Kane zaubert, Kimmich verärgert Manuel Neuer genießt und überrascht mit DFB-Aussage
28.10.2023, 21:47 Uhr
Alle happy wegen Manuel Neuer.
(Foto: REUTERS)
Manuel Neuer erlebt ein "skurriles" Comeback-Spiel bei Bayern Münchens furiosem 8:0-Sieg gegen Darmstadt. Einmal hält er grandios. Zum ersten Mal gibt es in der Bundesliga drei Rote Karten in der ersten Hälfte. Nach dem Spiel ist der Rückkehrer in Plauderlaune.
Rein sportlich betrachtet war Harry Kane der Mann des Tages. Rein ärgerlich betrachtet würde der Titel vor die Füße von Joshua Kimmich fallen. Aber all das war egal, denn Manuel Neuer ist wieder da und feiert bei seinem Comeback einen 8:0 (0:0)-Sieg mit dem FC Bayern gegen Aufsteiger SV Darmstadt 98. Dass ein Torwart bei solch einem Sieg derjenige ist, über den alle reden, kommt nicht häufig vor. Das Ergebnis ist eigentlich Ausweis genug, dass dem Schlussmann eher wenig Arbeit zugemutet worden war. Und ja, so war es auch. Neuer musste nicht groß helfen, um den höchsten Saisonsieg klarzumachen. Aber egal, seine Anwesenheit überstrahlte alles.
Sogar dieses Spiel, das an sich eine übergroße Geschichte zu erzählen hatte. Etwa die von Kimmich, der nach vier Minuten vom Platz flog. Notbremse lautete die Begründung für seinen unfreiwilligen Blitz-Abgang. Der hatte für ihn und seine Mannschaft ziemlich blöde Folgen. Beim Gigantenduell am kommenden Samstag gegen den BVB darf Kimmich nicht mitspielen. Weil auch Leon Goretzka wegen seiner Handverletzung auszufallen droht, muss Trainer Thomas Tuchel abermals kreativ werden und das Mittelfeldzentrum womöglich komplett umbauen. "Der Platzverweis war sehr blöd. Und ich ärgere mich sehr, dass ich gegen Dortmund fehle", bekannte Kimmich. Nach einem Zuspiel von Neuer hatte er den Ball am Strafraum vertändelt.
Kimmich mit Rot nicht einverstanden
Den direkten Platzverweis fand der Mittelfeldchef überzogen. "Ich zupfe ihn, aber ich war nicht verantwortlich für sein Fallen. Als ich den Ball verloren habe, hatte ich schon im Kopf, ich darf ihn nicht foulen, sonst ist es Rot. Ich habe versucht, wegzubleiben, so gut es ging. Das hat nicht so gut geklappt." Anders eben als das Comeback von Neuer, der durfte nach 36 Minuten erstmals so richtig für sich werben. Im Eins-gegen-eins-Duell mit Marvin Mehlem behielt er mit einer überragenden Parade die Oberhand - was wohl passiert wäre, wenn ..., nun, egal. Zu diesem Zeitpunkt war das Spiel nummerisch wieder ausgeglichen, Klaus Gjasula durfte seit der 21. Minute nicht mehr mitmachen, gleiches galt fünf Minuten später für Matej Maglica. Beide hatten ebenfalls die verbotene Notbremse angesetzt. "Die erste Halbzeit war skurril. Drei Rote Karten, boah, das war schon Wahnsinn", sagte Neuer. Elf Highlights - acht Tore und drei Platzverweise beim Comeback - willkommen zurück in der Bundesliga.
Jetzt war viel Platz auf dem Feld, Darmstadt schaffte es nicht mehr, den großen Raum kleinzuhalten und die Bayern kannten mit ihren Tempoflitzern um Kingsley Coman, Leroy Sané und Jamal Musiala keine Gnade. Das endete dann so: Starstürmer Kane war mit drei Treffern (51./68./88. Minute) der Mann des Tages, rein sportlich freilich. Der starke Engländer erzielte mit einem Schuss aus der eigenen Hälfte über Schuhen hinweg das schönste Tor an diesem an Toren sehr reichen Nachmittag. "Das ist mir zum ersten Mal geglückt", freute sich Kane. Nach neun Saisonspielen hat der 100-Millionen-Euro-Mann nun schon zwölfmal getroffen.
Außerdem trafen die Doppelpacker Sané (56./64.) und Musiala (61./76.) sowie Joker Thomas Müller (71.). Um den hatte es ja wieder Debatten gegeben, weil er unter der Woche gegen Galatasaray gar nicht erst zum Einsatz gekommen war, anders etwa als Bouna Sarr oder Eric Maxim Choupo-Moting und Mathys Tel. Tuchel bemüht sich, das Thema so klein wie möglich zu halten, macht aber keinen Hehl draus, dass es nicht einfach ist, immer weniger Spielzeit für die Vereinsikone zu moderieren. Aber der Coach begründet das eben mit der Formstärke der anderen, was in der zweiten Hälfte gegen Darmstadt beeindruckend mit neuen Argumenten gefüttert wurde.
"Ich war positiv aufgeregt"
So, jetzt aber zu Neuer, zum Mann des Tages. Aus dem brachen die Worte nach langem Schweigen nur so heraus. "Ich bin so happy, wie ich selten happy gewesen bin nach einem Spiel, dass ich es endlich geschafft habe", sagte der 37-Jährige im Interview mit Sky. "Ich war positiv aufgeregt, nicht so, dass ich nervös war, aber in gewisser Erwartungshaltung, was hier draußen passiert. Ich habe mich einfach richtig gefreut, wieder in der Allianz-Arena zu sein, wieder vor den eigenen Fans zu spielen und mit der Mannschaft auf dem Platz zu stehen." Als Erster war er bei der Ankunft am Stadion aus dem Bayern-Bus gestiegen. Und als er zum Aufwärmen den Rasen betrat, wurde es zum ersten Mal so richtig laut im Stadion an diesem Nachmittag. Es war ein Kaltstart, knapp elf Monate nach dem letzten Spiel beim frühen deutschen WM-Aus in Katar.
Er habe während der Reha, während der es auch Rückschläge gab, "auf gar keinen Fall" Gedanken gehabt, dass es dies gewesen sei und er sich die Anstrengungen nicht mehr antun wolle. "Es gab viele Höhen und Tiefen, das ist klar, aber ich hatte immer den Willen zurückzukehren, war immer ehrgeizig." Das gilt nicht nur mit Blick auf seinen Verein, sondern auch für die Nationalmannschaft. Auch wenn er mit diesem Thema noch zurückhaltend umgeht und sogar überraschende Dinge sagt: "Wir haben super Torleute - und wir freuen uns alle auf die EM", so Neuer. Zur durchaus brisanten Nummer-1-Frage und dem Konkurrenten Marc-André ter Stegen antwortete er kurz und knapp: "Ich denke, dass er aktuell auf jeden Fall die Nummer eins ist." Noch vor seiner Verletzung war Neuer nicht bereit, auch nur einen Zentimeter Platz im Tor zu lassen. Jedes Spiel beanspruchte er für sich. Die Konkurrenten waren für ihn keine Konkurrenten, sondern zugeteilte Plätze in der klaren Hierarchie.
Neuer bedankte sich auch bei seinem Stellvertreter Sven Ulreich, der nach teils überragender Leistung klaglos wieder ins zweite Glied rückt: "Sven Ulreich bin ich auch sehr dankbar. Wir haben ein tolles Verhältnis und ich freue mich für ihn, dass er so gute Leistungen gezeigt hat und er freut sich natürlich für mich."
Tuchel hadert auch
Gute Laune hatte auch Tuchel, auch wenn ihm an diesem aberwitzigen Nachmittag längst nicht alles gefallen hatte: "Unsere erste Halbzeit war zu fehlerbehaftet, es hat an Intensität gemangelt. In der Halbzeit haben wir uns gesammelt. Die Antwort kam dann. Es war ein außergewöhnliches Spiel, mit der Unter-, Gleich- und Überzahl. Kompliment an meine Mannschaft für diese Reaktion. Jetzt geht es weiter."
Für die Bayern steht nach dem DFB-Pokal-Zweitrundenspiel beim 1. FC Saarbrücken am Mittwoch am Samstag der Liga-Klassiker bei Borussia Dortmund an. Das letzte Wort über die weitere Einsatzplanung habe Thomas Tuchel, betonte Neuer: "Da hat der Trainer natürlich das Machtwort zu sprechen, danach geht's. Ich versuche, mich einfach zu regenerieren und auf die nächsten Aufgaben zu konzentrieren." Ob Tuchel Neuer die große Aufgabe im Dortmunder Stadion tatsächlich anvertraut? Unklar, Erkenntnisse über seine Form hat er gegen Darmstadt nicht gewonnen, aber das war tatsächlich auch erstmal total egal.
Quelle: ntv.de