
Edin Terzic will mit Jude Bellingham noch Meister werden. Dann zieht der Brite wahrscheinlich weiter nach Madrid.
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Mit dem 6:0 gegen den VfL Wolfsburg gelingt dem BVB eine beeindruckende Machtdemonstration im Meisterschaftskampf der Fußball-Bundesliga. Zu dumm für die Borussia, dass sie auswärts immer so schlecht aussehen. Muss der FC Bayern die Dortmunder jetzt trotzdem bewundern, wundert sich ntv.de und beantwortet drängende Fragen.
Zum Glück für den BVB kommen jetzt noch zwei Heimspiele. Borussia Dortmund und das Westfalenstadion ist in dieser Saison eine der großen Liebesgeschichten der Liga - wenn da nicht dieser eine Stellwerkschaden gewesen wäre. Damals, als im Hochsommer 2022 in Dortmund keine Züge mehr fuhren, der Name Cristiano Ronaldo noch als Neuzugang über der Stadt hing und überhaupt noch nicht absehbar war, wie diese Spielzeit laufen würde. Es wurde eine Saison mit zwei gegensätzlichen Hälften. Eine, die aus einem klappernden Giganten einen Titelkandidaten machte.
2:0 stand es am 20. August 2022 gegen Werder Bremen, noch eine Minute der regulären Spielzeit und ein wenig Nachspielzeit waren zu spielen. Der Sieg stand fest. Es würde kein glorreicher sein, aber das war vollkommen egal. Doch dann passiert aus der Sicht der BVB-Anhänger leider Historisches. Die Nordlichter, gerade wieder aufgestiegen, erzielten drei Treffer, selbstverständlich gleichbedeutend mit dem Auswärtssieg. Drei sicher geglaubte Punkte, die selbst nach dem 6:0 gegen den VfL Wolfsburg am zurückliegenden Wochenende, also mehr als acht Monate später, immer noch schmerzen.
Der rauschhafte Sieg der Borussia gegen die viel zu hoch verteidigenden Wolfsburger könnte am Ende vergebens sein. Der FC Bayern München liegt im Meisterrennen weiter mit einem Punkt vorne. Das mühsam erkämpfte 2:1 bei Werder Bremen brachte den Münchenern ebenfalls drei Punkte. So könnten die sechs herausragenden Tore gegen die Elf von Niko Kovac am Ende so wertlos werden wie die beinahe 700 Erinnerungstickets an diese Partie, die sich die Fans am Spieltag für zwei Euro aus den Automaten zogen. Erstmals in dieser Spielzeit gab es nicht nur digitale Eintrittskarten. Ein Fest für alle Sammler, noch nicht für Titeljäger. Borussia Dortmund ist weiterhin auf fremde Hilfe angewiesen. Der Oberbürgermeister der Stadt, Thomas Westphal, riskiert dafür sogar seine Wiederwahl. Er würde Schalke 04 als die großen Helden der Dortmunder Meistererzählung akzeptieren.
Was wird in den nächsten drei Wochen passieren? Werden die Dortmunder am Saisonende endgültig zu den Tölpeln des Jahres abgestempelt oder kann Marco Reus doch noch die Schale in die Höhe stemmen? Wie gewohnt beantwortet ntv.de die wichtigsten Fragen rund um den BVB.
Borussia Dortmund hat sich gegen die Wolfsburger in einen Rausch gespielt. Müssen die Bayern nun Angst haben?
Der FC Bayern München muss sich nur fürchten, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt. Denn selbstverständlich geht der Rekordmeister als der große Favorit in die letzten drei Spiele. Schalke 04 und RB Leipzig zu Hause, dann noch ein Trip zum 1. FC Köln. Es gibt in der Bundesliga leichtere Aufgaben, doch sie sind für das von Thomas Tuchel trainierte Starensemble zu bewältigen. So sehr sich das auch gegen den SV Werder Bremen strecken musste und letztendlich auch von der Verletzung des ehemaligen Dortmunders Amos Pieper profitierte. Erst danach brachen sie die Abwehrreihen der Hausherren auf.
Für den BVB ging es da schon eine Spur leichter. Wolfsburg tat ein bisschen was für die Offensive und nichts für die Defensive. War das der Plan der Elf vom Mittellandkanal?
Nicht, wenn man Trainer Kovac glauben will. "Das war heute genau das, was wir nicht wollten. Wir sind ohne Zweikampfführung und Biss aufgetreten - und somit hatten wir keine Chance", sagte er nach dem Spiel: "Mit dem 0:6 sind wir noch gut bedient. Meine Mannschaft muss in der nächsten Woche wieder das richtige Gesicht zeigen." Dass es ihnen gegen den BVB nicht gelingen wollte, lag jedoch nicht nur am fehlenden Biss der Wölfe, sondern vielmehr an der Stärke der Dortmunder. Nach der Enttäuschung von Bochum hatten sie zu Hause wieder ihre Torjägerschuhe ausgepackt, und aus zahlreichen Chancen zahlreiche Tore gemacht. Dazu der vergebene Elfmeter von Karim Adeyemi …
… eine beeindruckende Szene …
Das ist korrekt. Wie der ehemalige Salzburger im Strafraum zusammenbricht, Jude Bellingham ihn aufmuntert und das Stadion mitnimmt und so aus einem Fehlschuss einen großen Moment macht. Der bitter enttäuschte Adeyemi nahm es kaum wahr, zu sehr wollte er den dritten Treffer. "Ich habe meinen Tag ein wenig ruiniert. Ich war in diesem Moment untröstlich", erklärte der Nationalspieler und ergänzte bei ESPN über Bellinghams Aktion: "Das zeigt mir, dass alle hinter mir stehen. Es gibt mir ein gutes Gefühl." Überhaupt: Adeyemi. Wenn er nicht gerade in kontroverse Strafraum-Aktionen verwickelt ist, mal ohne Gegner, mal mit Gegner fällt, gehört er zu den großen Überraschungen der Rückrunde.
Mannschaftliche Geschlossenheit, Comeback-Qualitäten, eine wunderbare Offensivabteilung: Müssen die Bayern diesen BVB also bewundern?
Nur, wenn die Bayern nicht Meister werden. Aber dann haben sie dafür ja auch keine Zeit. Bei all der zu erwartenden Unruhe.
Adeyemi sprach von einem guten Gefühl. Ein gutes Gefühl haben die Fans der Dortmunder bei Jude Bellingham schon lange nicht mehr. Er wird den Verein sehr wahrscheinlich in Richtung Real Madrid verlassen.
Das ist das Los des BVB. Von den internationalen Talenten geht keiner den Weg bis zum Ende. Sie alle saugen sich in Dortmund mit Geschichte und Euphorie voll und ziehen dann weiter. Das ist das Dortmunder Geschäftsmodell. Sie profitieren davon und akzeptieren ihre Rolle als Vermittler zwischen ungeschliffenen Talenten und den Superklubs Europas. Seit mehr als einem Jahrzehnt. Interessant wird es doch erst wieder im kommenden Jahr, wenn das Geschacher um Torhüter Gregor Kobel losgehen wird. Dagegen sind die Bellingham-Gerüchte nur eine schlechte Vorabendserie. Kobel, das kann ich Ihnen versprechen, wird Blockbuster. Doch das ist noch Zukunftsmusik.
2:2 auf Schalke, 3:3 in Stuttgart, 1:1 in Bochum, aber im Vorlauf wird die Niederlage gegen Bremen erwähnt: Was war denn nun das bitterste Spiel für den BVB?

Stuttgart feiert das späte 3:3 gegen den BVB. Ein unnötiger Punktverlust.
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Das ist natürlich reine Willkür. Jedes dieser Spiele hat das Potenzial dazu, am Ende das entscheidende Spiel gewesen zu sein. Dann wären die auf dem Platz so biederen Bayern zum elften Mal in Folge Deutscher Meister und der BVB hätte zu viele Breakbälle hergeschenkt. Diese unfassbare Diskrepanz zwischen den Auswärtsleistungen und den Heimspielen wird natürlich hängenbleiben. So recht kann sich das niemand erklären. Dann wird das Stadion herangezogen, dann wird der zwölfte Mann auf der Tribüne bemüht, doch das sind folkloristische Ansätze.
Nach seinem Wutausbruch in der vergangenen Woche beklagt Sebastian Kehl nun den Spielplan. Man müsse immer nachlegen, sei dadurch gegenüber den Bayern im Nachteil. Ist der BVB-Sportdirektor zu wehleidig?
Es sind Aussagen eines Menschen in einer Extremsituation. Der ehemalige Kapitän schmeißt sich vor die Mannschaft und nimmt das ganze Unverständnis dieser Welt auf sich. Es ist maximal bedauerlich, dass beide Klubs erst am letzten Spieltag zeitgleich antreten werden. Wer aber durch welche Ansetzungen im Vorteil ist, darüber lässt sich nicht einmal spekulieren. Niemand in Dortmund hat nach der FCB-Pleite in Mainz von einem Nachteil gesprochen. Da haben sie die spätere Ansetzung dankbar angenommen. Meisterschaftsentscheidend ist das alles nicht.
Kann der Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal dem BVB noch helfen? Er hat eine ganze besondere Einladung ausgesprochen.
In der Tat. Ungewöhnlich ist noch geschönt für seine im Rahmen der Ausstellung "Mythos & Moderne. Fußball im Ruhrgebiet" getätigten Aussage. Der SPD-Politiker sagte: "Wenn Schalke am nächsten Wochenende den FC Bayern schlägt und der BVB dadurch Meister wird, dann lade ich die aktuelle Schalker Mannschaft ins Rathaus ein, damit sie sich ins Goldene Buch einträgt." Damit dürfte er sich nicht nur Freunde gemacht haben, vielleicht könnte er sich mit diesem Tabubruch sogar ins politische Abseits manövrieren …
1934 trug sich das Schalker Meisterteam schon einmal in das Goldene Buch der Stadt Dortmund ein!
Das waren ziemlich andere Zeiten. Aber stellen wir uns einmal vor, Schalke holt in München einen Punkt, macht den BVB so wirklich zum Meister, steigt trotzdem ab und trägt sich dann ins Goldene Buch der Stadt Dortmund ein.
Endet die Dortmunder "Saison der Rückschläge" denn nun, Westphal hin oder her, mit der Meisterschaft?
Die Datenseiten Goalimpact und FiveThirtyEight räumen dem BVB noch eine letzte Chance ein. Mit 31,5 Prozent respektive 29 Prozent sieht es dabei aber nicht mehr allzu gut aus. Nur noch drei Gelegenheiten bleiben, an den Bayern vorbeizuziehen. Dabei müssen entweder auf Schalke oder den ehemaligen Trainer Marco Rose mit Leipzig hoffen. Gerade die beiden Klubs, die für die Dortmunder Fans ein absolut rotes Tuch sind, müssen es jetzt rausreißen. Eine verflixte Lage, in die sich der BVB am Ende selbst gebracht hat. Durch Bremen, Schalke, Stuttgart und Bochum oder meinetwegen auch durch den kollektiven Aussetzer in München. Bitte selbst aussuchen.
Oder lag es doch an Robert Hartmann? Der VAR hat sich immer noch nicht für seinen Fehler beim Spiel in Bochum entschuldigt.
Man möge das doch bitte endlich ruhen lassen. An den Schiedsrichtern, am VAR wird es am Ende nicht gelegen haben.
Glaubt Dortmund an den Titel?
Dortmund glaubt. Das allein ist schon eine Nachricht. Wer es auch tut, der sollte für den 27. Mai 2023 schnell ein Hotelzimmer reservieren. Die Preise ziehen bereits deutlich an. Dann können Sie sich direkt ein Erinnerungsticket ziehen. Der Tag, an dem der BVB vielleicht Meister werden konnte. Das macht sich gut an jeder Wand und der BVB hat zwei Euro mehr in der Tasche.
Mit Stephan Uersfeld sprach Stephan Uersfeld
Quelle: ntv.de