Für Freiheit und Frieden Leslie Mandoki erinnert an die Zukunft


Nachdenklich in Budapest ...
(Foto: Red Rock Production)
Heute veröffentlicht Musikproduzent und Schlagzeuger Leslie Mandoki sein neues Album "A Memory Of Our Future". Wie nicht schwer zu erraten ist, geht es dem Mastermind der Soulmates um nicht weniger als - alles!
Ein Besuch im Studio am Starnberger See. Ich fotografiere ein paar Fans mit ihren Handys, die in der Straße stehen - und entweder auf den Mann warten, den ich gleich besuchen werde, oder zu Peter Maffay wollen, der neben Leslie Mandoki arbeitet. Ich bin entzückt über die Aussicht: Blick auf den Starnberger See, die Alpen im Hintergrund, das Wasser glitzert, es ist noch frisch.
Das Tonstudio eines Musikers zu betreten, hat etwas Heiliges. Ich weiß es zu schätzen: Schalter, Regler, Knöpfe, Kabel - ein Universum für sich. Und am Ende kommt dann ein Album raus - nach wie vor faszinierend. In Leslie Mandokis Fall heißt es "A Memory Of Our Future" und vereint in der "Super-Band" der Soulmates Koryphäen wie Jethro-Tull-Frontmann Ian Anderson, Gitarrenvirtuose Al Di Meola, Startrompeter Till Brönner, Supertramp-Saxofonisten John Helliwell und viele andere Top-Musiker.
Ein Liebesbrief, mit Füller
Am 8. März veröffentlichte Produzent, Schlagzeuger und Mastermind Mandoki bereits "Blood in the Water" - und wie nicht schwer zu erraten ist, geht es dem 71-Jährigen um nicht weniger als – alles! Mandoki und seine Mitstreiter sind wie immer zeitgemäß und auf höchstem musikalischen Niveau unterwegs, setzen neue Maßstäbe und gleichzeitig schaffen sie es, ein Album von enormer gesellschaftspolitischer Relevanz zu erschaffen. Mandoki selbst sagt: "Das ist meine Musik, wie ein mit Füller geschriebener Liebesbrief", und zwinkert mir aufmunternd zu, denn es ist kühl im Studio. Deswegen machen wir uns ein paar warme Gedanken – etwas, was der vor über 50 Jahren aus seiner Heimat geflohene, gebürtige Ungar übrigens ständig zu tun scheint.
Nicht nur über Musik, sondern vor allem über das Leben, die Gesellschaft, die Zukunft macht er sich Gedanken. Und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass es nur noch wenige Musiker gibt, die es schaffen, ihre Message so vehement zu vertreten wie er. In einer Reihe mit Udo Lindenberg ("Der hat mich damals in seine bunte Republik Deutschland aufgenommen") und Vordenkern wie Jean-Michel Jarre, Chronist Herbert Grönemeyer oder Musikern wie Campino mit seinen Toten Hosen oder den ewig jungen Ärzten, stehen Mandoki und seine Band unermüdlich bereit, nicht nur Musik zum Besten zu geben, sondern auch zu diskutieren. Anzumerken. Den Finger in die Wunde zu legen. Zu vernetzen. Ideen zu haben und andere weiterzuleiten.
Die Seelenverwandten
So intensiv geht er an alles heran: An die Audioproduktion - mit durchgehend analoger Signalverarbeitung vom Mikrofon bis zur Vinylpressung - die das neue Werk geradezu zu einem Manifest von Präzision und Leidenschaft macht, genauso wie an den Rest seines Lebens. In Zeiten von Fake-Accounts, KI und Internet-Trollen wollten Mandoki und seine Soulmates bewusst ein Statement setzen.
Allein der Name "Soulmates" sagt alles - Seelenverwandte: Wenn die oben bereits genannten und Mike Stern, Randy Brecker, Bill Evans, Cory Henry, Richard Bona, Steve Bailey, Simon Phillips, Tony Carey, Nick van Eede, Jesse Siebenberg und Mark Hart miteinander schwingen, dann können sie sich blind aufeinander verlassen. Leslie Mandoki übernimmt neben Songwriting und Produktion gern Schlagzeug und Percussion und ist zugleich auch als Sänger mit seiner angenehmen und unaufdringlichen Reibeisenstimme zu hören.
Was dabei herauskommt, hört man sich am besten auf einer sehr guten Anlage mit sehr guten Boxen an. Man sollte sich etwas Zeit nehmen, um die dabei entstehenden Klangbilder wirken zu lassen. Es ist wie ein klassisches Stück, und von Larghetto über Allegretto bis zu Prestissimo ist alles dabei. Mit Gesang, ohne Gesang, mit Querflöte, Hammondorgel und starken Stimmen.
Diese verschworene, musikalische Gemeinschaft transportiert Botschaften, eine einzige, große Vision von progressivem Jazz-Rock, der, gepaart mit gleichermaßen poetischen und bei aller gedanklichen Tiefe doch sehr verständlichen Texten, musikalische Brücken baut.
Nie nachlassen!
Beim anschließenden Spaziergang am Starnberger See wird nochmal deutlich, wie stark einen Künstler wie Leslie Mandoki die momentanen Entwicklungen auf der Welt, die Sorgen um die Zukunft, umtreiben. Seine Musik ist immer schon Ausdruck der gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen gewesen, doch noch nie war das so spürbar wie jetzt. Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu finden und positive Botschaften zu formulieren, darum geht es dem dreifachen Vater. Es geht um den Mut, im Streben nach einer besseren Welt nie nachzulassen.
Er blickt aber auch zurück, sagt Danke. Einen Song widmet er seiner Frau, mit der er seit Jahrzehnten verheiratet ist. "Eva lässt mich machen", sagt er. Die Ärztin ist oft im Hintergrund dieses Mannes, der die Kamera, die Aufmerksamkeit und das Publikum für den Dialog sucht wie kaum ein anderer - aber nicht minder aktiv. Dieses Lebensrezept funktioniert bei den beiden hervorragend.
"Wir haben es vermasselt"
Mandoki wäre ja aber nicht Mandoki, wenn er den mittlerweile allzu gängigen Dystopien nicht eine hoffnungsvolle, lebensbejahende Utopie gegenüberstellen würde. Eine Utopie für Realisten eben. Immer wieder betont er, dass es fünf vor zwölf ist, immer wieder gibt er zu, dass seine Generation eine Menge falsch gemacht hat. Und immer wieder ist er bestrebt, seine Fehler, die Gedankenlosigkeit, die uns zu lange umgeben hat, wieder gutzumachen. "Die Träume meiner Generation liegen heute in Trümmern", stellt er fest. "Dabei hatten wir nach 1989 so wunderbar historische Chancen, eine achtsame, menschliche, friedliche und freie Welt für die kommenden Generationen auf den Weg zu bringen. Doch wir haben es vermasselt."

Wie klingt ein Auto? Mandoki, als musikalischer Direktor von VW, weiß es.
(Foto: Red Rock Production)
"Getrieben von Egoismus und Gier haben wir eine Welt geschaffen", bedauert er, "in der Geld schneller Profit macht, als menschliche Arbeit dazu je imstande wäre. Ohne Rücksicht darauf, ob ein Mehrwert geschaffen oder zerstört wird. Ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit, Umwelt, Klima und soziales Gleichgewicht in unseren Gesellschaften. So entstehen Spaltung und Radikalisierung, und wie wir leider wieder schmerzvoll lernen mussten: auch Kriege."
Mit einem offenen Auge im Schlaf
In der ersten Single-Auskopplung des Albums fließt daher eine Menge "Blood In The Water". "Dieser Song reflektiert unsere Gegenwart als ein Labyrinth der Krisen in einer Welt ohne Kompass, in der die Normalität verrücktspielt und Gewissheiten wegbrechen", so Mandoki. Und der schwarze Schwan auf dem Cover, was hat es mit dem auf sich? Er soll ein Symbol sein für eine Zeit, in der die Wirklichkeit Ängste schürt und vieles überrollt, was lange sicher schien. Wachsamkeit ist deshalb oberstes Gebot. Nur ein Zitat aus dem Song, um Mandokis Sichtweise zu verdeutlichen: "You better keep an eye open if you fall asleep". Ein Albtraum! Und wir sind mittendrin.
Und was ist jetzt mit dem Happy End? Wird schwierig, gibt Mandoki zu, und das will was heißen, denn der Mann ist grundsätzlich auf der positiven und auch auf der romantischen Seite zu finden. Aber Themen wie "die Hyper-Emotionalisierung von Nachrichten in den sogenannten sozialen Medien, die nur Empörung statt Information bietet", treiben ihn um. "Da entsteht eine tiefe Vertrauenskrise", bedauert Mandoki. "Wenn man sich anschaut, was die Populisten und Demagogen dieser Welt von sich geben, ist es eigentlich nicht zu fassen, aber die Leute in ihren Blasen glauben das tatsächlich. Ein Diskurs findet praktisch nicht mehr statt, und so gibt es auch keine lagerübergreifenden Erkenntnisgewinne mehr. Das ist der Nährboden für Verunsicherung, Hass und Spaltung." Und wenn er eines nicht leiden kann, dann das!
Nach einem alkoholfreien Weißbier am See verabschiede ich mich. Der Musikproduzent und ehemalige Asylbewerber - er bezeichnet sich selbst als Vorzeige-Immigrant, und wenn er das sagt, dann wackelt sein Dschingis-Khan-Bart und die Augen leuchten - hat sich wahrlich einen der schönsten Flecken der Welt ausgesucht, um zu komponieren, zu produzieren, zu netzwerken und - zu leben.
Quelle: ntv.de