"Scheißfresse" nach Horrorspiel "Grausamer" VfL Bochum schockt sich selbst
19.05.2024, 09:37 Uhr
Kevin Stöger war stinksauer nach dem Auftritt des VfL Bochum in Bremen.
(Foto: IMAGO/Eibner)
Dem VfL Bochum droht der Absturz in die 2. Fußball-Bundesliga. Bei Werder Bremen präsentiert sich der VfL desolat - und muss zurecht in die Relegation. Die Laune ist am Boden, es mangelt Spielern und Verantwortlichen nicht an Selbstkritik.
Der VfL Bochum sitzt mit dem besten Blatt am Pokertisch und verzockt alles. Ein Punkt hätte dem Klub gereicht und er wäre sicher Fußball-Erstligist geblieben. Aber von diesem Punkt waren die Bochumer am Samstag so weit entfernt, wie eine Schnecke vom 100-Meter-Weltrekord. Von der ersten Minute an lief bei der Mannschaft von Heiko Butscher nichts zusammen. Nach sechs Minuten stand es 0:1. Nach 90 Minuten stand eine 1:4-Klatsche auf dem Spielbericht. Und das war noch die Wahrheit in schön. Ein, zwei, drei Gegentore mehr hätten es locker sein können, wenn nicht Torwart Manuel Riemann mehrfach stark gehalten oder das Aluminium gerettet hätte. Vor 42.100 Zuschauern trafen Marco Friedl (6.), Anthony Jung (78.), Jens Stage (80.) und Romano Schmid (87.) für die Bremer. Der eingewechselte Christopher Antwi-Adjei erzielte das Tor für Bochum (85.).
Mit dieser peinlichen Vorstellung rutscht der VfL tatsächlich noch in die Relegation. Weil die Mainzer ihre sehr beeindruckende Aufholjagd mit einem Sieg beim VfL Wolfsburg krönten (3:1) und sich auch Union Berlin in der Nachspielzeit noch über den rettenden Strich schiebt. Der schlimmste Absturz eines Bundesligisten seit 55 Jahren bleibt den Eisernen erspart. Der Super-GAU nach einer Saison, die in der Champions League begann, wurde gerade noch so abgewendet. Zwar flog der Elfmeter in der Extrazeit nur an den Pfosten, dafür saß aber der Nachschuss. Die Alte Försterei bebte. Und die Bochumer bewarfen sich hernach mit Wut auf sich selbst.
"Die Leistung heute ist inakzeptabel"
Mit einer "Scheißfresse", so wütete etwa Spielmacher Kevin Stöger, ging es am späten Samstagabend zurück nach Bochum. "Die Leistung heute ist inakzeptabel, das geht nicht." Dieser Blackout an der Weser hatte ganz tiefe Spuren hinterlassen. Schon auf dem Feld hatte Keeper Riemann seine Mitspieler ständig daran erinnert, dass sie in einem Do-or-Die-Spiel sind. So richtig verstanden hatte das aber offenbar keiner. Es braucht nicht viel Fantasie, dass es in dieser Woche nochmal tüchtig knallen wird "anne Castroper". Wie schon vor einigen Wochen. Das Ergebnis damals: Zwei Siege gegen Hoffenheim und Union Berlin. Auf eine ähnliche Kraft eines reinigenden Gewitters müssen sie nun erneut hoffen. Am Donnerstag geht es in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf. Erstmal zu Hause im Ruhrstadion, am Montag kommt es dann in der Landeshauptstadt zum alles entscheidenden Duell um die Ligazugehörigkeit.
"Wir sind natürlich wahnsinnig enttäuscht", sagte Butscher nach dem Horror-Auftritt. Mit dem wollte er sich allerdings nicht allzu lange beschäftigen: "Wir müssen die Kurve kriegen und die Köpfe wieder hochkriegen. Wir müssen Zuversicht ausstrahlen, sehr schnell wieder in den Arbeitsmodus kommen und einige Dinge anpassen und besser machen gegen Fortuna Düsseldorf." Eine erste Maßnahme: keine Frage mehr bis zum ersten Showdown. "Die bringen uns jetzt nicht weiter. Wir müssen uns wieder mehr mit Fußball beschäftigen." Geschockt war auch Sportchef Marc Lettau: "Das war grausam. Das hatte nichts mit dem Fußball des VfL Bochum zu tun. Es hatte sicherlich weniger mit den Fähigkeiten der Jungs zu tun, sondern viel mehr mit dem Stress. Dem waren wir nicht gewachsen und haben unsere Leistung nicht gebracht."
"Wenn die Köpfe jetzt sinken ..."
Mit Fußball hatte der Auftritt im Weserstadion tatsächlich nichts zu tun. Die Gastgeber spielten lustvoll und ohne jeden Druck. Da waren reichlich sehenswerte Kombinationen dabei. Auch weil die Gäste vergessen hatten, dass luftige Räume im Fußball eine ganz schlechte Idee sind. Es war ein Leichtes für Werder, sich durch die Reihen der Bochumer zu spielen. Riemann war fassungslos. Butscher wirkte ratlos. Mit leerem Blick verfolgte er bisweilen, wie sich seine Mannschaft komplett vorführen ließ. Wenn es irgendetwas Gutes aus diesem Spiel gibt, dann die Erkenntnis, dass es kaum schlechter geht. Wenn aus diesem Blackout ein Weckruf entsteht.
"Wir haben heute einfach versagt, anders kann man es nicht sagen. Wenn die Köpfe jetzt sinken, wird es nicht funktionieren", sagte Kapitän Anthony Losilla. Die Mannschaft, "die eine bessere Mentalität hat", werde es schaffen. Und Stöger versprach: "Wer den VfL kennt, der weiß, dass wir in so einer Situation wieder aufstehen. Genau in solchen Situationen sind wir normalerweise immer wieder stark genug."
Der drohende Absturz in die 2. Liga wäre der vermutlich vermeidbarste in der Vereinsgeschichte des VfL gewesen. Wären die Spiele in dieser Saison regelmäßig in der 90. Minute abgepfiffen worden, die Mannschaft wäre irgendwo Richtung Europapokal unterwegs gewesen. Aber weil es immer wieder erst zu Herzrasen und dann zum Kollaps in der Nachspielzeit gekommen war, wurden unfassbar viele Punkte hergeschenkt. Bochum ist das Anti-Bayer-Leverkusen, das in der Extrazeit ja den großen Spaß entwickelt hat, die Spiele immer wieder zu drehen. Bisweilen sind da surreale Dinge zustande gekommen. Etwa in der Europa League gegen Qarabag Agdam, als Stürmer Patrik Schick in der 93. und 97. Minute traf und den K.o. verhinderte. Der VfL dagegen verlor in der heißen Phase, wenn die letzte Karte auf den Tisch regelmäßig die Nerven. Nun geht es zweimal All-In.
Quelle: ntv.de