Gründe für Optimismus beim Klima "Noch ist nicht alles verloren"


Auch wenn es längst nicht genug ist, in den vergangenen Jahren wurde bereits viel erreicht.
(Foto: picture alliance / blickwinkel/R. Rebmann)
In der Klimakrise sind die Aussichten düster: Extremwetter und verfehlte Klimaschutzziele bestimmen die Schlagzeilen. Warum die bisherigen Bemühungen trotzdem nicht umsonst waren, zeigt eine neue Studie in fünf Punkten, die Hoffnung machen.
Wenn es ums Klima geht, jagt meist eine Hiobsbotschaft die nächste: Extreme Hitzewellen, Dürren, Starkregen, Stürme. Gleichzeitig scheint das Ziel des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, kaum noch zu erreichen. Vor diesem Hintergrund kann man schnell in einen Fatalismus verfallen: Warum sich noch bemühen, wenn es ohnehin nichts bringt?, mag sich der ein oder andere fragen. Und: Sollten wir einfach aufgeben? Nein, sagt das New Climate Institute - und liefert fünf Gründe für Klima-Optimismus.
"Angesichts zahlreicher globaler Krisen, wachsender geopolitischer Spannungen und zunehmender Desinformationskampagnen ist es wichtig, nicht nur darüber nachzudenken, was nicht geschehen ist, sondern auch darüber, was in den letzten zehn Jahren erreicht wurde", heißt es in der neuen Studie des New Climate Institute. Der Fokus liege "ausdrücklich auf den positiven Veränderungen". Der Bericht erkenne an, dass diese "nicht ausreichen, uns dorthin zu bringen, wo wir sein müssen". Aber: "Sie erinnern uns daran, dass noch nicht alles verloren ist."
1. Bewusstsein und ziviles Engagement: Ein globales Erwachen
Einer der auffälligsten Trends ist laut den Forscherinnen und Forschern das gewachsene Bewusstsein für den Klimawandel. In der Öffentlichkeit habe die Klimakrise anders als vor einigen Jahren inzwischen einen "zentralen" Platz, heißt es. Menschen fühlten sich von der Krise direkt stärker betroffen. Durch verstärkte Medienberichterstattung, Bildungsinitiativen und die unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels ist das Thema demnach in den Mittelpunkt des öffentlichen und politischen Diskurses gerückt.
Zudem bewertet das Forschungsteam die Fortschritte bei den Attributionswissenschaften als wichtigen Erfolg. Die Attributionswissenschaft untersucht die Zusammenhänge zwischen Klima und extremen Wetterbedingungen - beispielsweise inwieweit der Klimawandel für Dürren, Hochwasser oder Hitzetote verantwortlich ist. Das ermögliche auch Gerichtsprozesse für Klimaschutz. Klimaproteste und soziale Bewegungen hätten darüber hinaus an Stärke gewonnen, was zu einem erhöhten Druck auf Regierungen und Unternehmen führe, umweltfreundlichere Maßnahmen zu ergreifen. "Zumindest prinzipiell scheinen die Menschen bereit, beim Klimaschutz zu handeln, selbst wenn es sie finanziell belastet", schreiben die Experten.
2. Politische Visionen und Ziele: Der Weg zur Dekarbonisierung
Auch bei den politischen Visionen und Zielen sehen die Forschenden Fortschritte: Das Ziel einer vollständig dekarbonisierten Wirtschaft stieße weltweit auf Akzeptanz - noch vor wenigen Jahre sei das undenkbar gewesen. Inzwischen hätten sich Länder, Regionen und Städte ambitionierte Netto-Null-Emissionsziele gesetzt, die einen Paradigmenwechsel in der Klimapolitik markierten. An der Umsetzung der Pläne mangele es aber noch, räumt das Wissenschaftsteam ein. Die Ziele müssten nun mit konkreten Maßnahmen untermauert werden.
Positiv sei jedoch, dass ein globaler Ausstieg aus den fossilen Energien ernsthaft diskutiert werde. Bei den Berechnungen für das Temperaturziel für 2100 sei die Welt seit 2015 um ein ganzes Grad vorangekommen: Inzwischen führten die Planungen der Welt zu einer Erwärmung von 2,7 Grad, im Vergleich zu den prognostizierten 3,6 bis 3,9 Grad zu Zeiten des Pariser Abkommens. Die optimistischsten Schätzungen gehen sogar davon aus, dass 1,7 Grad möglich wären.
3. Investoren und Unternehmen: Wachsender Druck zum Handeln
Das Thema gewinnt der Studie zufolge auch in der Wirtschaftswelt an Bedeutung. Angetrieben vom gesellschaftlichen Druck erkennen Investoren und Unternehmen die Klimakrise zunehmend "als Bedrohung für ihre Geschäftsmodelle und Anlageportfolios". Die Offenlegung von Klimadaten durch Unternehmen ist inzwischen allgemein üblich und in vielen Fällen sogar gesetzlich vorgeschrieben.
Auch die Chancen für grüne Jobs und einen Umbau der Industriestruktur würden viel deutlicher in den Vordergrund treten als noch vor wenigen Jahren. "Jeder Investor und jedes Geschäftsfeld fühlt den Druck, beim Klima zu handeln", heißt es in dem Bericht. Viele Unternehmen bereiteten daher Klimapläne vor - allerdings gäbe es dabei auch viel Greenwashing.
4. Energieversorgung: Der Aufstieg erneuerbarer Energien
Vor mehr als zwei Jahrzehnten waren laut dem Forschungsteam erneuerbare Energien, insbesondere Solar- und Windenergie, mit hohen Ausgaben verbunden. Seitdem seien die Kosten viel schneller gesunken, als man vorhergesagt hatte - bei Solar-, Onshore- und Offshore-Windkraft sogar um 60 bis 90 Prozent. Heute seien "erneuerbare Energien der neue Normalfall", die in vielen Teilen der Welt wettbewerbsfähig sind. Der Ausstieg aus den Fossilen - vor wenigen Jahren noch nicht diskutiert - sei inzwischen eine Frage des "wann, nicht des ob".
5. Elektrifizierung und Industrie: Fortschritte in Schlüsselsektoren
Als letzten Punkt nennt die Studie die Elektrifizierung im Verkehr und der Industrie, welche erhebliche Fortschritte in den letzten Jahren gemacht hat. Bei Elektroautos und Wärmepumpen gebe es weltweit einen Boom. Zudem arbeiteten alle Industriezweige an Strategien für null Emissionen - auch dort, wo CO2-Reduktionen nur schwer zu erreichen seien, wie etwa beim Stahl. Anders als zuvor "versteckten" sich diese Branchen mit großem CO2-Rucksack nicht mehr hinter der Energiebranche, die zuerst dekarbonisieren solle - sondern suchten selbst nach Wegen und Lösungen.
"Wir müssen uns also schneller bewegen"
Die Ergebnisse des New Climate Institute sollen Hoffnung im Kampf gegen den Klimawandel machen. Denn die fünf Mutmacher-Punkte zeigen: "Veränderung ist möglich und kann unerwartet passieren - angestoßen durch neue Akteure (die globale Jugend) und neue Strategien (Klimaklagen), die Regierungen und Unternehmen zum Handeln drängen." Im letzten Jahrzehnt hätten sich viele Dinge "in die richtige Richtung bewegt".
Allerdings beschleunige sich gleichzeitig die Klimakrise immer mehr und drohe den erreichten Fortschritt zunichtezumachen: "Wir müssen uns also schneller bewegen", mahnen die Forscherinnen und Forscher. Mit weiteren Anstrengungen könnte eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad noch erreichbar sein. Dafür müsse man "das Unmögliche denken, neue Allianzen finden und die ganze Gesellschaft hinter dieser Aufgabe versammeln."
Quelle: ntv.de