Regierungssprecher bestätigt Impfgipfel nach Astrazeneca-Stopp verschoben
16.03.2021, 07:33 Uhr
Der für Mittwoch geplante Impfgipfel wird voraussichtlich bis auf Weiteres verschoben.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Das Aussetzen von Astrazeneca führt zu einer Verschiebung des anstehenden deutschen Impfgipfels. Bund und Länder wollen die Entscheidung der EMA abwarten und sich nun am Freitag treffen. Unter Experten ruft das Pausieren der Impfungen indes unterschiedliche Reaktionen hervor.
Nach der Aussetzung von Corona-Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca soll die für Mittwochabend geplante Bund/Länder-Beratung zur weiteren Impfstrategie verschoben werden. Das teilte ein Regierungssprecher in Berlin mit. Nach Informationen von ntv.de soll die Runde nun am Freitag stattfinden.
Bei der Telefonkonferenz von Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder sollte es auch um die Frage gehen, wie die Hausärzte flächendeckend in den Impfabläufen berücksichtigt werden können. In den Praxen sollte dabei insbesondere der Impfstoff von Astrazeneca zum Einsatz kommen, da dieser dort auch gelagert werden kann, weil er nicht so stark gekühlt werden muss wie die Impfstoffe von Biontech und Moderna.
Überraschende Aussetzung
Doch am Montagnachmittag hatte das Bundesgesundheitsministerium überraschend mitgeteilt, dass auch Deutschland die Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca vorerst aussetzt. Vorausgegangen waren Meldungen von Blutgerinnseln im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung mit dem Präparat. Den Angaben zufolge handelt es sich um einen vorsorglichen Schritt, dem eine entsprechende Empfehlung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vorausging.
Von den sieben in Deutschland aufgetretenen Fällen mit Thrombosen (Blutgerinnseln) der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang zur Impfung verliefen drei tödlich, wie Institutspräsident Klaus Cichutek in der ARD sagte. Bisher wurde das Astrazeneca-Präparat in Deutschland über 1,6 Millionen Mal geimpft. "Wir haben aufgrund von neuen Untersuchungen, aber auch neuen Meldungen, eine neue Lage", sagte Cichutek. Mit Blick auf Großbritannien, wo solche Fälle in dem Maß noch nicht bekannt wurden, erklärte er, der Fokus sei bisher auch nicht speziell darauf gerichtet gewesen. "Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger wollen sich darauf verlassen, dass die Impfstoffe, die wir anbieten, sicher sind und wirksam sind." Zu den Auswirkungen auf die deutsche Impfkampagne sagte er: "Wenn es ein bisschen länger dauert, ist das ok."
"Aussetzung ist fahrlässig"
Andere wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sehen die Entscheidung kritisch. Der Pandemiebeauftragte des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, Christoph Spinner, sagte, Sicherheit stehe zwar an oberster Stelle - das Aussetzen könne man aber zumindest hinterfragen. "Die Ereignisse sind sehr selten", sagte er mit Blick auf die Zahl der Vorfälle. Und: "Wir impfen derzeit prioritär Menschen mit Vorerkrankungen." Diese Patienten hätten teils von vornherein ein gesteigertes Thromboembolie-Risiko.
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen nannte den vorläufigen Stopp sogar fahrlässig. "1,6 Millionen Menschen wurden bei uns bisher mit Astrazeneca geimpft und nur in sieben Fällen traten danach Blutgerinnsel auf", sagte Dahmen ntv.de. "Der Stopp der Verimpfung von Astrazeneca auf Basis dieser geringen Fallzahlen ist falsch und angesichts der dritten Welle fahrlässig." Dahmen schlug vor, über das überschaubare Risiko ausführlich aufzuklären und weiterhin jene Menschen zu impfen, die eine Impfung mit Astrazeneca möchten. "Gesundheitsminister Spahn kann sich nicht hinter dem Paul-Ehrlich-Institut verstecken, sondern trägt die Verantwortung für die Entscheidung. Dieser Vorgang ist die nächste Erschütterungswelle für das Vertrauen in die Corona-Politik der Bundesregierung."
Montgomery: Erst prüfen, dann freigeben
Der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, hält das Präparat zwar für sicher. "Trotzdem ist es richtig, dass die nationalen Behörden die Verdachtsfälle auf schwere Nebenwirkungen prüfen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er könne nachvollziehen, wenn es in einem Land Vorfälle gebe wie in Dänemark, dass man dann erst einmal prüfe, bevor man weiter impfe. Dänemark hatte als erstes Land Astrazeneca-Impfungen ausgesetzt, nachdem im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung ein Todesfall aufgetreten war. Andere Länder zogen nach. Nach Deutschland verkündete am Montagabend auch Spanien einen Stopp.
Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) rechnet nun mit deutlichen Verzögerungen im rechnerischen Impfzeitplan. "Dies würde das Impfergebnis um einen Monat rechnerisch nach hinten verschieben", sagte ZI-Chef Dominik von Stillfried dem "Handelsblatt". Dann würden statt im August erst im September alle Impfwilligen eine zweite Dosis erhalten. Das Rechenmodell des Instituts geht davon aus, dass die bislang zugelassenen Mittel von Johnson & Johnson, Moderna und Biontech/Pfizer wie zugesagt geliefert werden und die Hausärzte frühestmöglich impfen können.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten einen breiten Impfstart in Praxen spätestens in der Woche vom 19. April angepeilt. Einzelne Länder - darunter Bayern - wollten bereits ab Anfang April die Hausärzte flächendeckend einbinden.
Quelle: ntv.de, cls/dpa