Fiktive Doku startet im Kino Ist Olaf Schubert der Sohn von Mick Jagger?


Ein bisschen, ein kleines bisschen Ähnlichkeit hat Olaf Schubert doch mit Mick Jagger, oder etwa nicht?
(Foto: Neue Visionen Filmverleih)
Der lustige Sachse im Pullunder, Olaf Schubert, könnte Mick Jaggers Sohn sein. Das ist der Plot der fiktiven Dokumentation "Olaf Jagger". Klingt nach Klamauk? Ist es aber nicht. Vielmehr gelingt Regisseurin Heike Fink ein unkonventioneller und kurzweiliger Kinofilm.
Stellen Sie sich vor, Sie erfahren durch Zufall, das uneheliche Kind einer Rocklegende zu sein. Oder zumindest, dass sie es mit nicht unerheblicher Wahrscheinlichkeit sein könnten. Und nicht von irgendeiner Rocklegende, nein, sondern von Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger höchstpersönlich. Was würden Sie tun? Den Kontakt zum vermeintlichen Vater suchen? Würden Sie sich Allüren zulegen, wie es bei so manchen Promi-Sprösslingen der Fall ist? Sie könnten auch dem Lockruf des Geldes folgen und mit anwaltlicher Rückendeckung versuchen, etwas vom Erbe abzugreifen. Schicksalsentscheidungen, vor denen Comedian Olaf Schubert in seinem neuen Film steht.
Die augenscheinliche Absurdität dieses Gedankenexperiments verpackt "Olaf Jagger" in ein gewitztes Spiel mit der Realität. Denn der gut 90-minütige Streifen von Regisseurin Heike Fink kommt als Mockumentary daher - eine fiktive Dokumentation, bei der die Anwesenheit einer Kamera nicht aberkannt, sondern im Gegenteil bewusst als Stilmittel eingesetzt wird. Und dann ist da natürlich noch Olaf Schubert selbst. Dass hinter dem notorisch sächselnden "Wunder im Pullunder" eigentlich ein Mann namens Michael Haubold steht, ist für Fernsehzuschauer kaum ersichtlich, im Film schon gar nicht.
1965? "Da war Zone zu"
Dieser Olaf Schubert ist vieles: Kabarettist, Autor, virtuoser Wortverdreher und Repräsentant des Freistaats Sachsen in der deutschen Comedy-Landschaft. Aber Talent allein qualifiziert einen noch nicht zum leiblichen Jagger-Sohn. So beginnt die Fake-Dokumentation mit einer Entrümplung des väterlichen Kellers, bei der Schubert auf eine Kassette seiner verstorbenen Mutter stößt. Darauf gespeichert ist ein Interview, das die damalige Ostradio-Redakteurin offenbar mit keinem Geringeren als Mick Jagger geführt hat, anlässlich des ersten BRD-Konzertes der Stones 1965 in Münster. "65? Da war Zone zu. Kein Schwein kam da rüber", wundert sich Schubert zu Recht, und weil der Vater (Franz-Jürgen Zigelski) schweigt, stellt er auf eigene Faust Nachforschungen an.
Die führen ihn zunächst durch Relikte der ostdeutschen Musiklandschaft hin zu Toni Krahl, Sänger der Rockband City. Diverse Einspieler ihres 70er-Jahre-Hits "Am Fenster" und weiterer Livemitschnitte dürften so manches Nostalgiker-Herz höherschlagen lassen. Als herrlich skurril entpuppt sich ein Besuch bei Hartmut König, Agit-Pop-Pionier und zu Studentenzeiten Lieblingsbarde des SED-Kaders. Dessen Wohnhaus ist bis zur Decke zugestellt mit Andenken aus einer Zeit, in der es für Erich Honecker immerzu vorwärts ging und Chemnitz noch Karl-Marx-Stadt hieß.
Die Antwort liegt in der Stasi-Akte
Seinen Schlüsselmoment erlebt Schubert schließlich im Stasi-Archiv. Die Akte seiner Mutter belegt nicht nur ihre Anwesenheit auf besagtem Stones-Konzert, die staatsichernden Schnüffler vermerken auch den Verdacht einer Liaison mit eben jenem Mick Jagger. Eine alte Freundin bestätigt die Affäre der Mutter, die kurz darauf mit Schubert schwanger wurde.
Für den Komiker, der in seiner Schlaksigkeit tatsächlich jaggersche Züge aufweist, ist die Sache klar: Sein ganzes Leben war eine Lüge. In einer Art Bewältigungsstrategie bildet er erste Verhaltensmuster eines Möchtegern-Rockstars aus und holt sich juristischen Rat in Erbschaftssachen ein, was man halt eben so macht als Vielleicht-Sohnemann eines Weltstars. Lediglich das Ergebnis des DNA-Tests steht noch aus.
Der Trip, auf den sich Schubert begibt, lebt von den Menschen, denen er begegnet und die sich, bis auf wenige Ausnahmen, allesamt selbst darstellen. Zwei Frauen, die es 1965 wirklich in den Backstage-Bereich der Münsterlandhalle geschafft hatten, erzählen auch heute noch mit großen Augen von Keith Richards, Brian Jones und Co. Ein Abstecher in den Stones-Pavillon Bautzen skizziert die mitunter absurden Auswüchse eines sammelwütigen Fan-Daseins. Und dann quasselt auch noch Rammstein-Keyboarder Flake in denkbar deutschestem Englisch auf Mick Jaggers Mailbox.
Dass so mancher prominente Gastauftritt keine sachdienlichen Hinweise für Schuberts Spurensuche liefert, sondern wohl eher dem Selbstzweck dient, schmälert nicht den Unterhaltungswert. Mehr noch: Aufgrund der immerwährenden Verankerung im Realen schafft es der Film trotz des absurden Plots, nicht ins Klamaukige abzudriften. Wenn der existenzkriselnde Schubert auf der Straße nach Selfies gefragt wird, hat das etwas Tragisches: Für alle anderen ist er DER Schubert, einzig er selbst weiß nicht mehr so recht, wer er ist.
Stones im Osten zeitweilig verboten
Olaf Schubert wäre nicht Olaf Schubert, wenn es ihm nicht auch um die großen Fragen des wiedervereinigten Deutschlands ginge. Seine Reise führt ihn kreuz und quer durch Ost und West und damit unausweichlich auch vorbei an den Gräben deutsch-deutscher Vergangenheit, Stichwort Stasi-Akte. Ein abgedroschener Post-Wende-Film ist "Olaf Jagger" trotzdem nicht. Die Narben der Teilung manifestieren sich in den Rolling Stones, schon zu Mauerzeiten idealisierte Allegorie auf die Freiheiten und Verführungen des Westens. 1965, also im Jahr des Münster-Konzerts, wurde die Band von der DDR-Regierung für einige Zeit verboten - was Rock'n'Roll-Fans im Osten nicht davon abhielt, die Songs im Westradio mitzuschneiden und zu ihnen auf Hinterzimmerfeten zu tanzen.
Folgende Anekdote ist bis heute legendär: Im Jahr 1969 ging in der DDR das Gerücht um, die Rolling Stones würden auf dem Dach des Westberliner Springer-Hochhauses ein Konzert geben, in unmittelbarer Nähe zur Mauer. Scharenweise pilgerten ostdeutsche Jugendliche auf die Leipziger Straße, skandierten "Wir wollen Stones, wir wollen Freiheit". Schnappatmend ließ das Ministerium für Staatssicherheit die Menge niederknüppeln und Hunderte junge Menschen festnehmen. Der Auftritt war allerdings nie geplant, man war dem Scherz eines westdeutschen Rundfunk-Moderators aufgesessen.
Geschichten, wie sie nur die DDR schreibt. Schubert schreibt im Film eine eigene, wenn auch fiktive DDR-Geschichte und schafft es irgendwie, dass man mitfühlt mit diesem kauzigen Sachsen auf Sinnsuche. So ist mit "Olaf Jagger" ein kluger und kurzweiliger Film gelungen, der sich seinen größten Lacher bis zum Ende aufspart.
"Olaf Jagger" läuft ab dem 6. April in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de