Eine Erfolgsgeschichte Zehn Jahre Luchs im Harz
21.04.2010, 10:54 UhrEs hat geklappt: Die Raubkatzen haben das Mittelgebirge für sich erobert. Rund 180 Jahre lang war der Luchs aus dem Harz verschwunden. Bauern hatten ihn gnadenlos verfolgt.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren im Harz die letzten Luchse erschossen worden.
(Foto: dpa)
Wären Luchse weniger scheu, könnten Wanderer heute fast überall im Harz auf die Tiere treffen. Zehn Jahre nach Beginn des einzigartigen Wiederansiedlungsprogrammes haben die Raubkatzen das gesamte Mittelgebirge für sich erobert. "Viele Luchse haben den Harz inzwischen auch verlassen und sich andere Lebensräume gesucht", sagt Ole Anders, der bei der Nationalparkverwaltung Harz für das Projekt verantwortlich ist. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander spricht von einer "deutschlandweit einmaligen Erfolgsgeschichte".
Rund 180 Jahre lang war der Luchs aus dem Harz verschwunden. Die letzten Exemplare waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts erschossen worden. Bauern und Schäfer hatten die Raubkatze gnadenlos verfolgt.
Verzehr eines Rehs pro Woche
Auch als in den 1990er Jahren über die Wiederansiedlung diskutiert wurde, führten die Gegner ins Feld, der Luchs werde Schafe, Ziegen, Gänse und Hühner in Massen erbeuten. Obwohl die Landesjägerschaft das Projekt von Beginn an befürwortete, bangten viele Jäger im Harz um den Wildbestand in ihren Revieren. Luchse fressen im Schnitt ein Reh pro Woche.
Anfang 2000 entschied die Landesregierung nach jahrelanger Debatte: Der Luchs kommt zurück. Nach und nach wurden 24 Raubkatzen ausgewildert. Sie stammten aus Wildparks und wurden in einem speziellen Gehege auf das Leben in Freiheit vorbereitet. Es dauerte nicht lange, dann stellte sich Nachwuchs ein. "Bereits im Jahr 2002 wurden die ersten Jung-Luchse in freier Natur geboren", erinnert sich Projekt-Leiter Anders. Bis heute erblickten im Harz mindestens 70 kleine Pinselohren das Licht der Welt.
Luchse wandern ab
Wie viele Luchse heute im Harz leben, vermag Anders allerdings nicht zu sagen. Ein erheblicher Teil der Jungtiere überlebt das erste Jahr nicht, vielleicht wurden auch mehr geboren als bislang bekannt. Zudem sei eine nicht genau bekannte Anzahl an Tieren abgewandert.
Richtung Norden gelangte ein Luchs bis in den Elm bei Braunschweig, ein anderer wurde bei Alfeld geortet. Über den Solling und durch das Weserbergland seien womöglich sogar Raubkatzen bis in den Raum Bielefeld gewandert, sagt Anders. Auch im Eichsfeld und im Raum Göttingen gibt es besiedelte Luchs-Reviere.
Richtung Osten fehlt der Wald
Eine Raubkatze aus dem Harz lebt inzwischen in den hessischen Wäldern südlich von Kassel. "Das ist ganz sicher", sagt Anders. Denn es handele sich um "M2", eins von insgesamt vier Tieren, die mit einem GPS-Senderhalsband ausgestattet wurden. Auch im nördlichen Thüringen ist der Luchs inzwischen heimisch. Nur Richtung Osten kommen die Raubkatzen nicht voran. "Dort fehlt der Wald."
Mindestens 17 Tiere sind seit dem Start des Projektes ums Leben gekommen. Sie wurden von Autos oder Zügen überfahren. Andere starben an Krankheiten wie der Fuchsräude oder bei Rivalenkämpfen.
Trotz der Verluste lebt im Harz inzwischen eine stabile Population. Freilassungen sind deshalb schon seit 2006 nicht mehr nötig. Ole Anders sieht das Wiederansiedlungs-Projekt inzwischen als akzeptiert an. Die Raubkatzen hätten nur in sehr wenigen Fällen Haustiere gerissen.
Für Menschen nicht bedrohlich
Für Menschen gibt es aus seiner Sicht überhaupt keine Gefahr. In zehn Jahren habe es keinen einzigen Angriff eines Luchses gegeben. "Noch nicht einmal eine Bedrohung."
Für den Tourismus im Harz sind die Luchse inzwischen ein echter Faktor. Zum Schaugehege des Nationalparks bei Bad Harzburg strömen jedes Jahr Zehntausende von Besuchern. Auch die Landesjägerschaft stehe nach wie vor "voll hinter dem Projekt", sagt Sprecher Florian Rölfing. Die örtliche Jägerschaft im Harz habe die Raubkatze inzwischen ebenfalls akzeptiert.
Quelle: ntv.de, Von Matthias Brunnert, dpa