Bücher

"Hände weg vom Buch!" Für alle, die doch noch lesen wollen

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Manchmal ist ein Buch einfach spannender als alles andere.

(Foto: IMAGO/imagebroker)

Endlich ist es früher dunkel, kälter, kuscheliger - Zeit zum Lesen! Langweilt Sie diese Einleitung für Texte, in denen es um Bücher gehen soll, auch so ungemein? Deswegen hier einfach der Hinweis: Lesen lohnt sich.

Hände weg vom Buch - damit ist ein bestimmtes gemeint, wie Sie im Folgenden noch lesen werden, und gilt hier ansonsten natürlich überhaupt nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Es folgen ausschließlich Empfehlungen, von denen vielleicht "für jeden" etwas dabei ist.

"Die vierte Gewalt" von Richard David Precht und Harald Welzer

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Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist
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Grundsätzlich nervt es ja erstmal, vor allem, wenn man selbst Journalistin oder Journalist ist, dass "die Medien" an allem schuld sein sollen. Wer "die Medien" über einen Kamm schert, der liegt ernsthaft daneben, denn immerhin leben wir - noch - in einem Staat, in dem Medienvielfalt herrscht und jeder sagen, schreiben und denken kann, was er oder sie will. So auch der langjährige, inzwischen ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk*, bekannt für seine scharfe Zunge und Nörgelei, der sein Urteil auf Twitter schon gefällt hatte, ehe es das Buch überhaupt zu kaufen gab und ehe Elon Musk Twitter verschlungen hatte: "Hände weg vom Buch! Diese zwei arroganten, selbstverliebten Hengste, die die Ukrainer verachten und keinen blassen Schimmer haben, lagen immer falsch, überall, wo man falsch liegen kann. Daher: Die beiden narzisstischen Typen einfach ignorieren. Nicht kaufen."

Um zu wissen, ob er recht hat, wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als das Buch zu kaufen. Allerdings könnte man auch das Gefühl haben, dass man alles schon kennt, denn inzwischen waren Precht und Welzer in noch mehr Talkshows als vorher schon. Reden können sie, schreiben auch - mit den Büchern, die sich auch gern mal um sie selbst drehen, erzielen sie hohe Leser- und dementsprechend auch hohe Käuferzahlen, allerdings stehen in "Die vierte Gewalt" auch viele Plattitüden: Es werde zu viel gesendet und zu wenig recherchiert, der Reporter stehe zu sehr im Mittelpunkt - weil er sich selbst zum Akteur macht - und Deutschland ist (allerdings bereits seit den 1950er-Jahren) eine "Mediokratie". Also eine Gesellschaft, in der "die Medien" die Politik nicht nur beschreiben und begleiten, sondern sie aktiv beeinflussen, und zwar aus einem gewissen "Herdentrieb"-Gedanken heraus. Zu viel davon, und ich schlafe gepflegt über diesem Werk ein.

*Welzer und Precht gehörten im Frühjahr zu jenen Prominenten, die sich per offenem Brief gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aussprachen. Damit brachten sie nicht nur den Ukraine-Botschafter Melnyk zur Weißglut. Recht unverhohlen forderten sie zudem die Angegriffenen auf, sich um des lieben Friedens willen in ihr Schicksal zu fügen und russische Kolonie oder was auch immer zu werden. Daraufhin hagelte es Kritik - vor allem "der Medien".

"Drama Queen - Frauen zwischen Beurteilung und Verurteilung" von Tara-Louise Wittwer

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Dramaqueen: Frauen zwischen Beurteilung und Verurteilung
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Internalisierte Misogynie. Doesn't ring a bell bei Ihnen? Es ist, wenn Frauen sich selbst schon so beschränkt bewerten und einschätzen wie es Männer tun würden. Also wenn Frauen sagen: "Männer sind einfach weniger Drama", um damit darauf aufmerksam zu machen, dass ihr, der Frau, durchaus klar ist, dass sie, die Frau, zwar zu der "Drama-Spezies" per Geschlecht gehört, aber doch nicht dazugehört, denn: "Ich bin anders als die anderen." Frauen. Und das impliziert: "Ich weiß, dass Frauen nerven, ich aber nicht." Verstanden? Nein? Stellen Sie sich doch bitte nicht an wie ein Mädchen, das ist doch wirklich nicht schwer: Wenn eine Frau selbstbewusst, bestimmt und fordernd, vielleicht sogar rechthaberisch auftritt (weil sie Recht hat!), dann wird sie gern mal als zickig oder unbequem, nicht anpassungsbereit oder wenig kompromissfähig abgestempelt.

"Davina-Katharina, wenn du weiter so bockig bist, will dich später kein Mann zur Frau haben!" Wenn ein Mann genauso auftritt, schon als Kind - selbstbewusst, bestimmt, fordernd, rechthaberisch - dann ist er ein durchsetzungsstarker Typ, der es mal weit bringen wird. "Bravo, Kevin-Johannes, du kommst mal ganz groß raus!"

Tara-Louise Wittwer, die mit ihrem Unternehmen und gleichnamigen Instagram-Account "wastarasagt" seit 2019 unter die Lupe nimmt, wie frauenfeindlich wir in unserem Alltag sind - das beginnt bei Begriffen wie "Attenionwh*re" oder "Pick-Me-Girl" bis hin zu Comedians, denen auch im Jahr 2022 nichts anderes einfällt, als über ihre staubsaugenden Mütter Witze zu erzählen oder ihre Freundinnen, die quasi rund um die Uhr ihre Tage und deswegen keinen Bock auf Sex (oder diejenigen, die die schlechten Witze über sie erzählen) haben. Das Schöne an Wittwers Buch: Sie nimmt sich auch mal selbst auf die Schippe. Deswegen ist "Drama Queen" äußerst lesenswert.

"Als ich im Krieg erwachte" von Julia Solska

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Als ich im Krieg erwachte: Tagebuch einer Flucht aus der Ukraine
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Der 24. Februar 2022 ist leider in die Geschichte eingegangen als der Tag, an dem Russland die Ukraine überfallen hat. Seitdem herrscht Krieg, und ganz Europa ist davon betroffen, das komplette europäische Gefüge hat sich ver-rückt. Vor allem aber hat sich das Leben der Ukrainerinnen und Ukrainer vollkommen verändert. Julia Solska hat Tagebuch geführt auf ihrer Flucht aus der Ukraine und beim Ankommen in Deutschland. Die Entscheidung, Kiew zu verlassen, ihre Freunde und Familie, ihre Arbeit, ihre Wohnung, das alles beschreibt sie eindringlich.

Der Leser versteht, warum man, wenn man in der Ukraine lebt, nicht "zum Russen gemacht" werden möchte. Oder wären Sie gern von heute auf morgen Niederländer, einfach so, weil ein Aggressor Ihnen diese Entscheidung überstülpt? Nichts gegen die Holländer, aber jeder hat seine Identität, und die will sich niemand nehmen lassen. Ein Teil des Bucherlöses fließt übrigens in das Projekt "Divchata", das sich für Kinder und Frauen in der Ukraine einsetzt.

"Ich bin zu jung, um mein Leben in einem Tal der Tränen zu verbringen", schreibt Solska, und prangert mit ihrem sehr persönlichen Buch einen sinnlosen, noch immer andauernden Krieg an, der für alles steht, was die Menschheit nicht braucht. Dieses Buch sollten alle lesen, die nicht verstehen, dass der Krieg unserer europäischen Nachbarn unvermindert weitergeht.

"Alt werden ist ein Vergnügen - wenn Sie es richtig anstellen" von Dr. med. Jürgen Bludau

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Alt werden ist ein Vergnügen, wenn Sie es richtig anstellen: Gesund und gut vorbereitet älter werden
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Das ewige Spiel - alt werden wollen alle, dann aber alt sein niemand mehr. Wie schafft man es also, mit 92 noch glücklich auf dem Golfplatz zu stehen, mit 83 fit in der Philharmonie zu sitzen und die Nachmittage mit den Enkeln zu verbringen, ohne am nächsten Tag am Stock zu gehen? Jürgen Bludau hat ein paar Tipps für Sie in seinem Ratgeber. Und auch wenn der Titel vermuten lässt, dass nichts einfacher wäre als zu altern, wenn man sich klug anstellt, ist Bludau durch und durch Altersmediziner und kein Zauberer. Deswegen verspricht er zwar, Sex, Drugs & Rock 'n Roll seien noch lange möglich, erklärt aber vor allem, wie Sie es anstellen, die Alterseinschränkungen, die das Leben mit sich bringt, zu akzeptieren. Aber auch, wie Sie mit Vorsorge, gesunder Ernährung, Bewegung und Freude am Leben bis in hohe Alter glücklich sein können.

Die falschen Versprechungen der Anti-Aging-Industrie nimmt er dabei ganz genau unter die Lupe. Arthrose und Alzheimer verschwinden leider nicht, indem man eine Pille einwirft, aber Bludau rät zum Akzeptieren und "das Beste draus machen". Liest sich auch als jüngerer Angehöriger einer älteren Person gut - oft schätzt man die Situation ja falsch ein oder will nicht wahrhaben, dass die Eltern oder Partner vor den eigenen Augen wegaltern. Zu wissen, dass der Vater nicht mehr gut laufen kann, weil er einfach dement ist und sich das nicht nur aufs Gehirn, sondern auch auf den Körper auswirkt, sorgt für mehr Verständnis bei denen, die bisher dachten, der soll sich mal nicht so anstellen.

"Bumm! Kriminalgeschichten" von Horst Evers

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Bumm!: Kriminalgeschichten
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Evers ist ein begnadeter Beobachter. Und ein klasse Geschichtenerzähler. Wenn die Geschichten dann auch noch spannend sind - umso besser. Skurril sind diese Stories, voller kaputter, aber auch liebenswerter Typen. Es gibt Stechmücken, die töten können, Soleier, die so schmecken und aussehen, als könnten auch sie tödlich sein, Adlige, die mit allen Wassern gewaschen, denen aber auch nichts Menschliches fremd ist, und es geht um ungewöhnliche Mordinstrumente. Hier schreibt ein Kabarettist, ein Mann, der mit der Sprache umgehen kann und der ein Beobachter ist.

Und darum geht's: Ein Krimiautor wird beschuldigt, seinen Nachbarn mit einem Korkenzieher umgebracht zu haben. Doch dieser leugnet die Tat - und verdächtigt seine Romanfigur. Die Entführerin zweijähriger Zwillinge gibt ihre Forderung bekannt: das Verbot des Handels mit Marderhunden. Viel früher, im Berlin des Jahres 1904, muss Kriminalassistent Ernst Gennat, Experte für neuartige Verhörtechniken und Stachelbeertorte, den rätselhaften "Franzosenrächer" schnappen, der erste Fall der späteren Polizeilegende. Und sehr viel später, im Jahr 2043, ermittelt Kommissar Stanislas Pils in einem Mord, der mittels genetisch veränderter Mücken begangen wurde - und muss sich eingestehen, dass Maschinen die liebenswerteren Menschen sind. Am Ende steht ein großes Geheimnis, das alles miteinander verbindet.

Der bereits mit einigen Preisen ausgezeichnete Horst Evers ist jeden Sonntag auf Radioeins zu hören. Seine Geschichtenbände und Romane sind Bestseller, zuletzt "Wer alles weiß, hat keine Ahnung". Keine Ahnung, aber ich glaube, das Buch verschenk ich Weihnachten sehr gerne.

"#Respect my Size!" von Julia Kremer

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#RespectMySize: Wie ich lernte, mich selbst zu lieben und gegen Vorurteile zu kämpfen
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"Ich bin zu viel. Und gleichzeitig nicht genug. Niemals genug." Julia Kremer ist Jahrgang 1989 und hat mit 10 Jahren ihre erste Diät-Erfahrung. Sie würde gern mit den anderen Kindern am Strand spielen und danach Limo schlürfen, stattdessen wird ihr Essen - Magerquark und Salat an Putenbrust - abgewogen, sie bekommt stilles Wasser und Sporteinheiten. Nutzen wird das nichts, denn sie bleibt ein molliges Mädchen. Auf und ab geht es mit ihr, sie ist der "JoJo"-Typ, und später einmal, im Jahr 2021, nimmt sie als erste kurvige Teilnehmerin bei der "Miss Germany"-Wahl teil.

Zu ihrem "Zu-viel-Sein" körperlicher Natur gesellt sich immer wieder das "Zu-wenig-Sein", das auch darin mündet, dass sie nur eine Hauptschulempfehlung bekommt. Sie macht dennoch Abitur. Überhaupt besteht Julia Kremers Leben aus vielen "Dennochs": "Für deine Figur hast du aber ein hübsches Gesicht", ist eine der vielen Unverschämtheiten, die sie sich ihr Leben lang bereits anhören muss. Das Buch trägt den Untertitel: "Wie ich lernte mich selbst zu lieben und gegen Vorurteile zu kämpfen" - und das macht sie sehr erfolgreich. Mit Verena Prechtl startete sie die Kampagne #RespectMySize und einen gleichnamigen, erfolgreichen Podcast.

"#Respect My Size" ist ein Buch, das auch die lesen können, die nicht mit Essstörungen, Übergewicht oder JoJo zu kämpfen haben. Es ist für alle, die finden, dass RESPEKT zu den Grundvoraussetzungen im Leben gehört. Sprüche wie: "Wenn du 10 Kilo abnehmen würdest, wärst du wirklich meine Traumfrau", mussten sich auch schlanke Frauen schon von irgendwelchen Idioten anhören. In dem Kapitel, in dem es darum geht, wie man aus seinen Schwächen Stärken macht, fällt übrigens auch für Männer ein Pfund Info ab.

"Ich bin, weil wir sind - Warum Haltung das Miteinander stärkt" von Martin Seiler

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Ich bin, weil wir sind. Warum Haltung das Miteinander stärkt
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Martin Seiler hat ein Buch geschrieben. Das ist nur die halbe Wahrheit, denn wie der Titel es bereits andeutet: Eigentlich geht es hier um viele, Seiler ist "nur" der Herausgeber. Es geht um Haltung, und nein, Seiler ist nicht Orthopäde, sondern Vorstand Personal und Recht bei der Deutschen Bahn. Er macht sich Gedanken über das Miteinander, und ja, man kann viel meckern über die Deutsche Bahn, aber an der Haltung dieses Vorstandes nicht: "Haltung zu zeigen ist anstrengend", schreibt er, und: "Verbundenheit ist eine seltsame Integration von Nähe und Distanz zugleich."

Er lässt viele Menschen zu Wort kommen: Drei Männer des Glaubens, die ein House of One für alle Weltreligionen in Berlin entstehen lassen, über den "Kreuzberger Himmel", der mehr ist als ein Restaurant. Über eine Journalistin, die nicht anders kann, über Werte, Wachstum, Sinn, Begegnungen, Verantwortung, Zweifel und Helden; über eine neue Zeit, in der wir alle wieder politisch aktiver sein müssen und über Nähe, die wir Menschen brauchen, um zu (über)leben. Seiler bringt uns "Haltung" näher, ohne sie zu erklären, denn Haltung ist eine sehr persönliche Sache. Aber man kann sie lernen. Indem man sich zum Beispiel dieses Buch durchliest und garantiert Inspiration findet.

"Auch wir sind Russland - Im Widerstand gegen Putins neue Weltordnung" von Swetlana Gannuschkina (mit A. Cavelius)

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Auch wir sind Russland: Im Widerstand gegen Putins neue Weltordnung – Aktualisierte Neuauflage mit einem Vorwort der Autorinnen
20,00 €
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Die 80-jährige Swetlana Gannuschkina setzt sich bereits ihr Leben lang für Gerechtigkeit, Flüchtlinge, Vertriebene ein. So ging sie auch im März 2022 in Moskau auf die Straße, um mit Tausenden anderen gegen Russlands Krieg in der Ukraine protestierte. Und bietet in diesem Buch ein Bild, das eben vom "anderen Russland" erzählt, von dem Russland, das nicht kriegsgeil ist, von den Menschen, die trotz größter Repressalien, Morddrohungen und gesellschaftlichen Nachteilen für die Werte einstehen, die in Demokratien selbstverständlich sind.

Gannuschkina beschreibt ihr Land, in dem es im Moment nur um Zerfall geht, mit großer Erfahrung und viel Wissen. Sie prangert den Krieg - den Überfall auf die Ukraine, beginnend mit der Annexion der Krim - aufs Schärfste an. Terror, Korruption, ein politischer Apparat, der einer kriminellen Struktur, wie ihn sich kein Drehbuchautor für einen Mafia-Film ausdenken könnte - und trotzdem merkt man die Liebe für ihr Land. Swetlana Gannuschkina hat ihre engen Freundinnen Anna Politkowskaja und Natalja Estemirowa verloren - die größte Tragödie ihres Lebens ist jedoch Putins Krieg.

Was ihr Buch auszeichnet, ist, wie persönlich es verfasst ist: Sie lässt uns teilhaben an ihrem Familienleben, fühlt sich selbst reich beschenkt, trotz allem, und aufgewühlt fragt sie den Leser am Ende: Wie können wir in Frieden zusammen leben? Sie wünscht sich, die russische Kultur nie zu verlieren. Ich wünsche Frau Gannuschkina noch viele schöne Jahre und viele Treffen mit ihren ausgewanderten Kindern und Enkeln.

Quelle: ntv.de

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