Hoffnung auf Vernunft der Fans Werder stemmt sich gegen den "Humbug"
18.05.2020, 16:52 Uhr
Trainer Florian Kohfeldt fühlt sich gewappnet für den Abstiegskampf.
(Foto: imago images/Kirchner-Media)
Werder Bremen droht der erste Abstieg aus der Fußball-Bundesliga seit 40 Jahren. Doch Trainer Florian Kohfeldt glaubt fest daran, dass die coronabedingte Spielpause seinem Team gutgetan hat. Das muss sie nun gegen Leverkusen beweisen. Und auch die Fans haben eine wichtige Aufgabe.
Normalerweise kommt der Mannschaftsbus von Werder Bremen kaum durch die Massen vor dem Stadion. Dicht gedrängt stehen Tausende in Grün-Weiß gekleidet am Osterdeich und jubeln ihren Spielern zu. Auch Trainer Florian Kohfeldt erinnerte bei der Spieltags-Pressekonferenz daran: "Die Anfahrt zum Weserstadion ist immer etwas ganz Besonderes, wenn du mit dem Bus in diese Menschenmenge, die Spalier steht, fährst." Nun ist aber in Zeiten von Corona nichts normal - und die Bremer müssen auf diesen Rückhalt verzichten. Ein Verlust im Abstiegskampf. Ein Verlust vor dem Restart des Tabellen-17., der den Fünften Bayer Leverkusen empfängt (20.30 Uhr bei Dazn sowie im ntv.de-Liveticker).
Statt auf Fans freuen sich die Bremer nun auf hoffentlich keine Fans. Nur wenn sich alle an die Maßnahmen halten, sind die laut geäußerten Bedenken und Androhungen von Bremens Innensenator Ulrich Mäurer umsonst gewesen. Der fürchtete, dass sich zahlreiche Fans vor der Arena versammeln könnten, was Werders Geschäftsführer Frank Baumann veranlasste zu sagen: "Ich möchte noch einmal einen klaren Appell an unsere Fans richten, nicht zum Weser-Stadion zu kommen." Er spüre bei den Fans aber auch ein "großes Verantwortungsbewusstsein". Mäurer hatte via "Spiegel" gar damit gedroht, sollten Polizeieinsätze nötig werden, künftige Spiele in Bremen nicht zuzulassen - es wäre das faktische Aus für die Bundesliga.
Bleiben die Bremer brav zu Hause, wie es die Fans anderer Vereine am Wochenende vorlebten, kann Werder weiter gegen den Abstieg kämpfen. Das sei eine "Riesenchance" hatte Kohfeldt betont. Mit einem Sieg könnte der Rückstand auf den Relegationsplatz verkürzt werden - und Bremen kann noch zusätzlich auf das Nachholspiel gegen Eintracht Frankfurt (2. Juni, 20.30 Uhr) bauen.
"Wir sind fitter geworden"
Nun ist ein Sieg gegen den Champions-League-Kandidaten Leverkusen aber alles andere als selbstverständlich. Ein Fakt, von dem sich Kohfeldt keine Angst machen lassen will. Sein Team sei auf die Geisterspiel-Kulisse bestens vorbereitet, Mentalcoach Jörg Löhr habe "eine sehr beeindruckende Sitzung mit der Mannschaft gehalten, in der es um die Fokussierung auf das Spiel, um spezielle Phasen in der Partie, die Kommunikation und die Verantwortung ging", so der Coach. "Es wird einen Effekt für die ersten Spiele haben." Nicht nur der Kopf wurde trainiert, auch die Körper gestählt: "Wir sind fitter geworden und physisch als Mannschaft auf dem besten Stand dieser Saison", lobte Kohfeldt.
Das Team hat es nötig, schließlich fallen mit Davy Klaassen (gelbgesperrt), Ludwig Augustinsson, Ömer Toprak, Kevin Möhwald, Niklas Füllkrug und Claudio Pizarro immer noch zahlreiche Spieler aus. Letzterer laboriert laut "Bild"-Zeitung nicht nur an muskulären Problemen, sondern befindet sich außerdem in häuslicher Quarantäne, weil seine Tochter Antonella positiv auf das Coronavirus getestet worden sein soll. Vom Verein gab es lediglich die Mitteilung, dass ein Spieler betroffen ist.
Kohfeldt setzt nun vermutlich auf Marco Friedl, der Augustinsson auf der linken Abwehrseite ersetzen soll. "Ich habe großes Vertrauen in Marco", bestärkte der Coach den 22-Jährigen. Nach dem Hinspiel (2:2), wo er Karim Bellarabi einfach nicht stoppen konnte, keine perfekte Alternative. Die wäre aber auch Michael Lang nicht, der eigentlich Rechtsverteidiger ist und in diesem Jahr noch nicht eine Minute gespielt hat. Aber es hilft nichts, gegen den Abstieg wird jeder gebraucht. Es wäre der erste nach 40 Bundesliga-Jahren - und das nach einigen Flaute-Saisons. Laut Kohfeldt ein unnötiger: "Ich bin kein Anhänger der These, dass das vielleicht auch mal gut ist, um einen Neuanfang zu starten. Das ist für mich der größte Humbug, den es gibt."
Einfach wird es für den 37-Jährigen und sein Team nicht, das verrät schon ein Blick auf die noch ausstehenden Spiele: nach Leverkusen geht's unter anderem gegen Gladbach, Schalke, Wolfsburg und die Bayern. Doch auch wenn die Lage verzwickt ist, die Verantwortlichen bleiben ruhig. "Florian ist nach wie vor der richtige Trainer für diesen Klub und für diese Situation", sagte Baumann. Werders früherer Manager Willi Lemke ist ebenfalls optimistisch: "Wir waren in einem regelrechten Negativstrudel drin mit neun Heimspielen ohne Sieg. Und jetzt gibt es keine Heim- und keine Auswärtsspiele mehr", sagte er Radio Bremen. Nun, zumindest bei den Heimspielen werden die Bremer aber auch etwas vermissen. Der Bus wird einsam zum Stadion rollen.
Quelle: ntv.de