Kino

Kein einzigartiger 007-Auftritt Daniel Craig beerdigt seinen James Bond

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Das Warten hat ein Ende: Endlich darf Daniel Craig mit "Keine Zeit zu sterben" das zu Ende bringen, was er vor 15 Jahren begonnen hat - seine Inkarnation eines gewissen James Bond. Stellt sich nur die Frage: Hat sich das Warten darauf gelohnt?

Das Leben könnte so schön sein. Auch für James Bond (Daniel Craig). Er könnte einfach mit seiner neu gewonnenen Dauer-Freundin Madeleine Swann (Léa Seydoux) in Italien abhängen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und seine Lizenz zum Töten im Pfandhaus verscherbeln. Doch einen ehemaligen Agenten im Geheimdienst Ihrer Majestät lässt die Vergangenheit nicht einfach so los.

Als er das Grab seiner in "Casino Royale" (2006) verblichenen Ex-Flamme Vesper Lynd (damals Eva Green) besucht, wird Bond Opfer eines Anschlags, der ganz offensichtlich auf das Konto der Terrororganisation "Spectre" geht, die ihm seit jeher das Leben schwer macht. So befindet er sich auf einmal wieder inmitten eines Gespinsts aus Intrigen und Verrat, in dem er auch und gerade Madeleine Swann nicht mehr trauen kann.

Doch auch die Flucht in sein Refugium auf Jamaika lässt Bond nicht zur Ruhe kommen. Dafür sorgt schon sein alter CIA-Kumpel Felix Leiter (Jeffrey Wright), der ihn um Hilfe bittet. Schließlich ist ein bedeutender Wissenschaftler verschwunden - und mit ihm die vielleicht tödlichste Waffe aller Zeiten. Auch den britischen Geheimdienst MI6 hat Bond in Form von Agentin Nomi (Lashana Lynch) bald wieder am Hacken. Vor allem aber bekommt er es erneut mit "Spectre" zu tun, denn wer, wenn nicht seine alten Intimfeinde, sollten hinter der Entführung des Wissenschaftlers stecken?

Bonds Jagdtrieb ist wieder geweckt. Dabei soll ihm die Begegnung mit seinem bislang skrupellosesten Widersacher überhaupt, Lyutsifer Safin (Rami Malek), noch bevorstehen. Der ist auch für Madeleine Swann kein Unbekannter. So scheint sich ein verhängnisvoller Kreis zu schließen ...

Belächelt und verhöhnt

Nie zuvor wurde ein ähnliches Bohei um die Veröffentlichung eines neuen Bond-Streifens veranstaltet. Das hat viele Gründe. Zum einen natürlich den, dass es der wirklich allerletzte 007-Streifen mit Daniel Craig sein wird. Als der Brite vor 15 Jahren erstmals in die ikonische Rolle schlüpfte, wurde er zunächst belächelt und verhöhnt. Ein blonder Bond, das ginge ja mal gar nicht, hieß es damals. Dann kam er zu seiner Vorstellung als knallharter Leinwand-Held auch noch mit umgeschnallter Schwimmweste auf einem Boot daher geschippert und hatte in der britischen Presse alsbald den Spottnamen "James Bland" ("James Langweilig") weg.

Doch Craig hat alle eines Besseren belehrt. Er hat der Figur einen neuen, zeitgemäßen und markig-markanten Touch verliehen, auch wenn er von sich selbst sagt, mit ihm als Privatperson habe das alles so gar nichts gemein. Es dürfte nicht wenige geben, die ihn - Sean Connery und Roger Moore in allen Ehren - inzwischen für den besten Bond halten, den es je gab.

Weiblich, schwarz oder schwul?

Zum anderen spielten "Keine Zeit zu sterben" jedoch noch andere Aspekte in die Karten, um die Hysterie um den Streifen in exorbitante Höhen zu katapultieren, wenn auch in Teilen unfreiwillig. Da wäre natürlich die Corona-Krise. X-fach musste der Kinostart des Films, der eigentlich schon vor anderthalb Jahren sein Leinwand-Debüt feiern sollte, verschoben werden. Schon zuvor hatte es Verzögerungen bei der Produktion gegeben, nachdem Danny Boyle als Regisseur das Handtuch geworfen und für seinen Nachfolger Cary Fukunaga Platz gemacht hatte.

Die Veröffentlichung des Films fällt zudem in eine Zeit, in der die Zukunft des Kinos nicht nur wegen Corona auf der Kippe steht. "Keine Zeit zu sterben" wurde so zum Rettungsanker einer ganzen Branche ausgerufen, der die wie Pilze aus dem Boden sprießenden Streaming-Dienste den Garaus zu machen drohten. Und machen wir uns nichts vor - auch weiter drohen, "Keine Zeit zu sterben" hin oder her. Erst im Mai wurde bestätigt, dass Amazon das auch für Bond zuständige Film-Studio MGM geschluckt hat. Nicht unwahrscheinlich, dass der Geheimagent in Zukunft zuvorderst in den heimischen Wohnzimmern auf Verbrecherjagd gehen wird.

Als wäre all das noch nicht genug, trifft Craigs letztes Bond-Abenteuer schließlich auch auf einen Zeitgeist, in dem vermeintliche Bastionen der Vergangenheit zunehmend ins Wanken geraten. So wurde "Keine Zeit zu sterben" nicht nur von der grundsätzlichen Frage, wer denn Craig in der Rolle nachfolgen könnte, begleitet. Sondern auch von der Diskussion, ob ein künftiger Bond nicht auch vielleicht weiblich, schwarz oder schwul sein könnte. Eine gesamtgesellschaftliche Debatte schien sich so wie durch ein Brennglas auf eine der renommiertesten Filmreihen und augenscheinlichen Männerdomänen zu projizieren.

Ein fettes Augenzwinkern

Die mächtige Bond-Produzentin Barbara Broccoli hat inzwischen klargestellt: Solange sie etwas zu sagen hat, wird es keinen weiblichen James Bond geben. Gleichwohl, so viel sei verraten, geht "Keine Zeit zu sterben" nicht an der Gender- und Hautfarben-Diskussion, die seinen Produktionsprozess begleitet hat, vorbei. Dass der 007, wie wir ihn kennen, womöglich doch gar nicht so einzigartig ist, wird durchaus thematisiert. Das jedoch mit einem fetten Augenzwinkern.

Überhaupt strotzt der Streifen vor Momenten, in denen deutlich wird, dass das Franchise sich selbst nicht allzu ernst nimmt - und bitte auch nicht genommen werden sollte. Mitunter grenzt das bei "Keine Zeit zu sterben" schon an Slapstick. Dann etwa, wenn sich Bond bei der Ausschaltung der tödlichen Gefahr auf einmal Apparaturen gegenübersieht, die aus einem seiner Einsätze in den 80er-Jahren stammen könnten.

Klar, dass es an den üblichen Zutaten nicht fehlen darf - alte Bekannte wie Q (Ben Whishaw), M (Ralph Fiennes) oder Miss Moneypenny (Naomie Harris), ein dann doch eher leicht bekleidetes Bond-Girl namens Agent Paloma (Ana de Armas), Verfolgungsjagden, Geballer und Kawumm. Wirklich bahnbrechend sind die Action-Szenen in "Keine Zeit zu sterben" jedoch nicht. Der stets grandiose doppelte Oscar-Preisträger Christoph Waltz darf in Gestalt des Bösewichts Ernst Stavro Blofeld noch einmal kurz wiederkehren. Der einfache Academy-Award-Gewinner Rami Malek bleibt dagegen als angeblich noch böserer Bösewicht Lyutsifer Safin, der aber eigentlich nur einen einzigen Gesichtsausdruck kennt, seltsam blass.

Filmgeschichte? Ganz sicher!

Über tellerminen-große Logik-Lücken - warum auf ein gepanzertes Fahrzeug unentwegt feuern, statt einfach mal eine Handgranate darauf zu werfen? - sieht man bei Bond natürlich traditionell gern hinweg. Wirklich ärgerlich aber wird es dann, wenn noch nicht einmal mehr versucht wird, Handlungssprünge großartig zu erklären. Da liegt dann zwischen dem gerade mal wieder der ultimativen Katastrophe entkommenen Bond auf einer schwimmenden Rettungsinsel irgendwo im Meer und dem geschniegelten Agenten zurück im strahlenden Londoner Sonnenschein gerade mal ein Schnitt.

Dennoch wird "Keine Zeit zu sterben" ganz sicher in die Filmgeschichte eingehen. Nicht nur als der Streifen, mit dem Daniel Craig seine Inkarnation von James Bond ein für alle Mal zu Grabe getragen hat, sondern vermutlich auch als der bisher (selbst-)ironischste 007-Einsatz mit dem zweifellos spektakulärsten Finale der ganzen Reihe. Nur als eines wird er wohl nicht in Erinnerung bleiben: als Daniel Craigs bester Bond-Auftritt.

"James Bond: Keine Zeit zu sterben" läuft ab 30. September in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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