Unterhaltung

"Sexistisch und frauenfeindlich" Frau "Dr. Sommer" geht auf "Bravo" los

Die "Bravo" gestern und (fast) heute: Wofür steht das Jugendmagazin mittlerweile?

Die "Bravo" gestern und (fast) heute: Wofür steht das Jugendmagazin mittlerweile?

(Foto: picture alliance / dpa)

Die "Bravo", einst stolzes Jugend-Leitmedium, hat es nicht leicht: das Internet verschlafen, sinkende Auflagen, Bedeutungsverlust. Das Magazin sucht nach Auswegen aus der Misere. Doch die sind "peinlich" - sagt ausgerechnet "Dr. Sommer".

Schuld ist das Internet. Nicht nur, weil die "Bravo" in den generellen Abwärtsstrudel mit hinein geraten ist, der die Print-Medien im Online-Zeitalter nach unten zieht. Sondern auch, weil ausgerechnet das Jugendmagazin es verpennt hat, sich rechtzeitig im Medium der nachwachsenden Generationen zu etablieren. In der althergebrachten Print-Logik des altehrwürdigen Bauer-Verlags gefangen, dümpelte die "Bravo" ewige Zeiten im Netz vor sich hin. Die Folge: Statt bei "Bravo.de" holen sich die Kids ihre Informationen zu den Stars und Sternchen heute eher bei "Promiflash". Und wo und wie sie sich aufklären lassen, wollen wir mal gar nicht so genau wissen.

"Kann ich in der Badewanne schwanger werden?" Dr. Sommer weiß Rat.

"Kann ich in der Badewanne schwanger werden?" Dr. Sommer weiß Rat.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die gedruckte "Bravo" aber befindet sich im freien Fall. Hatte sie noch um die Jahrtausendwende eine Auflage von locker mehr als einer Million Exemplaren, wird das Heft inzwischen kaum noch häufiger als 250.000 Mal gedruckt. Dass die tatsächlichen Verkaufszahlen noch um Einiges darunter liegen, versteht sich von selbst. Zu Jahresbeginn 2015 zog der Verlag die Notbremse - und stellte die seit Jahrzehnten geltende wöchentliche Erscheinungsweise auf 14-tägig um. Begründet wurde dies - natürlich - als toller Wandel des Magazins zum "hochwertigen Premium-Produkt". In Wahrheit aber ging es - ebenso natürlich - darum, die Traditionsmarke noch irgendwie am Leben zu erhalten - anstatt bei ihr die Lichter auszuknipsen.

Immerhin: Die Talfahrt scheint nun erst einmal gebremst. In den vergangenen Monaten konnte sich die "Bravo" wieder über eine leicht steigende Auflage freuen. Das könnte natürlich mit der umgestellten Erscheinungsweise zusammenhängen. Oder damit, dass mittlerweile Selfmade-YouTube-Stars beinahe genauso viel Raum in der Zeitschrift eingeräumt wird wie den klassischen Musik-, TV- und Kino-Stars. Oder liegt es vielleicht daran, dass das Blatt mittlerweile mit reichlich plumpen Methoden auf Leser-Fang geht?

"Meiner Wahrnehmung nach das Letzte"

Jutta Stiehler lässt kein gutes Haar mehr an der "Bravo".

Jutta Stiehler lässt kein gutes Haar mehr an der "Bravo".

(Foto: imago/Lumma Foto)

Das findet jedenfalls keine Geringere als Jutta Stiehler. Sie war 16 Jahre lang quasi "Dr. Sommer", ehe sie im Zuge von Sparmaßnahmen im Frühjahr 2014 von der "Bravo" vor die Tür gesetzt wurde. Den Aufklärer "Dr. Sommer" gab es als Person natürlich nie wirklich - die Diplom-Sozialpädagogin Stiehler leitete stattdessen ein Team von Mitarbeitern, das die drängendsten Fragen der Jugendlichen zu Liebe, Sex und dem Erwachsenwerden beantwortete.

"Was seit einiger Zeit in 'Bravo' geschieht, ist überwiegend sexistisch und frauenfeindlich", lässt die Pädagogin im "Stern" kein gutes Haar am aktuellen Zustand des einstigen Jugend-Leitmediums. "Das sieht man auch an den Foto-Lovestorys: Die Darstellung der Menschen ist einfach nur dämlich", holt sie weiter aus und ergänzt: "Es gibt kein Frauenbild bei 'Bravo', das ich gutheißen würde. Früher gab es männliche Chefredakteure, die hätten sich nie getraut, so sexistisch zu sein."

Salz in die Wunde

Schwere Geschütze, die Stiehler da gegen ihre Ex-Redaktion auffährt, die früher einmal wohl eine ähnliche Institution in Sachen Aufklärung war wie in den 60er und 70er Jahren der Filmemacher Oswalt Kolle. Zwar habe die "Bravo" nie einen Erziehungsauftrag beansprucht, sondern immer nur unterhalten wollen, so Stiehler im "Stern". "Aber die Art wie es geschieht, nach dem Motto 'Sex sells', das ist meiner Wahrnehmung nach das Letzte. Wenn die Auflage sinkt, müssen wieder mehr Nackte sein", erklärt sie - und legt abermals nach: "Im Moment habe ich den Eindruck, ist es nicht für Jugendliche. Das ist was, von dem Erwachsene meinen, dass Jugendliche es toll finden. Immer anzüglich. Immer peinlich."

Nur eine Retourkutsche der ihres fiktiven Doktor-Titels beraubten Pädagogin an ihren ehemaligen Arbeitgeber? Oder ist an den Vorwürfen doch mehr dran? Das möge jeder selbst beurteilen - die "Bravo" gibt es für schlappe 1,80 Euro am Kiosk. Jedenfalls trifft Stiehler mit ihrer Kritik ins Mark einer Diskussion, die erst vor wenigen Tagen aufgeflammt war. Da hatte sich die "Bravo" einen munteren Shitstorm eingehandelt, weil sie Mädchen Flirttips gab, die ungefähr dem Frauenbild aus Vorkriegszeiten entsprachen. Das tat sie übrigens online. Immerhin soweit ist das Magazin im Internet-Zeitalter angekommen.

Quelle: ntv.de

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