
Oberschiedsrichter Johannes Malka (r.) warb damals für die Zeitstrafe.
(Foto: imago sportfotodienst)
Vor vierzig Jahren soll zum Start der Saison 1983/84 eine Regeländerung den deutschen Fußball revolutionieren. Die Zeitstrafe ist eigentlich schon beschlossen, um auf dem Platz die "Hitzköpfe zu beruhigen" - doch dann hagelt es Kritik. Und auch die Idee von der Lila Karte kann sich nie durchsetzen.
"Meiner Meinung nach sind die Schiedsrichter jetzt hoffnungslos überfordert." Braunschweigs Präsident Johannes Jäcker bewies vor vierzig Jahren mit seiner handfesten Kritik eine feine Nase. Als der DFB im Winter 1982 unter kuriosen Umständen eine weitreichende Regeländerung beschlossen hatte, hagelte es sofort Gegenstimmen. Und tatsächlich: Eigentlich sollte zur neuen Spielzeit 1983/84 die Zeitstrafe in der Fußball-Bundesliga eingeführt werden - doch dann wurde sie in allerletzter Sekunde wieder zurückgezogen.
Die Idee hinter der Regeländerung war vermutlich gar nicht einmal schlecht, denn ein Platzverweis für zehn Minuten sollte die Zahl der Roten Karten begrenzen und den Schiedsrichtern mehr Handlungsmöglichkeiten geben. Obmann Johannes Malka vom Deutschen Fußball-Bund meinte damals: "Das soll eine Zwischenstufe zwischen der Gelben und Roten Karte sein. Unsere Schiedsrichter vermissten zwischen der Verwarnung und dem Ausschluss eine Sühne für mittelschwere Fälle." Doch davon wollte Braunschweigs Jäcker nichts wissen: "Jetzt haben sie den ohnehin schon allmächtigen Schiedsrichtern noch mehr Macht gegeben." Malka war jedoch vom Sinn und Zweck der neuen Regel überzeugt: "Die Zeitstrafe ist das beste Mittel, Hitzköpfe beizeiten zu beruhigen."
Im Winter 1982 hatte man sich auch bereits Gedanken darüber gemacht, wie die neue Strafe bekannt gemacht werden sollte. Im DFB-Wortlaut hieß es: "Zusätzlich zur mündlichen Bekanntgabe gegenüber dem betroffenen Spieler hat ihn der Schiedsrichter durch Heben eines Armes und zweimaliges Ausstrecken der fünf Finger anzuzeigen." So ungewöhnlich wie die Idee war auch die Abstimmung über den "Platzverweis auf Zeit". Sie fand unter äußerst kuriosen Umständen unter den Klubpräsidenten statt. Sieben Vereinsvorsitzende stimmten damals bei der Abstimmung dafür, sechs dagegen, drei enthielten sich, einer war bei der Sitzung nicht anwesend, und - Obacht! - Bielefelds Präsident Dr. Jörg auf der Heyde verließ direkt vor der Abstimmung kurz den Raum. Seine Begründung im Anschluss an die Wahl sorgte nicht nur bei den Pressevertretern für Erheiterung: "Ich musste mal ganz dringend aufs Örtchen."
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Sein Fehlen - er wollte eigentlich dagegen stimmen - ließ den Antrag schließlich erfolgreich passieren. Die Kritik an dem Beschluss war jedoch innerhalb der Bundesliga sofort sehr groß und kam von allen Seiten. Professor Heinrich Heß, Mannschaftsarzt der Nationalmannschaft, sah ein medizinisches Risiko vor allem im Winter: "Ein erhitzter Spieler, der bei zehn Grad unter Null aussetzt und dann wieder ins Spiel zurückkommt, riskiert Zerrungen und Risse der Muskeln." Lauterns "Walz von der Pfalz" Hans-Peter Briegel meinte augenzwinkernd: "Dann müssen wir wohl mit einem Ofen aufs Spielfeld gehen." Und HSV-Trainer Ernst Happel sah sogar schwarz für seinen Klub: "Zurzeit führen wir bei den Gelben Karten schon die Tabelle an, weil wir besonders auswärts für einige Schiedsrichter ein rotes Tuch sind. Wenn wir mit den Zeitstrafen genauso verfolgt werden, muss ich unser offensives Pressing durch Mauerspiel ersetzen." Zum Glück für die Liga und alle Kritiker blieb am Ende alles beim Alten. Doch das Thema schwelt seit diesen Tagen im Winter 1982 im Hintergrund immer weiter. Ganz losgelassen hat die Zeitstrafe den DFB nie.
Übrigens: Es gab noch eine andere irre Idee, die nie umgesetzt wurde. Tatsächlich sollte es im deutschen Fußball einmal eine Lila Karte geben. Der Gedanke dahinter war, dass man kleinere Vergehen zwar mit einem Platzverweis bestraft - aber diese automatisch keine Sperre für ein weiteres Spiel nach sich ziehen sollte. Doch auch diese Idee wanderte schließlich wieder in die tiefen Schubladen des DFB an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt.
Quelle: ntv.de