, Kopfball Leon Goretzka (12.). Dass aber nur Sekunden später alles anders wurde als man es nun erst recht erwarten würde, lag an einem in aller Überheblichkeit gespielten Fehlpass von Thiago, den Niklas Süle mit einer Wutgrätsche gegen Fehlpass-Eroberer Robert Andrich auszubügeln versuchte. Dafür gab's in der über mehrere Minuten ausgedehnten Szene zunächst Gelb, nach Ansicht von Videobildern Rot und einen Freistoß, den Marc Schnatterer an die Latte nagelte (16.).
"... irgendwie ist uns das nicht geglückt"
So sehr dieser Ball die Latte erschütterte, so sehr erschütterte der Platzverweis die Bayern. "Die Rote Karte hat uns sicherlich einen Strich durch die Rechnung gezogen", sagte Trainer Niko Kovac. "Wir mussten auf 4-4-1 umstellen, um kompakter spielen zu können. Aber irgendwie ist uns das nicht geglückt." Aus dem 1:0 wurde so plötzlich gegen furiose Heidenheimer ein 1:2. Aus dem 1:2 durch dann furiose Bayern ein 4:2. Aus dem 4:2 durch dann wieder furiose Heidenheimer ein 4:4.

Robert Lewandowski entschied diesen vogelwilden Pokalabend per Elfmeter.
(Foto: imago images / Jan Huebner)
Und aus dem 4:4 dann schließlich das 5:4 - erzielt aus elf Metern (nach einem Handspiel von Marnon Busch) von Lewandowski, der eigentlich kränkelte, eingewechselt wurde und die entscheidende Karte war, als Kovac mit seinem Doppelwechsel (auch Kingsley Coman kam) zur zweiten Halbzeit "All-in" ging. Nach einem Kabinengespräch, das laut Leon Goretzka sehr laut geführt wurde. Das eine Phase nach sich zog, in der die Bayern völlig berauscht aufspielten, sich über Lewandowski (53.), Müller (55.) und Serge Gnabry (66.) eine Führung erspielten, die in jedem normalen Spiel des FC Bayern reicht um souverän als Sieger vom Platz zu gehen.
"Vier Stück kassieren, das geht gar nicht"
Aber normal war gar nichts, wild war's und immer wilder wurde es: Robert Glatzel, der schon den Ausgleich zum 1:1 (26.) erzielte hatte, traf erneut: per flachem Distanzschuss von der Strafraumkante (74.) zum 3:4 und per Elfmeter, verursacht vom fahrigen Mats Hummels, zum 4:4 (77.). Verrückte Heidenheimer, fassungslose Bayern. "Es war ein wildes, ein offenes Spiel, was ich in der Form nicht mag", ärgerte sich Kovac. "Vier Stück kassieren, das geht gar nicht. Mich ärgert, dass so viele Nationalspieler das nicht runterspielen, wie es sein müsste." Auch Rotsünder Süle zählte seine Teamkollegen harsch an: "Wenn du mit 4:2 führst, dann ist es egal, ob du mit sieben, acht oder elf Mann spielst. Du musst das über die Zeit bekommen. Wir sind leichtfertig mit unserem Spiel umgegangen. Das hat uns fast das Genick gebrochen."
Fahrlässig? Planlos? Beides? Liegt's an den Spielern? Oder doch am Trainer, der sich augenscheinlich schwer tat, seine Mannschaft in Unterzahl so zu stabilisieren, dass sie nicht eine halbe Stunde mit totalem Kontrollverlust über den Platz taumelte. Nun, um Kovac wird's nicht ruhiger werden. Am Samstag (ab 18.30 Uhr im Liveticker bei ntv.de) steht in der Bundesliga die härteste Probe der Saison an: das Rückspiel im Titelduell mit Borussia Dortmund, das laut Goretzka "geilste Spiel der Saison". Die Chance für die Bayern, die Tabellenführung nach dem Patzer in Freiburg zurückzuerobern. Die Chance für Kovac, seinen ersten großen Sieg als Trainer des FC Bayern zu setzen. Die Gelegenheit, sich zumindest ein stückweit von der harten Kritik - intern und extern - der vergangenen Wochen zu befreien.
Salihamdzic zählt Boateng an
Also abhaken, vergessen, weitermachen? So sieht's aus. Zumindest bei Sportdirektor Hasan Salihamdzic: "So ein Spiel kann man nicht analysieren, das sollte man auch nicht. Wir sind weitergekommen, das ist das Positive. Alles andere sollten wir schnell vergessen, schnell löschen. Die 20 Minuten nach der Pause waren gut, das nehmen wir mit. Alles andere darf nicht passieren. Nach so einem Spiel muss man nachdenklich sein." Eine Handlungsempfehlung auch für den früh eingewechselten und schwach spielenden Jérôme Boateng, der ja Samstag nur drei Stunden nach dem Spiel gegen den BVB eine große Party im legendären "P1" schmeißen wird - um die neue Ausgabe seines Magazins "Boa" zu präsentieren.
"Ich würde das als Spieler nicht machen, besonders wenn man nicht weiß, wie das Spiel ausgeht", sagte Salihamidzic. "Wenn er mich gefragt hätte, hätte ich ihm davon abgeraten." Es ist eine in jeder Hinsicht bemerkenswerte Saison des FC Bayern. Es war ein in jeder Hinsicht bemerkenswerter Abend. Dabei war's doch eigentlich nur ein Fußballspiel gegen den Tabellensechsten der 2. Bundesliga.
Quelle: ntv.de