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Auf dem Weg zum WM-Titel? Warum die aktuelle Kritik am DFB-Team Schwachsinn ist

Julian Nagelsmann will Weltmeister werden - und was wollen Sie?

Julian Nagelsmann will Weltmeister werden - und was wollen Sie?

(Foto: IMAGO/ActionPictures)

Wie wir jetzt wissen: Deutschland ist im Viertelfinale gegen den späteren Turniersieger Spanien ausgeschieden. Und dieses Aus war denkbar unglücklich! Dennoch schießen Experten wie Oliver Kahn und Berti Vogts gegen das DFB-Team - und damit weit übers Ziel hinaus!

In den letzten Tagen haben die ehemaligen Nationalspieler Berti Vogts und Oliver Kahn zum Teil deutliche Kritik an der deutschen Nationalelf von Julian Nagelsmann geäußert. Insbesondere der frühere Bundestrainer und Europameister-Coach von 1996, Berti Vogts, will mal wieder alles im deutschen Fußball in Frage stellen. Doch seine Worte kommen zu einer Unzeit. Denn das Gefühl, dass bei der Europameisterschaft endlich wieder einmal ein deutsches Team auf dem Rasen gestanden hat, das potenziell auch die Möglichkeit gehabt hätte, den Titel zu holen, kam ja nicht von ungefähr - sondern war das Ergebnis eines ausgeklügelten Prozesses und einer Idee. Gescheitert ist dieses DFB-Team letztendlich an etwas anderem.

Doch zurück zur Kritik von Vogts und Kahn. Es sind die typischen Rufe, die nach titellosen Turnieren der deutschen Nationalmannschaft, fast stereotyp erfolgen. So monierte Berti Vogts in seiner Kolumne in der "Rheinischen Post": "Wir dürfen nicht mehr nur ein Fußballland sein, wir müssen wieder eine große Fußball-Nation werden. Darum muss sich der DFB fragen: Was läuft bei uns falsch?" Ebenso wie Oliver Kahn fordert der frühere Bundestrainer den Blick über den Tellerrand, hin zu anderen Nationen ("… so wie es uns die Engländer vormachen …", Oliver Kahn), die vermeintlich alles so viel besser machen als die deutsche Nationalmannschaft. Vogts stellte sogar die steile These auf, dass "Spanien, Frankreich und England" mit ihren Nationalteams "an uns vorbeigezogen" seien.

Forderungen aus der Mottenkiste

So sehr man Berti Vogts zustimmen mag, dass es nach dem relativ frühen Aus im Viertelfinale gegen den späteren Turniersieger Spanien an der "nötigen Kritik" bei den "Experten und in den Medien" gefehlt habe - insbesondere das Vercoachen des Bundestrainers Nagelsmann in der ersten Hälfte und möglicherweise der fehlende Mut in der Verlängerung mit der Hereinnahme von Waldemar Anton wären sicherlich in der Tat Ansätze zur genaueren Auseinandersetzung gewesen -, so falsch sind die vermeintlichen Lösungen, die Vogts präsentiert: "Wir brauchen dringend echte Praktiker, Spieler, die auf internationalem Niveau aktiv waren und dabei erlebt haben, wie Fußball ist."

Unabhängig davon, dass die Kritik natürlich ein versteckter Frontalangriff auf Julian Nagelsmann ist, der selbst erst die Tage zugegeben hatte, dass er - wegen mangelnder Spieler-Erfahrung auf höchstem Niveau - hier und da Rat bei seinem Co-Trainer Sandro Wagner sucht, sind das Forderungen aus der Mottenkiste, die immer wieder neu als Allheilmittel hervorgeholt werden, wenn es gerade einmal vermeintlich nicht so läuft im deutschen Fußball. Solche "Ideen" sind allerdings genauso verklärt und - pardon - Schwachsinn, wie ein Satz des ehemaligen Bundestrainers, der über die Zeit und Mannschaft der Weltmeister von 1974 erst neulich sagte: "Wir haben nicht Fußball gespielt wegen der Kohle, sondern weil wir Spaß hatten." (Für die Spätgeborenen: Im Mannschaftslager in Malente gab es damals Abreisedrohungen der DFB-Kicker, weil Prämienforderungen zuerst nicht erfüllt worden waren.)

Der Plan steht: Mit "Matchglück" zum WM-Titel

Oliver Kahn hatte noch gemeint: "Es fehlt uns dieser Instinkt, dieses Killer-Artige, wirklich den Sack zuzumachen, gnadenlos zuzuschlagen, so wie es uns die Engländer vormachen und zeigen: Sie brauchen nicht viele Chancen." Auch wenn im Kern an dieser Aussage tatsächlich etwas - vor allem aber in der Vor-Nagelsmann-Ära - dran ist, darf man den früheren Nationalkeeper Kahn nach dem Finale in Berlin sicherlich dennoch fragen: Wo genau war dieses "Killer-Artige" bei den Engländern denn im Endspiel gegen Spanien, als sie es in der Schlussphase der Partie dringend benötigt hätten?

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Natürlich war nicht alles gut bei der deutschen Nationalmannschaft bei dieser EM. Und dass ausgerechnet im entscheidenden Viertelfinale Julian Nagelsmann wieder, wie oben beschrieben, zum Experimentieren neigte, war sicherlich nicht förderlich, wie man an der Verunsicherung der Mannschaft in den ersten 45 Minuten gesehen hat. Doch was letztlich den Unterschied in diesem Spiel gegen Spanien ausmachte, war etwas anderes. Es war etwas, dass man "Matchglück" nennt. In den entscheidenden Momenten der Partie gegen den neuen Europameister fehlte der deutschen Nationalmannschaft diese eine Wendung des Schicksals, die das Spiel in die andere Richtung gelenkt hätte. Denn schlechter als Spanien, so auch der allgemeine Tenor der Experten, war die DFB-Elf an diesem Tag insgesamt nicht.

Und genau darauf müssen Nagelsmann und sein Team und die Mannschaft in den nächsten Wochen und Monaten aufbauen. Wenn die Zeit des Experimentierens weiterhin der Vergangenheit angehört und man sich auf ein festes Korsett mit festen Positionen verlässt, dann kann dieses Team reifen. Und wer weiß? Wenn dann noch, wie bei früheren Turnieren, auch wieder das Glück im entscheidenden Moment der deutschen Elf unter die Arme greift, ist alles möglich. Und ja, lieber Julian Nagelsmann: Auch der bereits fest anvisierte WM-Titel 2026 in Kanada, Mexiko und den USA!

Quelle: ntv.de

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