
Bert Trautmann wurde nach dem Krieg zur Legende.
(Foto: imago/Colorsport)
Der deutsche Torhüter Bert Trautmann wird immer noch auf der Insel verehrt. Im Jahr 2007 wählten ihn die Fans zum besten Spieler aller Zeiten von Manchester City. Doch Trautmann war nicht nur ein begnadeter Keeper - er ist auch durch eine dramatische Geschichte unvergessen. Heute wäre Bert Trautmann 100 Jahre alt geworden.
"Fünf Halswirbel waren ausgerenkt, der zweite glatt durchgebrochen." Es ist immer noch unglaublich, was da am 5. Mai 1956 dem Keeper in Diensten von Manchester City, Bert Trautmann, im Londoner Wembley-Stadion widerfahren ist. Heute wäre der Mann, der in Deutschland lange Zeit in Vergessenheit geraten war und in England immer noch als Star gefeiert wird, 100 Jahre alt geworden. Als er vor zehn Jahren starb, hatte er sich mit Deutschland etwas ausgesöhnt. Mehrere Auszeichnungen hatten den Torhüter, der einst mit einem Genickbruch den englischen Pokal gewann, wieder in das Bewusstsein der Deutschen gebracht.
In einem Interview zu seinem siebzigsten Geburtstag vor dreißig Jahren erzählte Bert Trautmann glücklich, dass ihn "auch die Jungen erkennen", wenn er "durch die Straßen von Manchester bummele". Und das hatte einerseits mit seinen überragenden Leistungen in 508 Spielen für Manchester City zu tun gehabt und andererseits natürlich mit dieser atemberaubenden Geschichte des 05. Mai 1956, die Bernhard Carl, genannt Bert, Trautmann zu einer Fußball-Legende werden ließ. Doch dieser unvergessliche Tag im Mai hatte noch eine Vorgeschichte - die genau ein Jahr zuvor ebenfalls im Wembley-Stadion von London spielte.
"Kein Problem, du bist im Finale dabei"
Damals stand das Team von Trautmann gegen Newcastle United im FA Cup Finale. Eigentlich hätte der deutsche Keeper nicht auflaufen können, weil er sich fünf Tage vor dem Endspiel im Training verletzt hatte. Trautmann hatte mit ein paar Kollegen in Vorfreude auf das Finale herumgealbert und sich bei einer Showparade am Nacken verletzt. Bis zu seinem Tod konnte Trautmann nicht sagen, was er damals genau gehabt hat, aber für ihn stand ab diesem tragischen Moment im Training fest: Das Endspiel wird ohne mich stattfinden - zu schwerwiegend empfand er selbst seine Verletzung. Doch es kam anders. Ein blinder Physiotherapeut ertastete seinen Nacken, massierte ihn und versprach Trautmann am Ende der Behandlung mit voller Überzeugung: "Kein Problem, du bist im Finale mit dabei!"
Und so trat Manchester City an diesem Tage tatsächlich mit Bert Trautmann im Tor an. Ein Risiko, das nicht zu unterschätzen war. Denn damals durften die Teams noch keine Auswechslungen vornehmen. Doch beim Keeper ging alles gut. Ein Mitspieler jedoch musste bereits nach 17 Spielminuten verletzt ausscheiden. Mit nur noch zehn Mann egalisierte City zwar kurz vor der Halbzeit den früheren Rückstand, doch in der zweiten Spielhälfte ließ die Mannschaft von Newcastle United der dezimierten Truppe aus Manchester keine Chance mehr und gewann schlussendlich die Partie mit 3:1.
Nur ein Jahr später stand Manchester City erneut im FA Cup Finale. Dieses Mal hieß der Gegner im Londoner Wembley-Stadion Birmingham City und am Ende entschied das Team aus Manchester die Begegnung mit 3:1 für sich. Doch das Ergebnis spielt in den Geschichten über dieses Endspiel nur noch eine untergeordnete Rolle. Zu spektakulär ist das, was sich an diesem Tag rund um den deutschen Torhüter Bert Trautmann abspielte.
"Gefangen im dunklen Tunnel"
Eine knappe Viertelstunde vor dem Ende der Partie knallte der Keeper von Manchester City mit dem gegnerischen Stürmer Peter Murphy zusammen. Oberschenkel und Knie des Angreifers von Birmingham trafen Trautmann im oberen Bereich der Schulter. Er sank bewusstlos zusammen. Dann rappelte er sich wieder auf, spielte weiter und brach in der Folge noch zweimal für kurze Augenblicke bewusstlos zusammen. Trautmann war die restliche Zeit der Partie, wie er selbst es einmal ausdrückte, in "einem dunklen Tunnel gefangen".
An diese Minuten des Spiels hatte er später keine Erinnerung mehr. Erst wenige Sekunden vor Schluss kam das volle Bewusstsein zurück. Dass er die Begegnung zu Ende spielte, hing wesentlich mit den Ereignissen ein Jahr zuvor zusammen. Damals hatte er seine Verletzung am Nacken, wie er glaubte, selbst auch als viel zu schwerwiegend eingeschätzt. Nun wollte und musste er durchhalten - denn eine Auswechslung wie im letztjährigen Finale gegen Newcastle durfte einfach nicht sein.
Und so spielte Bert Trautmann die Partie nicht nur bis zum Ende durch, sondern holte sich anschließend auf der Tribüne auch noch die Glückwünsche zum Pokalgewinn ab. Auf den Bildern lächelt Trautmann - doch immer wieder fasst er sich an den Nacken. Als Prinz Philipp ihn fragte, wie stark die Schmerzen denn seien, meinte Trautmann grinsend: "Alles nicht so schlimm. Es fühlt sich ein wenig so an wie Zahnweh."
Die nächsten Stunden und Tage nach dem Finale sind in ihrer Dramatik kaum zu überbieten. Am Abend nahm Trautmann am Festbankett teil, fühlte sich aber - verständlicherweise - nicht gut. Als er am nächsten Morgen ins Krankenhaus ging, war es Sonntag und die Ärzte, die Dienst hatten, waren jung und unerfahren. Nach dem Röntgen stellten sie nur eine leichte Sehnenversteifung fest und schickten ihn direkt zum Empfang der Mannschaft.
Ein glücklicher Zufall
Dort traf Trautmann auf seinen Vorgänger im Tor von City, Frank Swift. Im Überschwang der Freude haute ihm der Ex-Keeper auf die Schulter. Bert Trautmanns Körper durchzog ein tiefer Schmerz - doch sein Leiden hatte noch lange kein Ende. Sein Verein schickte ihn zu einem Osteopath und dieser versuchte Trautmanns Wirbel wieder einzurenken. Dem Keeper von Manchester City wurde bei diesem äußerst schmerzhaften Prozedere schwarz vor Augen. Durch einen glücklichen Zufall überredete am Nachmittag desselben Tages ein Bekannter der Familie Trautmann zu einem Besuch einer Privatklinik. Dort wurde festgestellt, dass der Torhüter im Endspiel einen Genickbruch erlitten hatte.
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Noch an Ort und Stelle wurde Bert Trautmann ein Gipskorsett mit Schrauben im Kopf verpasst. Drei Wochen durfte er sich gar nicht bewegen, nach fünf Monaten wurde ihm das Korsett entfernt und bereits nach sieben Monaten stand er für City wieder auf dem Platz. Noch bis 1964 spielte Trautmann für seinen Verein. 2007 wählten ihn die Fans zum besten Spieler aller Zeiten von Manchester City. Die unglaubliche Geschichte des 5. Mai 1956 war für diese Auszeichnung sicherlich nicht ganz unwesentlich.
In Deutschland hingegen hatte ihn die Fußball-Öffentlichkeit über lange Zeit fast vergessen gehabt. Und das lag im Wesentlichen auch daran, dass er nach seiner Zeit in England als Trainer von Preußen Münster und Opel Rüsselsheim sportlich gescheitert war. Danach arbeitete er erst als Autoschlosser, dann wurde Trautmann durch seinen Freund Wilfried Gerhard zum DFB vermittelt. Als Botschafter des deutschen Fußballs tingelte er anschließend durch die Welt und qualifizierte sich sogar mit Birma für die Olympischen Spiele 1972 in München. Als er 2013 starb, sagte der damalige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach über Trautmann: "Er war schon zu Lebzeiten eine Legende. Seine außergewöhnliche Karriere wird für immer in den Geschichtsbüchern bleiben." Heute hätte Bert Trautmann seinen 100. Geburtstag gefeiert.
Quelle: ntv.de