Redelings Nachspielzeit

Schwarze Kasse aufgeflogen Der Skandal, der den Club fast zerstörte

Schatzmeister Böbel wanderte in den Knast.

Schatzmeister Böbel wanderte in den Knast.

(Foto: imago/WEREK)

Vor 30 Jahren stand der 1. FC Nürnberg direkt vorm finanziellen Abgrund. Durch das Auffliegen eines spektakulären Schiedsrichter-Skandals im großen Stil war ein Prozess in Gang gekommen, der nicht mehr zu stoppen war. Der Club hatte über Jahre betrogen - und musste nun das Schlimmste befürchten!

Am 10. Januar 1992 stand für einen Moment die Zeit beim ruhmreichen 1. FC Nürnberg still. Es war der Tag, als beim Club die schwarzen Kassen aufflogen. Am Ende dieser fatalen Abwärtsspirale aus schlechten Nachrichten gelang es dem mehrmaligen deutschen Meister früherer Tage nur mit viel Glück und einigen spendablen Sponsoren, das Schlimmste zu verhindern. Der Lizenzentzug konnte gerade noch abgewendet werden. Doch nicht wenige Fußballfans im Lande fanden die letztendliche Strafe des DFB von 480.000 DM für die fiesen Machenschaften einiger Club-Offizieller als zu milde. Und auch der Trainer des abgestiegenen Bundesliga-Konkurrenten Stuttgarter Kickers, Rainer Zobel, war sauer: "Der Club hat mehr als nur Wettbewerbsverzerrung betrieben. Das grenzt schon an Betrug!"

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Wie richtig Zobel mit seiner Vermutung lag, sollte sich tatsächlich erst wenige Monate später, bereits nach dem Start der Saison 1992/93, herausstellen. Als Polizeibeamte im Oktober 1992 die Geschäftsstelle des 1. FC Nürnberg stürmten, nahmen sie anschließend über 200 Aktenordner mit. Die Razzia, in die alleine sechs Staatsanwälte involviert waren, deckte auf, mit wie viel krimineller Energie die Männer um den ehemaligen Schatzmeister Ingo Böbel über viele Jahre agiert hatten. Böbel wurde schließlich 1993 wegen Veruntreuung und Steuerhinterziehung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

DFB lobte Schatzmeister Böbel

Den Startschuss zur Aufdeckung dieses einzigartigen Betrugsskandals in der Bundesliga hatte ausgerechnet ein ehemaliger Schatzmeister der Nürnberger, Peter Kargs, abgefeuert. Ende 1991 hatte er in einem offenen Brief davon berichtet, dass beim Club alleine in der Saison 1990/91 für die besondere Betreuung der Schiedsrichter an den Spieltagen unglaubliche 174.000 DM geflossen seien. Und als dann am 8. Januar 1992 die "Sport Bild" ihre millionenfach gelesene Zeitschrift groß mit der Schlagzeile "Nürnberger Schiedsrichter-Skandal. Die ersten Beweise" aufmachte, war die losgetretene Lawine nicht mehr zu stoppen. Denn die angekündigten Beweise wurden tatsächlich vollumfänglich geliefert - und warfen viele Fragen auf.

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Sämtliche Schiedsrichter des Clubs bei allen Heim- und Auswärtsspielen der Saison waren mit Annehmlichkeiten überhäuft worden. Dabei waren sogar Geschenke im Wert von bis zu 6835 Mark. Mit Heimtrainern, Sportbekleidung und Kosmetika traten die Männer in Schwarz nach Spielen des 1. FC Nürnberg ihre Heimreise an, nicht allerdings, ohne vorher auch noch fürstlich kulinarisch umsorgt worden zu sein. Dem DFB lagen die Belege schließlich vor und offenbarten einen Skandal, den so niemand in der Liga für möglich gehalten hätte. Doch der Deutsche Fußball-Bund lobte Schatzmeister Ingo Böbel sogar noch für seine "saubere Buchführung" - nicht ahnend, dass bereits kurz darauf klar wurde, dass diese Gelder nicht von regulären Konten des 1. FC Nürnberg stammten. Aus der schwarzen Kasse waren über die Jahre auch Provisionen, Honorare, private Flugreisen und Dinge des täglichen Bedarfs wie Autoreparaturen für die Fußballspieler bezahlt worden.

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Endlich mehr Geld für Schiedsrichter

Denn eins wurde nach dem Auffliegen der schwarzen Kassen und dem Rücktritt des Schatzmeisters auch schnell deutlich: Der 1. FC Nürnberg war hoch verschuldet. Verbindlichkeiten in Höhe von 22 Millionen Mark übertrafen selbst die schlimmsten Befürchtungen von Kritikern der alten Führung. Der neue Schatzmeister Horst Pittroff fasste die Dramatik in diesen nervenaufreibenden Stunden und Tagen mit einer einzigen Frage zusammen: "Habe ich morgen noch das Geld für Löhne und Gehälter?"

Der Club schaffte es schließlich tatsächlich, den DFB von seiner Zahlungsfähigkeit zu überzeugen. Doch das konnte nur gelingen, weil beim ehemaligen Rekordmeister auf vielen Positionen neue Männer am Werk waren. Und das war auch bitter nötig - wie der Ausgang des Prozesses ein Jahr später zeigte. Die Nürnberger Justiz verhängte insgesamt gegen 22 Personen strafrechtliche Sanktionen. Die Mittäterschaft rund um die Machenschaften beim Club war also groß.

Aber auch der DFB zog nach dem Skandal Konsequenzen. Ab sofort war es allen Bundesliga-Schiedsrichtern untersagt, Geschenke der Vereine - und waren sie noch so klein - anzunehmen. Und noch etwas anderes wurde damals angestoßen: Der Verdienst der Unparteiischen sollte deutlich angehoben werden. Schiri-Betreuer Johannes Malka: "Die Schiedsrichter sollten in Zukunft so viel Geld bekommen, damit sie sich selbst ein vernünftiges Abendessen kaufen können." Es sollte allerdings noch einige Jahre dauern, bis die Schiedsrichter in Deutschland von ihrer Arbeit auch tatsächlich leben konnten. Mit der Saison 2012/13 erhielten die Unparteiischen erstmals eine finanzielle Grundsicherung. Zwanzig Jahre nach dem spektakulären Skandal von Nürnberg wurde dies jedoch auch endlich Zeit.

Quelle: ntv.de

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