Bisher recht einsamer Luxus An die Apple Vision Pro kann man sich gewöhnen


Mit der Apple Vision Pro ist ein virtueller Ausflug auf den Mond ein Vergnügen.
(Foto: kwe)
Die Vision Pro ist ein faszinierendes Stück Technik, das wieder mal beweist, dass Apple Dinge besser machen kann als andere, die dies schon länger tun. Es macht einen Riesenspaß, die Brille zu nutzen und man gewöhnt sich schnell daran. Doch vorerst bleibt es ein recht einsames Vergnügen.
Seit rund zwei Monaten ist die Apple Vision Pro auch in Deutschland erhältlich. Ein Test, um herauszufinden, was sie kann, geht schnell und wie andere war auch ntv.de in den ersten Tagen begeistert von dem faszinierenden Stück Technik. Aber wie lange hält diese Begeisterung an? ntv.de hat die Vision Pro rund vier Wochen lang fast täglich getragen, um herauszufinden, ob Apples mindestens 4000 Euro teure Computerbrille auch alltagstauglich ist.
Eine visuelle Wucht

Wer eine Sehschwäche hat, kann optische Einsätze von Zeiss nutzen, die ab 115 Euro zu haben sind.
(Foto: kwe)
Die Begeisterung für die visuellen Fähigkeiten der Vision Pro ist auch nach einem Monat noch da. Die Qualität des 4K-Bildes vor Augen ist beeindruckend gut. Das gilt vor allem, wenn man die Brille als Wohnzimmerkino nutzt und eine riesige virtuelle Leinwand aufspannt. Viele Apps sind kompatibel, unter anderem kann man auf der Vision Pro Inhalte von RTL+ genießen.
Das größte Vergnügen sind 3D-Filme à la Avatar und Apples "Umgebungen". Das sind Landschaften, in denen man sich mittendrin befindet und umschauen kann. Das ist teilweise atemberaubend, oft wunderschön, manchmal bezaubernd, aber nicht immer superscharf. Mit offenem Mund betrachtet man auch 180-Grad-Filme. Dabei kann man zwar nicht nach hinten blicken wie in "Umgebungen", aber man hat trotzdem fast das Gefühl, die Welle mitzusurfen, auf einem Seil über einem gewaltigen Abgrund zu balancieren oder zwischen Haien zu tauchen.
Nach einem Monat hat man sich zwar nicht sattgesehen, aber man merkt, dass bei solchen Inhalten die Auswahl noch ziemlich begrenzt ist. Trotzdem findet man immer wieder 3D-Angebote, da sie nicht auf Apples Mixed-Reality-Brille beschränkt sind, sondern großteils auch auf anderen VR-Brillen funktionieren. An Beispielen konnte ntv.de außerdem sehen, dass immersive Sportübertragungen ein Riesending werden könnten.
Es ist auch möglich, mit einem iPhone 15 Pro (Max) Videos für die Vision Pro aufzunehmen. Sie sehen gut aus, solange man schnelle Bewegungen vermeidet. Geschmeidiger sind Clips, die man mit der Brille selbst dreht. Bei beiden Varianten gibt es aber noch Luft nach oben.
Sehr gelungene Steuerung
Was das Immersive, also gewissermaßen das Eintauchen in solche Inhalte betrifft, macht Apple einen fantastischen Job. Das liegt neben dem Bild vor allem an den Ohrhörern, die links und rechts im Bügel untergebracht sind. Sie haben einen großartigen (3D-) Klang und machen die Illusion fast perfekt.
Stark ist auch, wie man über die digitale Krone an der Oberseite den Grad der Immersion stufenlos regeln kann. Das heißt, man kann die Umgebung komplett ausblenden oder so weit durchlassen, wie man möchte. Und hier kommen wir zu einem anderen Bereich der Vision Pro, der typisch Apple-gut ist.
Denn wer denkt, die Steuerung der Brille sei kompliziert, irrt sich gewaltig. Das hat man schon nach wenigen Minuten drin und nach ein paar Stunden beherrscht man die Bedienung des Geräts aus dem Effeff. Denn neben der Krone gibt es an der Brille nur noch eine weitere Taste, die überwiegend für Foto- und Videoaufnahmen da ist.
Ansonsten wählt man mit den Augen aus, tippt, zieht oder vergrößert mit Daumen und Zeigefinger. Die Hände können dabei ganz locker auf den Beinen ruhen, die eingebauten Kameras erfassen sie auch dort. Die Finger lassen sich auch in verschiedenen kompatiblen Apps nutzen, um zu zeichnen, 3D-Körper zu drehen et cetera.
Das Betriebssystem visionOS und die Benutzeroberfläche sind okay, haben aber keinen Wow-Effekt, man kann unter anderem nichts anpassen oder gar Ordner erstellen. Für den Anfang ist das jedoch erst mal genug.
Präzise genug zum Tippen
Die Art der Steuerung könnte schlimm sein, würde sie nicht perfekt funktionieren. Aber Apple hat hier eine erstaunliche Präzision hinbekommen. Und für das Tippen längerer Texte steht eine virtuelle Tastatur zur Verfügung, die man wie geöffnete Fenster in die gewünschte Entfernung ziehen kann. Dabei sieht man seine Hände so gut, dass man auch problemlos mit dem Zwei-Finger-Suchsystem schreiben kann.
Möchte man das nicht, koppelt man einfach eine physische Tastatur mit der Brille. Im Test klappte das sogar mit einem uralten Keyboard eines Herstellers, den es schon nicht mehr gibt. Und schließlich gibt’s ja noch Siri, der man einen Text diktieren oder andere Aktionen nach einem Sprachbefehl durchführen lassen kann.
Apropos koppeln: Man kann anwesende Menschen zwar nicht mit in 3D-Erlebnisse nehmen, aber man kann mit jeweils vier Blicken und Fingergesten ein MacBook oder iPad sekundenschnell verbinden und das Gesehene in 2D teilen. Ebenso einfach ist es, die Vision Pro als Mac-Display zu nutzen. Setzt man die Immersion auf den geringsten Wert, ist es auch problemlos möglich, auf der Tastatur des Computers zu tippen - falls man das nicht ohne Hinsehen hinbekommt.
Ich schau dir in die Augen, Kleines!
Man kann zwar nicht wirklich durch die Brille sehen - das geschieht über ihre Kameras, aber anwesenden Personen wird der Eindruck vermittelt, sie anzublicken. Dazu zeigt die Vision Pro die abgefilmten Augen auf der Außenseite an, wenn sie bemerkt, dass man angeschaut wird. Das wirkt allerdings ein wenig gruselig.
Ähnlich verhält es sich, wenn man für Facetime-Chats seinen Avatar verwendet, den man mit den Kameras der Vision Pro einscannt, indem man sich die Brille vors Gesicht hält. Gesten werden dabei erstaunlich gut übernommen, speziell Mundbewegungen, aber man wirkt dabei etwas geisterhaft.
Riesiges kooperatives Potenzial
Ein Riesenspaß ist es, mit anderen Vision-Pro-Nutzern Facetime-Chats zu führen. Nicht nur, weil man sich nicht gruselig fühlt, wenn andere auch als gespenstisch realistische Avatare auftreten. Man kann sich auch in virtuellen Räumen auf die Pelle rücken oder gemeinsame Projekte besprechen und bearbeiten. Dabei ist es sogar möglich, geteilte Objekte zu "berühren" und zu verändern.
Das ist neben allem Spaß vermutlich die Zukunft der Vision Pro und ähnlicher Geräte. Aber in der Gegenwart passiert das bisher nicht wirklich. Denn wer hat schon eine Vision Pro? Und die wenigen Menschen, die eine Apple-Brille haben, sind nicht unbedingt Leute, die man kennt oder mit denen man gar zusammenarbeitet. Das ist enorm schade, denn eine Test-Sitzung hat ntv.de ahnen lassen, was bei virtueller Zusammenarbeit alles möglich sein könnte.
Schon realistischer ist, die Vision Pro als Büro zu nutzen, denn man kann verschiedene Bildschirme mit unterschiedlichen Programmen im Raum verteilen. Multitasking war nie einfacher und effektiver! Schade, dass sich bisher Arbeitsanordnungen nicht abspeichern lassen.
Spielen macht mit der Vision Pro ebenfalls großen Spaß, speziell, wenn die Games 3D sind. Dazu kann man beispielsweise auch einen Playstation-Controller koppeln. Wie bei Filmen ist das Angebot bislang aber nicht allzu üppig, richtig coole Spiele wie die djay-App, in der man virtuell seine Lieblingsplatten auflegen kann, sind noch rar.
Ausdauernd, aber schwer
Während im Laufe der Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit Inhalte hinzukommen und es auch mehr richtig gute Apps geben wird, bleibt neben ihrem hohen Preis ein je nach Kopfform mehr oder weniger gewichtiger Nachteil der Vision Pro: Sie ist mit rund 650 Gramm ziemlich schwer. Anfangs fühlt sie sich zwar noch sehr bequem an, aber spätestens nach einer halben Stunde fängt sie an zu drücken und hinterlässt auch entsprechende Spuren im Gesicht. Nutzt man statt dem einfachen, das umständlichere Dual-Band, ist die Vision Pro jedoch auch über einen längeren Zeitraum relativ angenehm zu tragen.
Die Laufzeit der externen Batterie hat sich als kein Problem erwiesen. Sie hält alleine bis zu etwa zweieinhalb Stunden durch und sie kann über ihren USB-C-Anschluss auch während des Betriebs geladen werden - unterwegs beispielsweise mit einem Akkupack.
Fazit
Die Apple Vision Pro ist eine enorm leistungsfähige Computerbrille, die vieles besser als bisherige Geräte ihrer Art macht. Die Steuerung ist ein Meisterwerk, visuell und akustisch ist sie eine Pracht. Es gibt zwar schon einige spannende Anwendungen für sie, die ihr ganzes Potenzial erahnen lassen, aber Apps und Inhalte, die die Vision Pro ausreizen, sind noch viel zu rar für ein Gerät, das mindestens 4000 Euro kostet.
Neben dem enorm hohen Preis ist aber wahrscheinlich ihr größtes Manko, dass es bisher noch zu wenige von ihr gibt. Denn der kreativen und produktiven Kooperation im virtuellen Raum gehört die Zukunft, und man kann nur ahnen, was auf diesem Gebiet mit der Vision Pro alles möglich ist.
Quelle: ntv.de