Bürgergeld hat kaum Einfluss Deutschland integriert Ukrainer mittelmäßig in Arbeitsmarkt
17.07.2024, 13:48 Uhr Artikel anhören
Der aus der Ukraine stammende Andrey Babemko packt Pakete an einer Sortieranlage im Hermes Logistikzentrum im brandenburgischen Ketzin.
(Foto: picture alliance/dpa)
Mehr als eine Million Ukrainer flüchten nach Deutschland. Wer kann, soll arbeiten - das fordert die Politik. Einige verknüpfen eine Debatte ums Bürgergeld damit. Zu Unrecht, wie sich zeigt. Denn in einem Vergleich europäischer Staaten sind ganz andere Faktoren entscheidend.
Soziale Transferleistungen haben einer vergleichenden Untersuchung der Arbeitsmärkte in den EU-Staaten zufolge kaum Einfluss auf die Beschäftigungsquote von Geflüchteten aus der Ukraine. Bedeutend sind hingegen Faktoren wie soziale Netzwerke von Ukrainerinnen und Ukrainern in den jeweiligen Ländern, das allgemeine Niveau englischer Sprachkenntnisse der örtlichen Bevölkerung und die Kinderbetreuungsinfrastruktur, wie aus der Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht.
Die IAB-Forscher haben die Beschäftigungsquoten ukrainischer Geflüchteter in den verschiedenen EU-Ländern untersucht. Am höchsten sind die Quoten demnach in Litauen (57 Prozent), Dänemark (53 Prozent) und Polen (48 Prozent). In Deutschland liegt die Quote mit 27 Prozent im europäischen Mittelfeld. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Betrachtung der in der deutschen Debatte häufig angeführten Höhe sozialer Transferleistungen ergebe jedoch nur "einen kleinen und statistisch nicht signifikanten Zusammenhang". Länder wie Finnland, Norwegen, Rumänien und Spanien verzeichnen mit weniger als 20 Prozent die niedrigsten Quoten.
Kitas, Gesundheit, soziales Netz
Wichtig ist hingegen, wie gut die Geflüchteten sozial vernetzt sind: "Länder mit einem höheren Anteil ukrainischer Staatsangehöriger an der Bevölkerung - auch bereits vor dem Krieg - weisen höhere Beschäftigungsquoten aus", erklärten die Forscher. "Auch ausgeprägte Englischkenntnisse in der Bevölkerung beeinflussen die Beschäftigungsquoten positiv, wahrscheinlich weil sie die Kommunikation und damit auch die Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern", erklärte IAB-Forscherin Kseniia Gatskova.
"Länder mit hoher Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräften verzeichnen höhere Beschäftigungsquoten", sagt IAB-Bereichsleiterin Yuliya Kosyakova, die selbst aus der Ukraine stammt. Diese Jobs erforderten weniger sprachliche und andere Voraussetzungen und könnten schneller besetzt werden.
Da viele der Ukraine-Flüchtlinge Frauen mit Kindern sind, sind außerdem die Beschäftigungsquoten in Ländern mit guter Kinderbetreuungsinfrastruktur, wie etwa Dänemark oder die Niederlande, höher. Gleiches gilt für die Gesundheitsversorgung: "Mit einem umfassenden Zugang zu Gesundheitsleistungen gehen steigende Beschäftigungsquoten einher", erklärten die Forschenden.
In Deutschland hemmt den Ergebnissen zufolge auch der Fokus auf das Erlernen der deutschen Sprache die Arbeitsaufnahme vieler Geflüchteter. Negativ bewerten die Arbeitsmarktexperten dies jedoch nicht: Die Erfahrungen mit den zwischen 2013 und 2019 Geflüchteten hätten gezeigt, dass umfassende Integrationsansätze "mittel- und langfristig die Beschäftigungswahrscheinlichkeit und die Nachhaltigkeit der Arbeitsmarktintegration erhöhen", erklärte IAB-Forscherin Theresa Koch.
Seit Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine sind nach Angaben der Bundesregierung mehr als eine Million Menschen aus dem Land nach Deutschland geflohen - häufig Frauen mit ihren Kindern. Im April waren laut Bundesregierung 135.000 von ihnen in Deutschland erwerbstätig. 112.000 waren im Juni noch in einem Integrationskurs, der vor allem auf das Erlernen der deutschen Sprache abzielt.
Quelle: ntv.de, als/AFP/dpa