Urlaub und Gratis-Auto dazu Autobauer liefern sich irre Rabattschlacht in China
21.04.2023, 16:13 Uhr Artikel anhören
Lockangebot von Toyota: Kauf ein Elektroauto und bekomme einen Verbrenner gratis dazu.
(Foto: PR Toyota)
Auf dem chinesischen Automarkt tobt ein nie dagewesener Preiskrieg. An die 40 Hersteller aus China und dem Ausland buhlen um Käufer: Von Camping-Zubehör bis zu 60 Prozent Nachlass ist alles drin. Wer durchhalten will, braucht "finanzielle Feuerkraft".
Auf dem größten Automarkt der Welt tut sich Kurioses. Seit Monaten geht es zu wie auf einem Basar: Um Käufer zu ködern, wird gelockt, gefeilscht und keinesfalls gegeizt. Autobauer und Händler überbieten sich mit immer neuen Angeboten. Selbst Rabatte von umgerechnet mehreren Tausend Dollar sind bei einem Autokauf inzwischen keine Seltenheit mehr.
Die Autohändler seien verzweifelt, schreibt die "New York Times". Und bereit, zum Äußersten zu greifen: Für eine Probefahrt gibt es ein Parfüm. Beim Kauf dann umsonst Campingzubehör dazu. Auch ein kostenloser Urlaub soll schon mal abgefallen sein. Im Extremfall - wie bei Toyota - sogar gratis ein Verbrennerauto. Frei nach dem Motto: Kauf eins und du bekommst zwei.
Es dürfte ein Novum im Autohandel sein. Der Zeitung gegenüber wollte Toyota die Aktion zwar nicht bestätigen. Doch im Internet finden sich auf Anhieb eine ganze Reihe Werbeanzeigen, die beim Kauf eines bz4x bis zum 31. März mit einem Gratis-Verbrenner der Toyota-Marke Vio als Dreingabe locken. Auch Dongfeng-Nissan ist so auf Käuferfang gegangen - nicht alle dieser Aktionen sind allerdings seriös.
Der Grund für die PR-Schlacht der Superlative liegt im schrumpfenden chinesischen Automarkt. Die Autoverkäufe sind im Januar und Februar im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um fast ein Fünftel zurückgegangen. Viele Verbraucher verzichten angesichts der unsicheren Wirtschaftsaussichten auf große Anschaffungen. Dazu sind lukrative Subventionen im Dezember ausgelaufen, sodass andere Käufer wiederum die Investition in einen Neuwagen vorgezogen haben. Als zusätzlicher Kaufbeschleuniger dürfte eine bevorstehende Neufassung der Abgasnormen gewirkt haben, die im Juli in Kraft treten wird. So oder so, die Folge ist dieselbe: Der weltgrößte Absatzmarkt ist satt, die Absätze fallen in ein Loch.
Den Stein losgetreten hat Tesla. Was als schlichte Preissenkung Ende 2022 und Anfang 2023 auf dem am schnellsten wachsenden E-Automarkt der Welt begann, ist zu einem Massenphänomen geworden und inzwischen sogar jenseits der Grenzen Chinas zu spüren. Erst am Mittwoch kündigte der US-Autopionier eine neue Rabattaktion für Model 3 und Model Y in den USA an - die sechste in Folge.
Am wildesten tobt der Preiskrieg jedoch in der Volksrepublik. Hier kämpfen mittlerweile mehr als 40 ausländische wie inländische Autobauer verbissen um die größten Stücke vom einst stattlichen Kuchen. Die Preisnachlässe reichen von mehreren Hundert Dollar für billigere Modelle bis zu Zehntausenden von Dollar für höherwertige Modelle. Kaum ein Autobauer - egal, ob Elektroschmiede oder Verbrenner-Hersteller - will offenbar riskieren, als Verlierer aus der Preisschlacht hervorzugehen: Ford bietet kräftige Rabatte und Sonderangebote für E-Autos. GM und der Hersteller von Citroën gehen mit den Preisen für ihre Verbrenner-Autos herunter.
Auch die Joint Ventures von Volkswagen sind mit dabei: FAW-Volkswagen bietet den ID.4 Crozz und ID.6 Crozz in China nach einem Bericht des Portals CN EV Post mit umgerechnet rund 5400 Euro Rabatt an. Und SAIC-Volkswagen hat den ID.4 X, ID.6 X und ID.3 um rund 4000 Euro billiger gemacht. Bei BMW sind die Preisnachlässe laut CN EV Post sogar noch höher: Wer eine Elektrolimousine i3 kauft, spart demnach ganze 13.500 Euro.
Und auch die zahllosen chinesischen E-Autobauer - allen voran BYD, der größte Hersteller des Landes, und Changhan Automobile - lassen sich nicht lumpen. Mit Rückendeckung der Provinzregierung von Hubei bietet Chinas Dongfeng Motor sage und schreibe Rabatte von bis zu 13.000 US-Dollar auf einige Autos an. Der benzinbetriebene Citroën C6, der von einem Joint Venture von Dongfeng mit dem Jeep-Hersteller Stellantis gebaut wird, kostet in China nur noch 40 Prozent des Listenpreises.
Chinas Automarkt ist so groß wie Europa und USA zusammen
Wenn es sich lohnt, auf einem Automarkt Biss zu zeigen, dann in China: Im Jahr 2023 rechnen Experten immer noch mit insgesamt rund 24 Millionen PKW-Verkäufen, rund drei Prozent mehr als im Vorjahr. Damit würden in China etwa so viele Autos verkauft werden wie in EU und USA zusammen.
Insbesondere die etablierten ausländischen Autobauer, die zu lange auf die Verbrenner-Technologie gesetzt haben, tun sich in diesem Markt, der sich weltweit am schnellsten hin zur E-Mobilität wandelt, jedoch besonders schwer. Die Verkäufe benzinbetriebener Autos sind im Vergleich zum Vorjahr um etwa 30 Prozent in die Knie gegangen. Autos mit alternativen Antrieben, zu denen auch Plug-in-Hybride gehören, verzeichneten im Januar und Februar dagegen einen Zuwachs von 23 Prozent zum Vorjahr.
Bei Elektromobilität haben die Chinesen schlicht die Nase vorn. Rund 300 einheimische Hersteller von E-Autos tummeln sich im Land. Angesichts des Elektro-Booms wundert es deshalb nicht, dass rund die Hälfte der Autoverkäufe in China im vergangenen Jahr auf einheimische Marken entfiel. Tesla ist die einzige ausländische Marke unter den meistverkauften E-Modellen im Land.
Den Volkswagen-Konzern, der ganz massiv auf China setzt, betreffen die tektonischen Verschiebungen in der Autoindustrie besonders hart: Nach jahrzehntelanger Vorherrschaft auf dem weltgrößten Automarkt der Welt wurde VW diese Woche vom einheimischen Automauer BYD vom Thron gestoßen. Das dürfte reichlich Anlass bieten, in der Rabattschlacht noch eins draufzusetzen. Eine neue Software mit der in China vermissten Karaoke-Funktion dürfte nicht ausreichen, verlorene Marktanteile zurückzugewinnen.
Chinesische Autobauer in Not - kommt die Konsolidierung?
"Es ist eine verzweifelte Aktion, die sich auch noch ein Jahr hinziehen kann", sagt der China-Experte Gregor Sebastian von Merics ntv.de. Im Schnitt liege der Preis für chinesische Autos in Deutschland bereits zwei bis drei Mal höher als in China. Koste das Einstiegsmodell Atto von BYD beispielsweise in China unter 20.000 Euro, sind es in Europa über 40.000 Euro.
"Wer in der Rabattschlacht mithalten will, muss es sich vor allem leisten können," so Sebastian. Die größten Probleme hätten die kleinen chinesischen Startups, "denen fehlt das Geld, die Preisschlacht durchzustehen". Sie reduzierten ihre Preise deshalb auch längst nicht so radikal wie die großen ausländischen Platzhirsche, die das Geld hätten, "für Marktanteile auf Margen zu verzichten". Die deutschen Autobauer waren im vergangenen Jahr höchst profitabel. Deshalb hätten sie die "finanzielle Feuerkraft" und gute Chancen, verlorene Marktanteile zurückzugewinnen und damit im Rennen zu bleiben.
Elon Musk hat die Strategie als Erster für sich entdeckt und entschieden weiterzumachen: Um die Nachfrage nach seinen E-Autos anzukurbeln, will er die Preise noch weiter senken. Er habe gute Gründe dafür, sagte er. Tesla könne Preissenkungen finanziell standhalten - damit habe sein Unternehmen auch die Oberhand über die Konkurrenz.
Der chinesische Autoverband hat bereits Alarm geschlagen. "Ein Preiskampf ist keine langfristige Lösung", schrieb der chinesische Verband der Automobilhersteller bei WeChat. Die Produzenten sollten vielmehr härter an Technologie und Markenbildung arbeiten und lokale Regierungen an "angemessenen Methoden", um die Wirtschaft zu stabilisieren und zu fördern.
Auf offene Ohren ist die Botschaft nicht gestoßen. Auch die Regierung in Peking hat sich bislang nicht zu protektionistischen Maßnahmen durchgerungen, um die heimischen Autobauer zu unterstützen. Der hohe finanzielle Einsatz könnte sich für die westlichen Autobauer, die in China ins Hintertreffen geraten sind, möglicherweise lohnen. Die letzten in der E-Revolution wären dann die ersten.
Quelle: ntv.de