Kino

Mehr CGI als Story: "Here" Tom Hanks und Robin Wright begeben sich auf Zeitreise

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Richard und Margaret zu glücklicheren Zeiten.

Richard und Margaret zu glücklicheren Zeiten.

(Foto: IMAGO/Landmark Media)

20 Jahre nach ihrem Klassiker "Forrest Gump" stehen Tom Hanks und Robin Wright für "Here" erneut gemeinsam vor der Kamera. Für das Drama nach der Vorlage einer Graphic Novel macht Regisseur Robert Zemeckis die beiden Schauspieler mithilfe von CGI wieder zu Teenagern.

Robert Zemeckis und Tom Hanks sind ein Duo, das in der Filmwelt längst Kultstatus genießt. "Forrest Gump" (1994) und "Cast Away - Verschollen" (2000) gehören zu den Klassikern der Filmgeschichte, aber auch mit dem Animationsfilm "Der Polarexpress" (2004) und "Finch" (2021) konnten die beiden große kommerzielle Erfolge verbuchen. Mit "Here" erscheint nun das fünfte gemeinsame Projekt des Regisseurs und des Hollywood-Stars - durchaus ambitionierter als einst etwa "Forrest Gump". So umspannt das Drama nicht drei Jahrzehnte, sondern gar 65 Millionen Jahre. Möglich macht dies die feststehende Kameraeinstellung an einer einzigen Stelle - dem Wohnzimmer eines Hauses aus dem frühen 19. Jahrhundert und mittels Überblendungen dem Land, das sich an dieser Stelle befand, bevor das Haus gebaut wurde.

Der Film zeigt einige der Höhe- und Tiefpunkte aller Menschen, die dort gelebt haben. So gebärt eine amerikanische Ureinwohnerin an jener Stelle ihr Kind, wo vor wenigen Sekunden noch ein Dinosaurier durchs Bild trampelte, sich ein paar Szenen weiter der uneheliche Sohn von Benjamin Franklin, Gründervater der USA, über seinen Vater echauffiert und rund 300 Jahre später eine afroamerikanische Familie während der Corona-Pandemie und nach dem Mord an George Floyd auf dem Sofa sitzend ihren jugendlichen Sohn über Polizeigewalt aufklärt.

CGI macht Hanks und Wright wieder zu Teenagern

Zwischen all diesen nebensächlichen Geschichten steht zunächst vor allem das Leben von Al (Paul Bettany) und Rose (Kelly Reilly) im Fokus, die das Haus nach dem Zweiten Weltkrieg kaufen. Im Wohnzimmer sieht man sie dabei, wie sie ihre vier Kinder großziehen, von denen einer Richard heißt. Wie sie versuchen, ein schönes Familienfoto zu Weihnachten zu schießen. Wie sie ihren Alltag verbringen. Wie Al plötzlich seinen Job verliert und aus Frust, keine neue Anstellung zu finden, zu trinken beginnt.

Inmitten dieser Ereignisse lernen wir den rund 16 Jahre alten Richard - fortan als Hanks durch De-Aging-Technologie zum Teenager verjüngt -, besser kennen. Dieser verbringt seine Freizeit meist damit, auf dem Wohnzimmerboden zu malen und möchte nach seinem Schulabschluss Künstler werden. Im Wohnzimmer stellt er seinen Eltern seine neue Freundin Margaret (Wright) vor - eine fröhliche und ambitionierte Jugendliche, die ein Jurastudium anstrebt. Die Zukunftsträume des jungen Paares platzen jedoch, als Margaret ungewollt schwanger wird. Mangels Alternativen zieht sie bei ihrem Freund und dessen Familie ein.

Ob beim Bau des Hauses oder beim Beleuchten der Leben, die darin geführt werden - die Kameraperspektive bleibt immer gleich.

Ob beim Bau des Hauses oder beim Beleuchten der Leben, die darin geführt werden - die Kameraperspektive bleibt immer gleich.

(Foto: IMAGO/Landmark Media)

Einige Jahre später ist aus den Zielen der beiden nichts mehr übrig. Margaret und Richard heiraten vor dem Kamin des Wohnzimmers, schon kurz darauf übernimmt Margaret die traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter, während Richard einen Job als Versicherungsverkäufer annimmt, um seine Familie ernähren zu können. Die junge Mutter fühlt sich im Haus ihrer Schwiegereltern zunehmend eingeengt, bittet ihren Mann mehrfach vergeblich, in eigene Bleibe zu ziehen und wird mit den Jahren immer unglücklicher. Als sie an ihrem 50. Geburtstag die Kerzen auf ihrer Geburtstagstorte ausblasen soll, bricht sie plötzlich in Tränen aus, weil sie in ihrem Leben nichts vorzuweisen hat. "Sie konnte ihre Träume nie leben, weil sie an Richard gebunden war, der festsaß", sinniert Robin Wright im Interview mit ntv.de über ihre Rolle. "Ist es nicht lustig, dass wir, wenn wir älter werden, ein bisschen zu spät erkennen, was wir hätten tun sollen?"

Auseinandersetzung mit Zeit und Vergänglichkeit

Die Verfilmung von "Here" durch Robert Zemeckis ist zweifellos ein mutiges Unterfangen. Aber es ist schwer zu leugnen, dass sie der außerordentlichen Graphic Novel von Richard McGuire, auf der sie basiert, eher geschadet hat, als ihr gerecht zu werden. McGuires Werk ist ein Meisterstück der minimalistischen Erzählkunst. Er nutzt die spezifischen Möglichkeiten des Mediums, um in klaren, fragmentarischen Bildern ein Gefühl von Raum und Zeit zu vermitteln, das zugleich intim und universell ist. Der Comic lebt von seiner visuellen Subtilität, der Konzentration auf Details und der Möglichkeit, durch das statische Format der Seiten innezuhalten und nachzudenken.

Zemeckis hingegen, der auch für die "Zurück in die Zukunft"-Filme oder "Der Tod steht ihr gut" verantwortlich ist, wählt einen bombastischeren Ansatz, wie man ihn von seinem Stil gewohnt ist. Der Fokus auf eine Flut an Emotionen und allem, was die Welt der CGI-Technik zu bieten hat, nimmt dem Stoff jedoch einen Großteil seiner poetischen Qualität. Wenngleich der Regisseur den Einsatz von digitaler Verjüngung seiner beiden Hauptdarsteller im Gespräch mit ntv.de als "einwandfrei" und "wunderschön" bezeichnet, führt er zu einem sogenannten "Uncanny Valley"-Effekt - dieser tritt auf, wenn computergenerierte Gesichter nicht ganz die Balance zwischen realistisch und künstlich finden und seltsam oder gar unheimlich wirken.

Natürlich sieht das künstlich veränderte Gesicht von Robin Wright nicht aus.

Natürlich sieht das künstlich veränderte Gesicht von Robin Wright nicht aus.

(Foto: IMAGO/Landmark Media)

Noch dazu lenkt die ständige Verwendung von CGI von der philosophischen Tiefe der Vorlage ab. "Der Film zwingt einen dazu, über die Vergänglichkeit von allem nachzudenken und darüber, wo wir uns zu einem bestimmten Zeitpunkt in diesem sich ständig bewegenden und verändernden Universum befinden", sagt Zemeckis zwar. Dennoch wirkt "Here" eher wie eine technische Machtdemonstration als eine meditative Auseinandersetzung mit Zeit und Vergänglichkeit. Nur selten sieht man überzeugende Ergebnisse, allerdings wird die Illusion schnell zerstört, wenn Hanks' Stimme aus einem vermeintlich jüngeren Gesicht erklingt - immer noch tief und rau, wie die eines 68-Jährigen, der er im echten Leben ist.

Manches bleibt besser unausgesprochen

Der Film regt in einzelnen Momenten tatsächlich zum Schmunzeln an, etwa wenn kurze Dialoge und absurde Begegnungen in den Mittelpunkt rücken. Doch diese Augenblicke sind rar. Stattdessen hält die Erzählweise mit der feststehenden Kameraeinstellung die Entwicklung des Dramas meist zurück. Durch die schnelle Szenenabfolge wie bei einem Theaterstück verliert "Here" die tiefsinnige Atmosphäre, die McGuires Graphic Novel so besonders macht. Wo sein Original den Leser zum Verweilen einlädt, hetzt der Film durch die Zeitebenen, sodass Figuren und Szenen oft oberflächlich bleiben und die Schauspieler kaum Gelegenheit haben, in ihre Rollen reinzufinden. Hätte sich Zemeckis etwas mehr auf seine beiden Protagonisten konzentriert, hätte der Film wahrscheinlich eher seine volle Wirkung entfalten können.

So sagt "Here" mehr über seine eigenen hohen Ambitionen aus als über die Essenz seiner (aus)gezeichneten Vorlage. Obwohl die Grundidee durchaus für Begeisterung sorgen könnte, verhindern der kitschige Ton, die technische Überladung und das fehlende narrative Tempo, dass der Film nachhaltig in Erinnerung bleibt. Mit der Verfilmung von "Here" hat Zemeckis Richard McGuires Graphic Novel keinen Gefallen getan. Manche Dinge lässt man eben besser unausgesprochen.

Quelle: ntv.de

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