Redelings Nachspielzeit

Bayerns "Mister Spanferkel" Der rundeste Trainer der Bundesliga-Geschichte

Cajkovski und seine Spieler im Oktober 1965.

Cajkovski und seine Spieler im Oktober 1965.

(Foto: imago/Horstmüller)

Saison 1965/66: "Ball rund, Stadion rund, ich rund". Für Bayerns Trainer Tschik Cajkovski war die Welt in Ordnung - solange seine Mannschaft gewann und er genug auf dem Teller hatte. Der kleine, lustige Jugoslawe, der den FC Bayern in die Bundesliga brachte, war eine echte Attraktion der Liga!

"Kleines, dickes Müller schießen schneller, als Tschik denken kann." Eigentlich war es als Kompliment gedacht, was Bayerns Trainer Tschik Cajkovski da über seinen neuen Stern am Stürmerhimmel sagte, doch Gerd Müllers Ehefrau Uschi war hörbar sauer: "Klein und dick? So eine Herabsetzung. Und das vom Tschik mit seinem Kugelbauch." Der Mann war damals Mitte der sechziger Jahre eine echte Bereicherung für die Bundesliga.

Sätze wie er sprach kaum einer in den Anfängen: "Die Torhüter spinnen alle ein bisschen. Ich kannte mal einen, der schrieb einen Brief deshalb langsam, weil er wusste, dass seine Mutter nur langsam lesen konnte." Die Welt des kleinen, lustigen Jugoslawen war leicht zu beschreiben. Mit seinen eigenen Worten hörte sie sich so an: "Ball rund, Stadion rund, ich rund".

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Mit ihm stiegen die Bayern 1965 in die Bundesliga auf und feierten ihre ersten großen Siege. Die Erfolge in München wollte sich Tschik, spitzfindig wie er ist, gleich veredeln lassen. Er buhlte um die Ehrenbürgerschaft. Als der Oberbürgermeister neugierig bei Cajkovski nachfragte, warum ihm denn diese Auszeichnung so wichtig sei, erhielt er eine überraschende Antwort: "Habe gehört, Ehrenbürger müssen keine Steuern zahlen." Tschik war für sein ausschweifendes Erzähltalent bekannt. Einmal berichtete er seinen Bayern-Profis von einem Länderspiel gegen Ungarn: "Ich spielen gegen Puskás, der bekommen keinen Stich! Leider Ungarn 2:0 gewinnen!" Als Gerd Müller vorsichtig nachfragte, wer denn die Tore geschossen habe, erklang eine sehr leise, fast beleidigt klingende Antwort aus dem Munde von Cajkovski: "Puskás!"

Zwei Trainer kaufen nichts im Kaufhaus

Ein anderes Mal erzählte er seiner Mannschaft: "Ich gespielt 22 Jahre, nie verletzt." Wenig später stieß seine Frau Rada zur Runde hinzu. Sie setzte sich zu ihrem Mann und fragte, ohne zu wissen, was dieser kurz zuvor gesagt hatte: "Weißt du noch, Tschik, wie du deinen Fuß vier Monate in Gips hattest?" Die Spieler klopften sich vor Lachen auf die Schenkel. Eine der herausragenden Eigenschaften von Cajkovski war der Ehrgeiz. Franz Beckenbauer erzählte gerne mit einem breiten Grinsen im Gesicht von den Tagen mit Tschik: "Beim abschließenden Trainingsspiel hörte er nie auf, bis die Mannschaft, in der er mitwirkte, gewonnen hat: 'Bis in Nacht, spielen auf Sieg!'"

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Richtig zufrieden war der jugoslawische Trainer aber vor allem beim Essen. Nicht umsonst taufte ihn Torwart Sepp Maier wegen seiner übergroßen Leidenschaft für die kulinarischen Genüsse des Lebens "Mister Spanferkel". Sepp Maier erklärte: "Niemand störte sich daran, dass er beim Essen immer etwas schmatzte. Und wenn er mit seinem Teller in Rekordzeit fertig war, prompt aufstand und wie ein hungriger Hund um unsere Teller strich, wussten wir schon, was als Nächstes kam. 'Hmm, riecht gut. Was isst du denn da? Pommes frites.' Und schon hatte er sich mit seinen dicken Wurstfingern eine ordentliche Portion vom Teller eines Langsam-Essers gefischt. 'Schmeckt das Fleisch?', war die nächste Frage, die er sich dann handgreiflich selbst beantwortete."

Seine größte Leidenschaft war aber der Fußball. Als Cajkovski einmal den Coach der Sechziger, Max Merkel, zufällig im Kaufhaus traf, quatschten sie eine lange Weile angeregt über das runde Leder. Nach über einer Stunde gingen beide nach Hause - und hatten ihre Einkäufe komplett vergessen.

Die Saison des TSV 1860 München

Und genau auf ebendiesen Max Merkel traf Tschik Cajkovski auch in seiner ersten Bundesliga-Partie als Bayern-Coach - als es gleich in der ersten Minute der neuen Saison zu einem echten Paukenschlag kam. Beim Derby der frisch aufgestiegenen Münchner Bayern gegen 1860 schoss Timo Konietzka den Neu-Bayern-Profi Pitter Danzberg aus kurzer Distanz k.o. Und während der Münchner noch am Boden lag, spielte Konietzka Drescher elegant aus, zog an Beckenbauer vorbei und traf unhaltbar für Sepp Maier ins Tor. 1:0 für 1860 München in der 1. Minute der neuen Saison.

Doch das Duell Konietzka gegen Danzberg war noch nicht beendet. In der 85. Minute streckte der Bayern-Spieler den Torschützen des ersten Treffers der Saison so unsanft nieder, dass dem Schiedsrichter nichts anderes übrigblieb, als den Neueinkauf der Bayern vom Platz zu verweisen. Das Spiel endete in jeglicher Beziehung 1:0 für den TSV. Ein Start nach Maß also für die Sechziger. Und es sollte die Saison des TSV 1860 München und seines Trainers Max Merkel bleiben.

Der österreichische Coach war ohne Frage der Mann der Spielzeit. Merkel wurde endgültig zum medialen Star, der es wie kaum ein anderer verstand, die Bühne Bundesliga für sich zu nutzen. Seine Sprüche wurden von Journalisten geschätzt und von den Fußballfans geliebt: "Ich fühle mich wie ein Dompteur, der in der Manege mit der Peitsche schnalzt. Kehrt er seinen Raubtieren auch nur für einen Moment den Rücken zu - schon greifen sie mit der Tatze nach ihm. Auch Fußballer brauchen die Peitsche. Und wenn es geklappt hat, bekommen sie von mir ihr Zuckerl."

Europapokalsieg kostet Dortmund die Meisterschaft

Merkel blieb seiner Linie im Alltag stets treu, auch wenn es manchmal weh tat. Er musste seinen treffsicheren Stürmer Rudi Brunnenmeier schweren Herzens während der laufenden Saison suspendieren, weil dieser das strikte Verbot "Barbesuche nur von samstags bis montags" missachtete. Der Durst beim Rudi war mal wieder größer gewesen als die Vernunft.

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Das Duell an der Spitze hieß bis kurz vor Schluss Borussia Dortmund gegen 1860 München und wurde erst entschieden, als der BVB den Europapokal der Pokalsieger gegen Liverpool gewann. Plötzlich hatte die Mannschaft ein Problem, wie Aki Schmidt einmal selbstkritisch erzählte: "Gegenüber war 'ne Kneipe, da war immer was los. Ich bin gar nicht mehr zur Ruhe gekommen. Die ganze Feierei hat uns die Meisterschaft gekostet. Wir spielten noch zu Hause gegen 1860. Hätten wir gewonnen, wären wir Meister geworden. So wurde es 1860."

Als einer der wenigen ahnte der österreichische Meistercoach, dass dieser Triumph ein ganz besonderer war: "Es gibt Titel, da kommst du mit ins Buch der Rekorde. Meine Meisterschaft mit den Sechzigern zum Beispiel. 100 Jahre vorher war da nix, 100 Jahre danach wird da wohl nix sein." Was damals allerdings noch niemand ahnen konnte, war, dass der gerade erst frisch aufgestiegene Neuling aus München, der FC Bayern, unter seinem Trainer Tschik Cajkovski langsam aber sicher die Grundlage für eine Erfolgsgeschichte legen sollte, die in 60 Jahren Bundesliga ihresgleichen suchen würde.

Quelle: ntv.de

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