Panorama

Der komplizierte Fall Epstein Sex, High Society und der Tod im "Gulag"

Gerichtszeichnung einer Befragung Epsteins Ende Juli in New York.

Gerichtszeichnung einer Befragung Epsteins Ende Juli in New York.

(Foto: REUTERS)

Jahrzehntelang betreibt der Multimillionär Jeffrey Epstein ein Schneeballsystem sexuellen Missbrauchs. Bevor es zum Prozess kommen kann, wird er tot in seiner Zelle in New York gefunden. Wer könnte daran ein Interesse haben?

Was wurde ihm vorgeworfen?

Jeffrey Epstein soll sich immer wieder an minderjährigen Frauen sexuell vergangen haben. Deshalb saß er in New York City hinter Schloss und Riegel und wartete auf seinen Prozess, der im kommenden Jahr beginnen sollte. Ihm drohten bis zu 45 Jahre Haft, er plädierte auf nicht schuldig. Epstein sprach offen über seine sexuellen Vorlieben und sah es als "kulturelle Verirrung" an, dass Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen verboten ist. Im Jahr 2008 hatte er sich bei ähnlichen Vorwürfen mit der Staatsanwaltschaft auf eine sehr milde Strafe ohne Verfahren geeinigt. Der damalige Staatsanwalt war Alexander Acosta. Wegen der fragwürdigen Vereinbarung trat Acosta von seinem Amt als Arbeitsminister in der Regierung von US-Präsident Donald Trump zurück.

Wie genau starb er denn?

Die US-Behörden gehen von Suizid durch Erhängen aus. Die Autopsie an dem 66-Jährigen wurde am Sonntag von der obersten Gerichtsmedizinerin New York Citys, Barbara Sampson, im Beisein eines Privatarztes durchgeführt. Das Ergebnis stehe noch nicht fest, weil Informationen fehlten, sagte sie. Sampson sei jedoch "sicher, dass die Todesursache Selbstmord durch Erhängen" sei, schreibt die "New York Times". Es gebe "keine Anzeichen von einem Verbrechen", meldete "NBC News". Es ist nicht ungewöhnlich, dass nach einer solchen Autopsie nicht sofort ein Ergebnis bekannt wird, aber es nährt Zweifel an der offiziellen Version.

Was ist so außergewöhnlich an seinem Tod?

Epstein soll bereits zuvor versucht haben, sich umzubringen. Nach dem gescheiterten mutmaßlichen Suizidversuch zwei Wochen zuvor war er zunächst 24 Stunden überwacht und täglich psychologisch untersucht worden. In der Nacht seines Todes hätten Wärter alle 30 Minuten nach ihm sehen müssen, was aber nicht geschah. Zudem war Epstein entgegen der Gepflogenheiten allein. Ein Zellengenosse war zuvor verlegt worden. Verschwörungstheoretiker vermuten einen fingierten Suizid, um Epstein aus dem Weg zu räumen. Er selbst sah sich wegen seiner sexuellen Vorlieben als "Unberührbarer" in der Welt der Reichen und Mächtigen.

Warum sollte jemand Interesse an Epsteins Tod haben?

Einerseits gibt es mögliche Rachegefühle der Opfer. Andererseits gibt es mächtige Männer, die möglicherweise in die Machenschaften des Multimillionärs verwickelt gewesen sein könnten oder über die er kompromittierende Informationen gehabt haben könnte. Epstein hatte etwa im vergangenen Jahr der "New York Times" vertraulich gesagt, er wisse vom hedonistischen Lebensstil prominenter Silicon-Valley-Geschäftsmänner, die für Sex bezahlten und Drogen nähmen.

In rechtskonservativen Kreisen ist zudem schon seit Jahrzehnten eine Verschwörungstheorie beliebt, für die Epsteins Tod und dessen Umstände ein gefundenes Fressen sind. Sie besagt, dass Bill und Hillary Clinton Menschen umbringen lassen, die etwas über ihre vermeintlichen dunklen Machenschaften wissen. Der Twitter-Hashtag dafür ist martialisch: #ClintonBodyCount. Auch US-Präsident Donald Trump bezog sich in einem Tweet auf diese Behauptung. Aber auch andere Hypothesen kursieren, etwa dass Trump - ein langjähriger Nachbar Epsteins in Florida -, ein Regierungsmitglied oder andere Personen ein Interesse an seinem Tod haben könnten.

Kannte Clinton Epstein?

Ja. Epstein hat trotz seiner Geschichte über Jahrzehnte Kontakte in die High Society geknüpft und war mit zahlreichen Politikern und Unternehmern, darunter auch Ex-Präsident Bill Clinton, aber eben auch Donald Trump, zumindest gut bekannt. Clinton und Trump haben sich bereits von Epstein distanziert. Epsteins Ex-Freundin Virginia Giuffre behauptete, Bill Clinton habe Epstein auf dessen Insel Little Saint James auf den Virgin Islands besucht. Am Freitag vor Epsteins Tod wurden jedoch Gerichtsdokumente öffentlich, in denen Giuffre zugibt, dass dies nicht stimmt.

Hatte Epstein Komplizen?

Zeugenaussagen zufolge hatte Epstein ein regelrechtes Schneeballsystem sexuellen Missbrauchs aufgebaut. Das Codewort für Sex sei "Massage" gewesen. Laut "Miami Herald" hatte Epstein eine Hauptkomplizin: Ghislaine Maxwell. Ihr wird vorgeworfen, mit Epstein gemeinsam einen Sexring aufgebaut zu haben, über den sie mächtige und reiche Personen mit Mädchen und Frauen versorgten. Ihre Opfer seien mit Modeljobs, Kleidung und Geld gelockt worden. Giuffre gab an, von Maxwell als "Sexsklavin" rekrutiert worden zu sein. Einige Mädchen bezahlte Epstein dafür, ihm weitere junge Frauen vorzustellen.

Maxwell streitet eine Beteiligung ab. Justizminister Barr sagte, der Fall Epstein sei mit dessen Tod "noch lange nicht vorbei". Alle möglichen Komplizen Epsteins in dessen Missbrauchssystem "sollten nicht ruhig schlafen". Staatsanwälte sagen, die Ermittlungen würden trotz Epsteins Tod fortgesetzt. Am Montag durchsuchte das FBI Epsteins Haus auf seiner Insel.

Wen kannte Epstein noch?

Epstein kannte neben Clinton und Trump etwa auch Prince Andrew aus dem britischen Königshaus. In dem vertraulichen Gespräch mit der "New York Times" hatte Epstein gesagt, dass er regelmäßigen Kontakt zum saudi-arabischen Kronprinz Mohammed bin Salman habe. Den Journalisten lud er danach zu Abendessen mit Regisseur Woody Allen, Autor Michael Wolff und Trumps ehemaligen Berater Steve Bannon ein - der Journalist nahm die Angebote aber nicht an.

Alan Dershowitz, ein emeritierter Juraprofessor aus Harvard, hatte ebenfalls über lange Zeit mit Epstein zu tun. Zwei Frauen geben an, Dershowitz sei ebenfalls am Sexring beteiligt gewesen. Der Jurist sowie Prinz Andrew haben bestritten, in irgendeiner Weise in Epsteins Machenschaften verwickelt zu sein.

Das Metropolitan Correctional Center in Lower Manhattan, in dem sich Epstein das Leben nahm.

Das Metropolitan Correctional Center in Lower Manhattan, in dem sich Epstein das Leben nahm.

(Foto: REUTERS)

Auch der Milliardär hinter dem Label "Victoria's Secret", Leslie Wexner, gehört in den engeren Kreis Epsteins. Wexner gab ihm weitreichende Kompetenzen über seine Vermögens- und Steuerangelegenheiten, die er managen sollte. Dafür soll Epstein 200 Millionen Dollar erhalten haben. Der Milliardär sagte, Epstein habe ihn um 46 Millionen Dollar betrogen und er bereue, ihn jemals kennengelernt zu haben. Zudem könnte Epstein über seine mutmaßliche Komplizin Maxwell indirekt noch Kontakt zu vielen weiteren Prominenten gehabt haben, über die er möglicherweise Belastendes wusste.

Ist das Gefängnis, in dem Epstein starb, überhaupt sicher?

Eigentlich schon. Gebaut wurde das 12-stöckige Hochhaus in Lower Manhattan im Jahr 1975 für 474 Insassen. Derzeit befinden sich dort laut Behördenangaben 763 Männer. Sie alle warten auf ihren Prozess oder ein Urteil. Auch Schwerverbrecher wie der mexikanische Drogenboss El Chapo saßen dort ein. Die dortigen Haftbedingungen seien "24 Stunden pro Tag psychische Folter", sagte dieser bei seinem Gerichtsprozess. Ein Professor des Brooklyn College, der über das Gefängnis geschrieben hat, beschrieb es in einem Interview im Juni als "Gulag": "verschmutzt, kalt, ohne Tageslicht, extreme Isolationshaft (…), absurde Regeln (…)".

Was sagen die Wärter?

Ein Vertreter der Angestellten sagte, die Wärter seien völlig überlastet gewesen. Einer der beiden Wärter soll wegen Personalmangels bereits den fünften Tag in Folge Überstunden gemacht haben. US-Justizminister William Barr sagte, seine Mitarbeiter hätten bereits "ernsthafte Unregelmäßigkeiten" in der Haftanstalt entdeckt, die den Gefangenen nicht ausreichend gesichert habe. Damit beschuldigte Barr seine eigenen Untergebenen: Die Bundeseinrichtung gehört zur Gefängnisverwaltung, die wiederum zu Barrs Ministerium gehört. Das FBI ermittelt.

  • Bei Suizidgefahr: Notruf 112
  • Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33

  • Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
  • Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.
  • In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.
  • Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).

Quelle: ntv.de

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