Schlotterbeck könnte "heulen" "Scheißtor" reißt den VfL Bochum grausam zu Boden
28.10.2023, 07:23 Uhr
"Wir sind enttäuscht und sauer. Das müssen wir über die Bühne bringen", sagte Bochums Kevin Stöger.
(Foto: IMAGO/pepphoto)
Das Duell der Sieglosen endet remis. Der VfL Bochum und der FSV Mainz 05 müssen auch nach dem neunten Spieltag weiter auf den ersten Dreier warten. Die Gastgeber sind fassungslos und wütend auf sich selbst. Die Gäste irgendwie erleichtert, aber auch erschüttert.
Fußball kann so gnadenlos sein. Fußball kann eine Mannschaft, ein Stadion binnen Sekunden explodieren lassen oder es brutal auf den Boden reißen. Der VfL Bochum hat am Freitagabend beim 2:2-Remis gegen den FSV Mainz 05 beides erlebt. In der 82. Minute hatte Keven Schlotterbeck die Gastgeber wieder in Führung gebracht, der erste Sieg in dieser Saison war plötzlich so nah. Die Spieler spürten das, auch die Fans. Das Ruhrstadion tobte im allerbesten Sinne. Doch dann foulte Kapitän Anthony "Toto" Losilla einen Gegenspieler, es gab Freistoß für Mainz in der 95. Minute und schließlich der Ausgleich. Tom Krauß, der letzte Saison mit dem Bochumer Rivalen Schalke 04 abgestiegen war, schoss den Ball aus der Distanz und dank des Knies von VfL-Angreifer Lukas Daschner ins Tor. Stille im Stadion.
War das wirklich passiert? Ja. Vielleicht hat der VAR, der es mit den Bochumern zuletzt in Freiburg gar nicht gut gemeint hatte, ja irgendwas gesehen? Ein Handspiel, eine Abseitsposition, irgendwas? Nein, nichts. Das Tor war ebenso regulär wie schmerzhaft zu Boden reißend. "Als dieses Ding reinging, habe ich wirklich gedacht, was ist denn jetzt los?", erklärte Trainer Thomas Letsch und "spürte eine gewisse Leere, die ich so schon lange nicht erlebt habe". Statt eines ersten Befreiungsschlags in der Saison steht weiter die Null - bei Siegen. "Natürlich kann man sagen, man kann den Ball besser klären", sagte Letsch. "Aber wir haben gerade einfach die Scheiße an der Backe, dass der Ball vom Oberschenkel von Lukas so abgefälscht wird, dass Manuel keine Chance hat."
"Ersten 45 Minuten müssen uns nachdenklich machen"
Das gilt auch für den FSV Mainz 05, der diesen Punkt deutlich enthusiastischer aufnahm. Das gesamte Team rannte auf den Rasen und genoss das späte Glück. Trainer Bo Svensson war indes nur eingeschränkt glücklich: "Mit der zweiten Halbzeit bin ich absolut einverstanden. Da war das Spiel ausgeglichen. Damit kann ich leben. So hätten wir über 90 Minuten spielen müssen, aber die ersten 45 Minuten müssen uns nachdenklich machen."
Und der Trainer steht weiter in der Verantwortung. Er darf und vor allem muss sich Gedanken machen, wie der Knoten der seit neun Spielen ohne Sieg anhaltenden Serie durchschlagen werden kann. "Die Trainerfrage stellt sich bei uns nicht. Da ist die Position genau dieselbe wie vor zwei, drei oder vier Wochen. Hundertprozentige Rückendeckung, hundertprozentiges Vertrauen", sagte Sportdirektor Martin Schmidt. Stattdessen nahm er die Profis des Tabellenletzten in die Pflicht: "Es muss von der Mannschaft mehr kommen." Der Ausgleich übertünche ein wenig die Leistung. "Obwohl noch das Tor gefallen ist, bringt es nichts, wenn wir das Spiel schönreden. Jeder im Team muss sich hinterfragen, ob das die Leistung ist, die wir auf dem Platz bringen wollen."
"Das tut extrem weh"
In Bochum stellen sie sich die Mentalitätsfrage nicht. Der Kampf stimmt wieder einmal, die Leistung in der ersten Halbzeit war ordentlich, auch wenn aus der Überlegenheit zu wenig Torgefahr kreiert wurde. Nach zwei Minuten verhinderte FSV-Keeper Robin Zentner einen frühen Rückstand, parierte einen Schuss von Bernardo stark. Die engagierten VfLer blieben dran und bekamen einen Elfmeter zugesprochen. Schlotterbeck war gefoult worden, Kevin Stöger verwandelte (21.). Viel mehr war indes nicht. Ein Problem, das die Mannschaft schon länger mit sich herumschleppt. Hinten scheppert es zu oft, auch wenn es besser wird, und vorne zu selten, was nicht besser wird. "Das lässt sich nicht so leicht abschütteln", befand Coach Letsch, der gar nicht mehr aufhörte, fassungslos zu sein, "aber wir müssen es eben wieder abschütteln. Es hilft ja alles nichts."
Womöglich wäre alles ganz anders gekommen, hätte das Tor von Moritz Broschinski, der überraschend in der Startelf stand, gezählt. Kurz nach dem Seitenwechsel hatte der junge Stürmer getroffen, aber er stand eben hauchzart im Abseits. Der knackige Start war indes ein falsches Versprechen für die zweite Halbzeit, die war ein Abnutzungskampf ohne großen Unterhaltungswert. Die Bochumer wurden immer schlechter, die Mainzer besser, ohne zu glänzen. Und so passte ins Bild, wie der Ausgleich fiel: Einen Schuss des Mainzers Anthony Caci beförderte der eingewechselte und durchaus gefällige Aymane Barkok an das Bein von Schlotterbeck - von dem aus der Ball ins Tor trudelte. Dass der Pechvogel später die erneute Führung erzielte und damit irgendwie der Mann des Spiels war, passte auch. Aber es war eben nicht die Geschichte des Abends. Die war das "Scheißtor", so Schlotterbeck, die den Fußball so brutal macht. Die heiße Atmosphäre erkaltete in Sekunden.
"Das tut extrem weh. Wir sind enttäuscht und sauer. Das müssen wir über die Bühne bringen", sagte Stöger nach dem späten Nackenschlag bei DAZN. "Ich habe das Gefühl, der Fußballgott sah zu uns herunter und dachte sich: Die machen wir heute noch kaputt", sagte der bitter enttäuschte Schlotterbeck laut dem Portal "Tief im Westen" in den Katakomben und schob hinterher: "Ich könnte heulen und ins Bett gehen." Passend zur Stille im Stadion.
Quelle: ntv.de