BYD überholt VW in China "Chinesische Autos sind teils besser als westliche"
18.04.2023, 17:19 Uhr Artikel anhören
BYD zeigt seine neuesten Modelle bei der Automesse in Shanghai, die am Dienstag startete.
(Foto: AP)
Die Marke VW ist in China nicht länger der Platzhirsch. Der chinesische Konkurrent BYD verkauft inzwischen mehr Neuwagen in der Volksrepublik als die Wolfsburger, und zwar elektrische. Wie die deutschen Autobauer ihre starken Konkurrenten aus China wieder einholen könnten, erklärt Branchenexperte Stefan Bratzel im Interview mit ntv.de. Er leitet das Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.
ntv.de: Der chinesische Autobauer BYD hat in China im ersten Quartal mehr Fahrzeuge verkauft als der bisherige Marktführer VW. Die Kernmarke der Wolfsburger wurde damit zum ersten Mal seit den 80er Jahren überholt. Warum kaufen chinesische Kunden inzwischen lieber Autos aus China?
Stefan Bratzel: Die chinesischen Autobauer wurden seit Jahren bei der Elektromobilität und Vernetzung immer besser und innovativer. Chinesische Autos unterscheiden sich kaum noch von den westlichen, sind zum Teil sogar besser. Das sieht man dann irgendwann auch in den Absatzzahlen. Und China ist der globale Leitmarkt der Elektromobilität, der im Unterschied zum Gesamtmarkt dynamisch wächst. Neben BYD gibt es mehrere innovationsstarke chinesische Hersteller, die sich untereinander beobachten und gegenseitig zu Höchstleistungen anheizen: Geely, Polestar, SAIC und Xpeng.
Was macht BYD so erfolgreich?
BYD bietet bereits viele Elektromodelle an, die bei wesentlichen Punkten wie Reichweite und Verbrauch sehr stark sind. Auch deshalb, weil BYD eine sehr integrierte Wertschöpfungskette hat, von der Batteriezellproduktion bis zum Fahrzeugbau. In der Elektromobilität muss man die wesentlichen Wertschöpfungsdimensionen kontrollieren, um innovativ zu sein. Die Batteriezelle ist bei BYD seit vielen Jahren ein Innovationsfeld. Die deutschen Autobauer haben erst vor Kurzem angefangen, sich mit dem Thema intensiv zu beschäftigen.
Hinken die deutschen Hersteller auch hinterher, weil sie keine reichweitenstarken Hybride im Portfolio haben?
Chinesische Plug-in-Hybride haben teils sehr hohe Reichweiten. Das liegt auch an der Ladeinfrastruktur, die in ländlichen Regionen nicht immer top ist. Wir glauben aber, dass sich die Hybride mit hohen Reichweiten nicht langfristig durchsetzen, weil sie sehr komplex sind. Dadurch sind die Gesamtkosten sehr hoch. Außerdem müssen auch Hybride die strenger werdenden Emissionsstandards erfüllen. Im ersten Quartal 2023 haben die Plug-in-Hybride einen Neuzulassungsanteil von 28 Prozent an allen elektrischen Fahrzeugen, über 70 Prozent sind also reine Stromer. Hybride sind somit nicht das Hauptthema.
Sondern rein elektrische Autos?
Genau. Insbesondere bei rein batterieelektrischen Fahrzeugen sind die Chinesen enorm stark und bieten in verschiedensten Fahrzeugsegmenten Modelle an. Nicht nur ganz kleine, die VW gar nicht baut. Die chinesische Modellpalette geht mittlerweile so in die Breite, weil chinesische Hersteller seit Jahren sehr stark auf batterieelektrische Mobilität gesetzt haben - natürlich vor dem Hintergrund der starken staatlichen Förderung. Das zeigt sich nun in hohen Elektrozulassungen.
Was bedeutet das für VW? Die Niedersachsen verkaufen ja fast 40 Prozent ihrer Neuwagen in der Volksrepublik, sind also sehr abhängig von ihrem größten Einzelmarkt.
VW muss unbedingt sein Elektro-Produktportfolio schnell erweitern. Zweitens müssen gleichzeitig die Kosten sinken. Denn Tesla hat bereits ein enorm gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und wird es noch verbessern. Das muss auch Volkswagen abdecken. Diese Kombination ist natürlich eine doppelte Herausforderung: innovativ zu sein und neue Produkte mit hohen Reichweiten und schnellen Lademöglichkeiten zu entwickeln und gleichzeitig die Kosten zu senken. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Branche in eine Konsolidierungsphase kommt. Nicht alle Hersteller werden das in den nächsten zwei, drei Jahren mitgehen können. Die Margen werden anfangs etwas sinken, deshalb muss auch die Produktion günstiger werden.
Können die deutschen Autobauer nochmal zur chinesischen Konkurrenz aufholen?
Die Chinesen werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der Autoindustrie spielen. Das heißt aber nicht, dass die Deutschen keine Chance haben. Sowohl bei BMW als auch Mercedes gewinnt die Elektromobilität an Fahrt. Aber die deutschen Hersteller müssen noch mehr Druck auf die Leitung bringen.
Was müssen sie neben innovativeren Modellen und günstigeren Preisen noch schaffen?
Auch die Prozesse müssen innovativer werden, indem beispielsweise in der Batterie günstigere Materialien zum Einsatz kommen. Dazu gehören aber auch neue Geschäftsmodelle: ein Ökosystem der Elektromobilität, Ladeinfrastruktur, bidirektionales Laden und Ähnliches. Dass ich zum Beispiel künftig mit meinen VW Geld verdienen kann, wenn ich etwas von meiner Batteriekapazität abgebe. Und VW verdient dann auch daran. Solche Geschäftsmodelle müssen die deutschen Hersteller schnell entwickeln.
Wie hilfreich ist dabei, dass die FDP die Möglichkeit zu E-Fuels auf EU-Ebene durchgedrückt hat?
Alles, was von diesen Innovationen ablenkt, führt dazu, dass andere das Spiel gewinnen können. Wir müssen uns auf die Zukunftsthemen stürzen und dürfen uns nicht in Nebenkriegsschauplätzen verlieren. Sonst wird nicht nur die Marke VW, sondern auch der VW-Konzern demnächst überholt.
Welcher deutsche Hersteller ist am ehesten in der Lage dazu, an die Elektro-Spitze zu fahren?
Bei den Premiumherstellern Mercedes, BMW und Audi mache ich mir weniger Sorgen, weil dort die Kosten keine so große Rolle spielen. Sie sind auch bei den Vernetzungsthemen nicht schlecht. Allerdings haben auch die Premiumhersteller im Elektrobereich neue Wettbewerber aus China wie Nio, zusätzlich zu Tesla. Bei den Elektro-Neuzulassungen hinken die deutschen Hersteller auch im Premiumbereich deutlich hinterher.
Kann VW dann bei elektrischen Mittelklasse- und Kleinwagen eine große Rolle in China spielen?
Sie müssen, insbesondere im Mittel- und Kompaktsegment, sonst verschwinden sie als Volumenhersteller irgendwann vom Markt. Das weiß man auch bei Volkswagen, deshalb wurden die besten Leute jetzt nach China geschickt. Ex-Konzernchef Herbert Diess hat viele richtige Ziele gesetzt, aber die Umsetzung hat man ein bisschen vernachlässigt. Das hängt nun auch auf dem zentralen Markt China nach. Wichtig ist aber auch der US-amerikanische Markt, da muss VW unbedingt stärker werden. Bei den weltpolitischen Turbulenzen, die wir gerade in China erleben, gibt es ein großes Verwundbarkeitsrisiko. VW verkauft ja 40 Prozent seiner Neuwagen in China und muss sich deshalb unabhängiger aufstellen. Das heißt nicht, dass man aus China raus muss, aber man muss Vorkehrungen treffen, um flexibel zu sein, wenn sich die Lage verschärft.
Was halten Sie vom neuen ID.7, den VW gerade vorgestellt hat?
Er hat ein paar schöne Features, und 700 Kilometer Reichweite sind gut. Ich sehe gute Chancen, dass VW mit diesem Modell auch global Marktanteile gewinnen kann. Nun kommt es auf den Preis an - wenn ein tolles Fahrzeug zu teuer ist, kauft es trotzdem nicht jeder. Die Kunden werden den ID.7 mit dem Wettbewerb vergleichen und schauen, was sie für ihr Geld kriegen.
Mit Stefan Bratzel sprach Christina Lohner
Quelle: ntv.de