
Oberdorf litt sichtlich unter Schmerzen.
(Foto: dpa)
Kann Lena Oberdorf mit dem DFB-Team zu den Olympischen Spielen fliegen? Ihre Mitspielerinnen fürchten nach ihrer Auswechslung im Spiel gegen Österreich Schlimmes. Bundestrainer Horst Hrubesch setzt sogar auf höhere Kräfte.
Draußen sind 43.953 Fans "völlig losgelöst", sie feiern in der Hannoveraner Arena einen souveränen 4:0-Sieg der DFB-Frauen gegen Österreich zu den Klängen von Peter Schillings "Major Tom", der auch bei den deutschen Fußballerinnen durch die Arena schwebt. Nach der überraschend niederschmetternden 0:3-Pleite auf Island am Freitag gab es die Wiedergutmachung auf dem Rasen. Die Vorfreude auf die Olympischen Spiele, die am kommenden Donnerstag beginnen, steigt. Drinnen aber sieht die Laune anders aus, sie ist trotz des Erfolgs getrübt.
Da wird sogar Beistand von ganz oben gebeten. "Ich bin bereit, eine Nacht zu beten, dass da nichts Gravierendes ist, dass wir sie mit zu Olympia kriegen", sagt Bundestrainer Horst Hrubesch bei der Pressekonferenz über Lena Oberdorf. Giulia Gwinn steht mit ernster Miene in der Mixed Zone, sagt: "Die Freude kommt gerade nicht ganz so raus." Zu sehr ist sie in Gedanken bei ihrer Teamkollegin.
Tore: 1:0 Bühl (11.), 2:0 Brand (39.), 3:0 Schüller (52.), 4:0 Bühl (90.+3)
Deutschland: Berger/(NJ/NY Gotham FC) - Gwinn/FC Bayern, Hendrich/Wolfsburg, Schulze Solano/Bilbao, Linder/Wolfsburg (ab 65. Rauch/Wolfsburg) - Minge/Wolfsburg, Oberdorf/Wolfsburg (ab 71. Nüsken/Chelsea)- Brand/Wolfsburg (ab 88. Endemann/Wolfsburg), Bühl/FC Bayern - Freigang/Frankfurt (ab 46. Senß/Frankfurt), Schüller/FC Bayern; Trainer: Hrubesch
Österreich: Zinsberger - Wienroither (70. Wenger), Georgieva, Kirchberger, Hanshaw - S. Puntigam (46. Schasching) - Purtscheller (63. Hickelsberger-Füller), Degen, Höbinger (46. Feiersinger), Dunst - Campbell (63. Billa); Trainerin: Fuhrmann
Schiedsrichterin: Shona Shukrula (Niederlande)
Gelbe Karten: -
Zuschauer: 43.953 (ausverkauft) in Hannover
Die 22-jährige Mittelfeldspielerin hat sich in dem EM-Qualifikationsspiel, das für die bereits qualifizierten Deutschen nur noch eine Pflichtaufgabe war, offenbar eine schwerere Knieverletzung zugezogen. Oberdorf war in der 69. Minute im Duell mit der für Eintracht Frankfurt spielenden Barbara Dunst zwar erfolgreich an den Ball gekommen, hat aber etwas am Knie abbekommen. Sofort nach dem Zweikampf ging sie zu Boden. Einige herbeigelaufene Kolleginnen winkten sofort nach den Medizinern.
"Sie hat vor Schmerzen geschrien. Sie meinte, es hat Knack gemacht", so Verteidigerin Kathrin Hendrich. Nach einer Behandlung auf dem Platz konnte Oberdorf diesen nur gestützt auf die Betreuer verlassen, das rechte Bein konnte sie nicht belasten. "Ich war in unmittelbarer Nähe, es hat sich nicht gut angehört, wie sie auf dem Platz reagiert hat", so Gwinn, die mit Oberdorf ab sofort nicht mehr nur im DFB-Team, sondern auch beim FC Bayern zusammenspielt. Es sei "nie schön, wenn man jemanden leiden sieht". Die Außenverteidigerin musste mit ihren 25 Jahren selbst schon zwei Kreuzbandrisse durchstehen und ist entsprechend angefasst: "Gerade, wenn es am Knie ist, gibt es keine positiven Nachrichten."
Mit Schiene kann Oberdorf stehen
Auf weniger Dramatisches hofft derweil Bundestrainer Horst Hrubesch. "Sie wurde erstmal versorgt und auch München wurde unterrichtet", sagt er nach dem Spiel. "Wir wissen nicht genau, was das ist und ich will da auch nicht spekulieren." Eine Kernspin-Untersuchung folgt demnach am Mittwoch. Oberdorf habe eine Schiene bekommen und könne mit dieser stehen.
Ein Ausfall von Oberdorf in Frankreich würde "uns verdammt wehtun, sie ist ein wichtiger Faktor", so Hrubesch. Die Neu-Münchnerin ist eine Weltklasse-Spielerin, auf der Position der Defensiven Mittelfeldspielerin eine absolute Leistungsträgerin im DFB-Team. "Sie war ein wichtiger Faktor bei uns im Spiel", so Hrubesch, der sich diese Art von Verletzungen ganz schlecht ansehen kann. "Da habe ich immer Schmerzen im Gesicht."
Schon vor der letztlich so desaströsen Weltmeisterschaft vor einem Jahr hatte Oberdorf an einer Verletzung laboriert, war beim Turnier in Australien zunächst nicht einsatzfähig gewesen. Das hatte die damalige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg zum Umbau ihres Teams gezwungen. Weil nach und nach weitere Spielerinnen verletzt passen mussten, war die Defensive zu einer Großbaustelle geworden.
Für den Fall eines neuerlichen Ausfalls "werden wir das kompensieren müssen", so Hrubesch. Beim olympischen Fußballturnier darf er gerade einmal mit 18 Spielerinnen antreten, es dürfen jedoch vier Spielerinnen auf Abruf nominiert sein, die im Notfall für eine verletzte Spielerin ins Team rücken können. Sollte die zwischenzeitig ausgetauschte Spielerin während des Turniers genesen, könnte sie auch wieder zurück ins Team gewechselt werden.
Gegen Österreich kam für Oberdorf in der 71. Minute Sjoeke Nüsken in die Partie. Die 23-Jährige spielt beim FC Chelsea deutlich offensiver, hat in 38 Pflichtspielen 13 Tore erzielt und 4 vorbereitet und ist in London voll eingeschlagen. Doch bei ihrem Ex-Klub Eintracht Frankfurt wurde sie meist als Sechserin oder sogar Innenverteidigerin eingesetzt, kann die Position also bekleiden. Der Kader ist trotz der geringen Spielerinnenanzahl dem Bundestrainer zufolge so zusammengestellt, dass alle Positionen zwei- oder gar dreifach besetzt sind. Sie könnten so nicht nur auf Verletzungen reagieren, sondern sind auch während eines Spiels in der Lage, zu reagieren und das Spiel zu verändern.
Hrubesch will noch sechs Spiele - bis zum Finale
Das war dem Team auch im Gegensatz zur verkorksten Partie auf Island gelungen. Nach der mauen 0:3-Niederlage lief es gegen Österreich in allen Belangen besser. Zielstrebiger, reaktionsschneller, spielfreudiger. Schon in der 11. Minute eröffnete Klara Bühl den Torreigen, Jule Brand (39.) erhöhte kurz vor der Pause auf 2:0. Nach der Pause (52.) stellte Lea Schüller auf 3:0, ehe noch einmal Bühl in der Nachspielzeit zum 4:0-Endstand traf. Einen Ball, der kurz zuvor hinter der Linie war, hatte Schiedsrichterin Shona Shukrula nicht gewertet, einen Videoschiedsrichter gibt es in der EM-Qualifikation der Frauen nicht. Der Stimmung tat das nicht gegebene Tor keinen Abbruch, mit Laola und "völlig losgelöst" verabschiedeten die Fans die DFB-Frauen nach Frankreich. Es steht zu hoffen, dass auch Lena Oberdorf am Sonntag zwar nicht das "Raumschiff", aber das Flugzeug in Frankfurt am Main besteigt, um nach Marseille zu reisen.
Dort startet das DFB-Team am Donnerstag - das Fußball-Turnier startet bereits einen Tag vor der Eröffnungsfeier - mit der Partie gegen Australien in die Olympia-Mission. In den weiteren Partien geht es gegen die USA sowie Sambia. Nach der Gruppenphase stehen direkt die Viertelfinals an. Hrubesch hat bei seinem zweiten Einspringen bei den DFB-Frauen richtig Spaß - und einen Wunsch: "Ich hoffe, dass die letzten sechs Spiele jetzt auch noch so laufen." Dann hätte er das Finale erreicht, ehe Schluss ist für ihn als Interims-Bundestrainer.
Ehe Christian Wück den Posten als neuer Frauen-Bundestrainer übernimmt, gehen die Blicke nun aber erst einmal bang nach München. Die Spielerinnen wollen mit Lena Oberdorf nach Frankreich reisen. "Wir werden die Daumen drücken, jede Kraft zu ihr schicken", so Gwinn.
Quelle: ntv.de