Hauptsache keine Pleite gegen Real Schalke feiert wie der BVB, Di Matteo kritisiert
19.02.2015, 09:43 Uhr
Matija Nastasic und Marco Höger (hinten) trauern der verpassten Chance gegen Real Madrid hinterher. Mit etwas mehr Mut wäre eine bessere Ausgangsposition fürs Rückspiel möglich gewesen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Wenn die Fans nach einer Niederlage jubeln, dann passiert das entweder in Dortmund - oder wenn der FC Schalke 04 gegen Real Madrid spielt. Nur der Trainer ist ein wenig enttäuscht. Und glaubt nicht ernsthaft ans Viertelfinale.
Erfolg im Fußball ist wie im richtigen Leben immer auch eine Frage des Anspruchs. Wer sich bisweilen damit zufriedengibt, nicht allzu hoch verloren zu haben, der mag nach einem 0:2 (0:1) gegen Real Madrid nicht klagen. Das Schalker Publikum jedenfalls wirkte recht munter, nachdem ihre Lieblingsmannschaft das Hinspiel im Achtelfinale der Champions League gegen den Titelverteidiger aus der spanischen Hauptstadt hinter sich gebracht hatte. Allen voran das Publikum in der Nordkurve feierte die Verlierer, nachdem der englische Schiedsrichter Martin Atkinson die Partie beendet hatte.
Tore: 0:1 Ronaldo (26.), 0:2 Marcelo (79.)
Schalke: Wellenreuther - Höwedes, Matip, Nastasic - Uchida, Neustädter (57. Kirchhoff), Aogo - Höger (80. Meyer), Kevin-Prince Boateng - Choupo-Moting, Huntelaar (33. Platte)
Madrid: Casillas - Carvajal (82. Arbeloa), Varane, Pepe, Marcelo - Kroos - Lucas Silva, Isco (85. Illarramendi) - Bale, Benzema (78. Chicharito), Ronaldo
Referee: Atkinson Zus.: 54.442 (av)
Schüsse: 8:10 Ecken: 2:2 Ballbes: 40:60
Überhaupt hatten die königsblauen Fans während des Spiels im mit 54.442 Zuschauern selbstredend ausverkauften Stadion zu Gelsenkirchen für eine sehr ordentliche Stimmung gesorgt. Nichts erreicht und trotzdem gut gelaunt - vielleicht haben die Schalker das von den Kollegen der Borussia aus Dortmund gelernt. Dort war das ja in der Hinrunde der Bundesliga groß in Mode. Vielleicht aber waren sie einfach nur froh, dass sie nicht wieder zusehen mussten, wie Real ihr Team demütigte. Klar, sie hatten verloren. Und die Chance, die zwei Tore von Cristiano Ronaldo und Marcelo im Rückspiel am 10. März im Estadio Santiago Bernabéu noch wettzumachen, darf getrost als äußerst gering eingeschätzt werden. Aber es war eben kein Debakel wie vor einem Jahr, als sie im Hinspiel nach dem ersten Gegentor einbrachen und sich letztlich mit 1:6 demontieren ließen.
Die Schalker waren als krasser Außenseiter ins Spiel hineingegangen. Herausgekommen sind sie als - ja was eigentlich? Einigen wir uns auf: verdienter Verlierer, dem trotz guter Leistung die Sensation nicht gelungen ist. Was bleibt, ist der Konjunktiv. "Mit ein bisschen mehr Mut hätten wir vielleicht mehr erreichen können", sagte Linksverteidiger Dennis Aogo. "In der Offensive haben wir auf den Lucky Punch gehofft, leider ist uns dieser nicht gelungen", meinte Kapitän Benedikt Höwedes. Und Trainer Roberto Di Matteo räsonierte darüber, was passiert wäre, hätte der für den verletzten Angreifer Klaas-Jan Huntelaar eingewechselte Felix Platte in der 74. Minute den Ball nicht an die Latte, sondern ins Tor hineingeschossen. "Hätten wir den Ausgleichstreffer gemacht, hätte das Spiel auch anders ausgehen können."
"Wir müssen jetzt daran glauben"
Ansonsten wirke Di Matteo allerdings durchaus enttäuscht und sagte das auch so. Einerseits war seine Taktik mit einer stabilen Defensive in Form einer bisweilen sehr hoch stehenden Fünferkette in der Abwehr zu weiten Teilen aufgegangen. Anderseits hatte Schalke eben doch zwei Tore kassiert und trotz einer Handvoll mehr oder weniger guter Gelegenheiten kein einziges erzielt. "Die wenigen Torchancen müssen wir nutzen. Auf diesem Niveau ist das so." Seinem Kapitän war das auch aufgefallen: "Insgesamt haben wir gut verteidigt. Real ist kaum zu Chancen gekommen. Bitter ist natürlich, dass Madrid die wenigen Chancen eiskalt genutzt hat." Das klang so, als träumten da zwei von der Effizienz nach Art der Madrilenen. Carlo Ancelottis Ensemble, gekleidet in ein bonbonfarbenes Pink, hatte sich gnadenlos genommen, was ihm geboten wurde. Beim ersten Treffer ließ erst Aogo seinen Gegenspieler Dani Carvajal flanken, dann konnte Joel Matip Ronaldo nicht am Kopfball hindern, weil er schlichtweg an der falschen Stelle stand. Beim zweiten Tor trickste eben jener Ronaldo die Schalker Atsuto Uchida und Marco Höger aus, passte auf den Brasilianer Marcelo, der Höwedes und Jan Kirchhoff entwischte und den Ball in den Winkel schoss.

Cristiano Ronaldo beendete mit dem Treffer zum 1:0 auf Schalke seine Torlos-Serie von zuvor vier Spielen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Reals Trainer war dementsprechend zufrieden, sprach von "einem Geduldsspiel" und davon, dass sein Team "im Großen und Ganzen das Spiel kontrolliert" habe. Auch wenn die Partie "kein enormes Tempo" gehabt habe. In der Tat hatte sich sein Real an diesem Abend nicht als Übermannschaft präsentiert, nur begrenzten Aufwand betrieben und keinen großen Glanz versprüht. Aber für die Schalker hat es halt gereicht. "Wir sind wieder in der richtigen Spur." Nach all der Kritik der vergangenen Wochen wird er das mit einer gewissen Genugtuung gesagt haben. Die große Sportzeitung "Marca" hatte noch am Wochenende nach dem müden 2:0 des Tabellenführers der Primera Division gegen La Coruna geätzt: "So gewinnt Real die Champions League nicht, so gewinnt es noch nicht einmal gegen Schalke." Ob Ancelottis Mannschaft als erste in der Geschichte den Titel erfolgreich verteidigt, steht tatsächlich in den Sternen. Aber "noch nicht einmal gegen Schalke" - ganz so schlimm ist es dann doch nicht um Real bestellt.
Und auch für die Gelsenkirchener geht das Leben weiter, am Samstag steht in der Bundesliga die Partie gegen Bremen an. Aber daran mochte Di Matteo noch nicht denken. Erst wollte er schon noch den Eindruck erwecken, als glaube er an die Chance seiner Mannschaft aufs Viertelfinale in der europäischen Königsklasse. Was ihm allerdings nur leidlich gelang. "Wir müssen jetzt daran glauben, dass wir in Madrid was holen können." Schließlich sei im Fußball alles möglich. Aber auch wenn Schalke gegen Real spielt? Sei's drum, er muss das halt sagen. Immerhin, vor einem Jahr noch hätten die Schalker das Rückspiel mit 6:0 gewinnen müssen. Nun reicht schon ein 3:0. Wenn das kein dramatischer Fortschritt ist. Und sie haben sich nicht blamiert. Wer will, kann damit zufrieden sein. Alles eine Frage des Anspruchs.
Quelle: ntv.de