
"A Bright Ray of Darkness" liegt bisher nur auf Englisch vor – viele Ethan-Hawke-Fans hierzulande haben jedoch nicht die Geduld auf die deutsche Übersetzung zu warten.
(Foto: Chris Pizzello/Invision/AP)
Die meisten Schriftsteller schreiben mehr oder weniger fiktional über ihr Leben. Wenn bekannte Schauspieler das machen, sind sie ein gefundenes Fressen für die Kritiker. An Ethan Hawke beißen sie sich die Zähne aus.
William Harding hat seinen ersten Film gedreht, als er 18 war und nun, mit 32 Jahren, war er mehr oder weniger sein ganzes Erwachsenenleben lang berühmt. Eigentlich ist er gut darin, es zu ignorieren, wenn Fremde ihn erkennen. Seine Verdrängungskünste sind großartig. Sie müssen es sein. – Auszug aus "A Bright Ray of Darkness"
Ethan Hawke hat einen neuen Roman geschrieben. Über einen jungen, berühmten Schauspieler, der seine schöne, noch berühmtere Frau betrogen hat. Seine Romanfigur William Harding wird in den Klatschblättern demontiert und stürzt sich daraufhin als relativ unerfahrener Theaterschauspieler in ein Shakespeare-Stück. Nur um sich, seinen beiden Kindern und der Welt zu beweisen, dass er noch etwas wert ist.
Kommt das bekannt vor? Kein Wunder. Hawke machte einst selber Schlagzeilen, als er seine damalige Ehefrau, Hollywood-Star Uma Thurman, für eine andere verließ. Und spielte danach dieselbe Rolle wie sein Alter Ego William am Broadway – nämlich die des "Hotspur" in Shakespeares "Henry IV".
"Jetzt mehr als jemals brauchte ich meinen Beruf. Ich musste mich an ihn anlehnen, von ihm gehalten werden. Ich habe nichts dafür getan, um das Talent zu verdienen und nur wenig, um es zu nähren. Es ist ein Geschenk, das mich glücklich gemacht hat." – Auszug aus "A Bright Ray of Darkness"
Kreativität als Lebensthema
Ein ziemlich bekannter Schauspieler setzt sich also hin und schreibt eine fiktionale Version seines Lebens auf – einige Kritiker haben da gleich ihre Bleistifte freudig gespitzt. Und mussten 250 Seiten später ihre Waffen strecken: "Ich wollte immun sein, gegen Hawkes Charme, aber ich gebe zu: Er hat einen witzigen, weisen und von Herzen kommenden Roman über einen verwöhnten jungen Mann geschrieben, der erwachsen und langsam ein besserer Mensch wird", schreibt Ron Charles in der "Washington Post".
Wer in den vergangenen Jahren auch abseits der Filme etwas von Ethan Hawke mitbekommen hat, wird sich weniger gewundert haben. Hawke hat Theater gespielt, drei Bücher veröffentlicht und seine Drehbücher waren bereits zweimal Oscar-nominiert. Kunst und Kreativität in jeder Form auszuloten ist so etwas wie sein Lebensthema geworden: "Gib dir selber die Erlaubnis kreativ zu sein und habe keine Angst, dabei einen Narren aus dir zu machen – das gehört dazu", appelliert er im August 2020 im "TED Talk".
Der König lehnte sich zu mir rüber. "Ich habe nur einen wirklich zuverlässigen Rat für dich", sagte er. "Habe ein langweiliges Leben und mache deine Kunst aufregend" – Auszug aus "A Bright Ray of Darkness"
Auf einer Buchtour habe er einmal einen deutschen Verleger getroffen, erzählt Hawke gerne in Interviews. Dieser habe ihn geraten, nicht davor wegzulaufen, ein Schauspieler zu sein, der schreibt. Ganz im Gegenteil. Wenn er ernsthafte Romane schreiben wolle, solle er das zu seinem Thema machen.
Was ist echt?
Genau das hat der 50-Jährige nun in "A Bright Ray of Darkness" gemacht. Und seine Ich-Erzählung ist so authentisch geraten, dass die Grenzen zwischen Autobiografischem und Fiktionalem verschwimmen. Das sorgt hier und da für gelungene Irritation, wenn im Buch etwas vorkommt, was nicht zum Leben des Schauspielers Hawke, wie man es von den Promi-News her kennt, passt.
Außerdem nimmt er uns mit ins Theater, in die Kulissen, Garderoben. Zeigt uns jeden Winkel dieser Welt - die Eifersüchteleien, Freundschaften, die sexuellen Anziehungskräfte - wie es nur einer kann, der das erlebt hat. Der dort gelebt hat, über Wochen. Näher kommt gerade niemand einem Theater und der Gedanke, dass diese Räume jetzt alle im Dunkeln liegen, ist nach dem Lesen noch bedrückender.
Schwieriger als Theaterfreunde und besonders Shakespeare-Fans glücklich zu machen, ist es mittlerweile jedoch, über die Besonderheiten männlicher Sexualität zu schreiben. Sein William Harding macht jede Menge Fehler. Lässt sich trotz besseren Wissens immer wieder hinreißen, verführen, verführt selber und ist dabei nicht immer der sensible, perfekte Liebhaber.
Die dunklen Ecken
"Derzeit ist es schwierig, über schlechtes Benehmen zu schreiben, ohne im Verdacht zu stehen, es zu dulden", sagt der Schauspieler über seine Figur. Er habe lange daran gearbeitet, einen Charakter zu kreieren, der Dinge tut, von denen er sich wünsche, dass er sie nicht tue. "Aber gelegentlich muss man auch die dunklen Ecken ausleuchten, sonst verschwinden die Dämonen, die dort leben, nie."
"Sie können dir einen scharlachroten Buchstaben auf die Brust heften und dich einen Scharlatan nennen. Sie können dich hassen und in einer Radioshow darüber blubbern, während die ganze Nation zuhört. Und doch, können sie alle falsch liegen."
Obwohl er Filme dreht, seit er 14 Jahre alt ist, hat sich Ethan Hawke nach eigenen Bekunden nie als Hollywoodstar gesehen. Ihm wurde da oft zugestimmt. Mit 50 hat er jedoch mit seinen Filmen, Büchern, Drehbüchern und Theaterrollen eine Fangemeinde und Karriere aufgebaut, die sich als deutlich langlebiger erwiesen hat. Zuletzt schoss einer seiner alten Filme, "Training Day" aus dem Jahr 2001, bei Netflix wieder auf Platz eins. "Wer hätte damals gedacht, dass dieser Film 20 Jahre später noch so oft gesehen wird?", schreibt Hawke auf Instagram. "Ich bestimmt nicht. Aber vor allem, weil ich damals nicht wusste, was Netflix ist."
Quelle: ntv.de