Nach Ende aller Maßnahmen Covid-19-Sterberate in Dänemark höher als bei uns?
21.02.2022, 18:50 Uhr
In Dänemark ist die Zahl der registrierten Covid-19-Todesfälle nach Wegfall aller Corona-Maßnahmen stark gestiegen.
(Foto: picture alliance/dpa)
In Dänemark steigt die Zahl der Covid-19-Toten deutlich an, das Ende aller Einschränkungen scheint also ein schlimmer Fehler gewesen zu sein. Doch ist das wirklich so? Ein Blick auf eine andere Statistik zeigt, dass so mancher Vergleich hinkt.
Die Statistik scheint eine eindeutige Sprache zu sprechen: Seit Dänemark am 1. Februar alle Corona-Maßnahmen fallen ließ, hat sich die Zahl der Covid-19-Todesfälle im Sieben-Tage-Schnitt von 17 auf 35 Opfer mehr als verdoppelt. Mit über sechs Toten pro eine Million Einwohner und Woche hat das Land eine dreimal höhere Sterberate als Deutschland. Man könnte daraus schließen, dass der dänische "Freedom Day" ein katastrophaler Fehler war, der jetzt mit vielen Menschenleben bezahlt wird. Doch Statistiken können trügerisch sein, wenn man sie isoliert betrachtet.
Tatsächlich wurde so viel über die vermeintliche dänische Tragödie berichtet, dass sich der Gesundheitsdienst Statens Serum Institut (SSI) am Freitag zu einer Richtigstellung genötigt sah. Zwar sei es korrekt, dass auch an Omikron noch Menschen sterben, schreibt die Behörde. Allerdings sei die Sterblichkeit der Variante deutlich geringer als bei Delta und deren Vorgängerinnen. Und trotz der hohen Fallzahlen des Landes sei die allgemeine Sterblichkeit Dänemarks rückläufig und nähere sich jetzt wieder dem normalen Niveau der Jahre vor der Pandemie.
Immer mehr sterben mit, nicht wegen Covid-19
Das klingt paradox, ist aber relativ einfach zu erklären. Immer mehr Infizierte stürben mit und nicht wegen Covid-19, schreibt das SSI. Es verhält sich ähnlich wie bei den Hospitalisierungen, wobei viele Patienten erst nach ihrer Einlieferung positiv getestet werden.
Die Unterscheidung zwischen "mit" und "wegen" Corona ist allerdings alles andere als immer einfach. Bei den Toten handelt es sich oft um sehr alte Menschen mit mehreren Vorerkrankungen. Covid-19 hat bei ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen großen Einfluss, aber möglicherweise führt letztendlich ein anderes Leiden zum Tod.
WHO-Methode bei Omikron zu ungenau
Oft sind Krankheitsbilder so komplex, dass die "tatsächliche" Todesursache überhaupt nicht festgestellt werden kann. "Die angegebenen primären und mitwirkenden Todesursachen geben in der Regel eine medizinische Einschätzung des Arztes wider, der die Sterbeurkunde ausstellt", sagt SSI-Chef Henrik Ullum.
Dänemark nutzt für seine Statistik die von der WHO empfohlene Methode. Demnach werden jeden Tag alle Todesfälle gezählt, bei denen innerhalb von 30 Tagen vor dem Todesdatum ein Covid-19-PCR-Test positiv ausfiel. Bei vorangegangenen Sars-CoV-2-Varianten hat diese Zählweise noch zu relativ geringen Verzerrungen geführt. Das zeigt auch eine am Donnerstag veröffentlichte Studie aus Deutschland, in der von April bis Oktober 2021 bei 1129 Covid-19-Todesfällen zur Überprüfung Autopsien durchgeführt wurden. 86 Prozent der Diagnosen waren korrekt, die häufigste direkte Todesursache Lungenversagen.
Zunahme fast nur bei Todesfällen mit Covid-19
Mit Omikron und hohen Impfquoten hat sich die Situation grundlegend geändert. Das sieht man an einer Auswertung der dänischen Gesundheitsdatenbehörde (HDA). An sie werden die Sterbeurkunden für das Todesursachen-Register des Landes zur genaueren Begutachtung geschickt. Das dauert mehrere Wochen.

Die HDA-Grafik zeigt, dass ein Großteil der aktuell als Corona-Opfer geführten Toten aktuell mit und nicht wegen Covid-19 gestorben sind.
(Foto: SSI)
Der HDA-Bericht hat ergeben, dass in den vorangegangenen Wellen ein Großteil der gezählten Sars-CoV-2-Toten auch wegen Covid-19 gestorben ist. Omikron hat dazu geführt, dass die Todesfälle mit Covid-19 sehr stark gestiegen sind, die Zahl der tatsächlichen Corona-Opfer aber seit Ende November 2021 stabil geblieben ist.
Übersterblichkeit sinkt
Wie das SSI geschrieben hat, bestätigt ein Blick bei Our World in Data auf die allgemeine Übersterblichkeit (Excess Mortality), dass die dänischen Behörden die Corona-Situation nicht beschönigen. Aktuell liegt sie in Dänemark rund 4 Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019. Zu Weihnachten betrug der Wert noch 22 Prozent und ist seitdem kontinuierlich rückläufig.
Zum Vergleich: In Deutschland lag die Übersterblichkeit am 5. Dezember 34 Prozent über dem Durchschnitt, aktuell ist sie wieder im normalen Bereich. Die Zahl der registrierten Covid-19-Toten ist im Vergleich zu Dänemark relativ stabil geblieben, hierzulande scheint die Einstufung durch die laut RKI verantwortlichen Gesundheitsämter also recht zutreffend zu sein.
Auch keine Zunahme in Schweden und Großbritannien
Schweden oder Spanien sind mit hohen offiziellen Sterberaten dagegen eher mit Dänemark vergleichbar. Schweden registriert aktuell rund fünf Covid-19-Tote pro eine Million Einwohner im Sieben-Tage-Schnitt, Spanien etwa sechs. Die Übersterblichkeit ist dagegen in beiden Ländern im Laufe der Omikron-Welle auf Normalwerte gesunken. In Großbritannien sterben aktuell ebenfalls nicht mehr Menschen als in normalen Jahren. Dort ist auch die Zahl der registrierten Corona-Toten seit Mitte Januar stark rückläufig.
Dank Omikron ist die Übersterblichkeit sogar in Ländern mit miserabler Impfquote wie Polen auf Talfahrt. Nur 58 Prozent der Bevölkerung sind dort grundimmunisiert, 29 Prozent geboostert. Mitte Dezember lag die Übersterblichkeit dort noch 75 Prozent über dem Durchschnitt, mittlerweile nähert sich der Wert dort der 10-Prozent-Marke.
Laut Euromomo ist europaweit seit Dezember ein Abwärtstrend hin zur Normalisierung zu sehen, und zwar über alle Altersgruppen hinweg. Allerdings ist der Rückgang der Übersterblichkeit bei den über 75-Jährigen geringer, vor allem bei den Menschen über 85 Jahren.
Quelle: ntv.de