"Hart aber fair" zu Leaks "Das hat alle nochmal geweckt in der Bundeswehr"
05.03.2024, 05:21 Uhr Artikel anhören
Der Abhörskandal habe noch einmal klargemacht, dass Russland einen hybriden Krieg gegen Deutschland führe, sagt Hofreiter.
Der russische Geheimdienst zeichnet ein Internetgespräch von mehreren Offizieren auf, das russische Fernsehen veröffentlicht es. Wie geht es weiter? Die CDU-Abgeordnete Serap Güler fordert bei "Hart aber fair" personelle Konsequenzen im Kanzleramt. Diese liegen in der Person des Kanzlers, so Güler.
19. Februar. Knapp 40 Minuten reden sie miteinander: vier hochrangige Luftwaffenoffiziere. Es geht um mögliche Taurus-Lieferungen an die Ukraine. Doch sie sitzen nicht in einem Raum. Sie sind per Internet miteinander verbunden, einer in einem Hotelzimmer in Singapur. Obwohl es bei der Bundeswehr ein verschlüsseltes Netz gibt, nutzen sie Webex, ein Unternehmensnetzwerk, das sicher sein soll.
Sie sprechen ausführlich über die Funktionsweise der Taurus-Marschflugkörper. Angeblich ist die Ukraine damit in der Lage, die Zerstörung der Krimbrücke zu nutzen - oder die russische Hauptstadt Moskau anzugreifen. Im Gespräch wird klar: Das könnte Taurus, aber ganz so leicht ist es nicht.
Vor allem aber geht es darum, ob die Waffen auch ohne deutsche Soldaten in der Ukraine eingesetzt werden könnten. Die Antwort: Ja. Dabei könnten internationale Partner unterstützen. Es fällt der Satz: "Wir fragen, ob in dieser Phase, bis die selber komplett, komplett ausgebildet sind, fragen wir die Briten, ob sie in der Phase übernehmen." Bei "Hart aber fair" in der ARD diskutieren am Montagabend die Gäste über die Konsequenzen nach dem Abhörskandal bei der Luftwaffe.
"Ich war fassungslos"
André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes, ist ziemlich sauer. Er begrüßt die Ankündigung von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von Sonntagabend, dass die Angelegenheit untersucht werde. Erste Ergebnisse dürfte es schon diese Woche geben, hofft er. Dennoch sagt er klar: "Ich war fassungslos." Seit Jahren habe man von Hackerangriffen der russischen Seite gewusst. Immer wieder habe es Eindringungsversuche gegeben. Jetzt wäre Zeit, noch einmal darüber nachzudenken, in welcher Weise man bei der Bundeswehr, aber auch innerhalb der Regierung sicherer kommunizieren müsse. Bei der Bundeswehr gebe es beim Thema Sicherheit glasklare regeln, die Offiziere seien geschult. Aber: "Das hat alle nochmal geweckt in der Bundeswehr, was den Umgang mit sensiblen Daten anbelangt", sagt Wüstner.
War es das einzige abgehörte Gespräch?
Doch vielleicht ist es dazu schon zu spät. Denn unklar ist, wie lange der russische Geheimdienst die Luftwaffe schon abgehört hat - und ob er der einzige Lauscher ist. Darauf weist auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler hin, die Mitglied im Verteidigungsausschuss ist: "Ich würde mir wünschen, dass es ein Einzelfall ist; Ich fürchte nur, dass tatsächlich weitere Gespräche auch abgehört wurden."
"Man kann es definitiv nicht ausschließen", stimmt Wüstner zu. Der russische Präsident Putin habe genau gewusst, wann er diese Informationen veröffentlichen lassen musste, sagt der Offizier. Es sei bekannt, "dass wir innenpolitische Unwuchten haben, die wir nicht brauchen. Eigentlich braucht es Geschlossenheit in Europa und auch innenpolitisch, bezogen auf die Herausforderungen, die wir haben." Schließlich werde die imperialistische Bedrohung durch Putin nicht in drei Monaten vorbei sein.
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter möchte im Zusammenhang mit dem Abhörskandal nicht von einem politischen Schaden sprechen. Immerhin sei noch einmal klar geworden, dass Russland einen hybriden Krieg gegen Deutschland führe, und in dem Gespräch sei nichts über die Taurus-Marschflugkörper gesagt worden, was jemand, der einigermaßen informiert sei, nicht schon gewusst habe. Auch die ehemalige Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal möchte lieber die Lehren hervorheben, die aus diesem Skandal gezogen werden könnten.
Doch das lässt Serap Güler nicht gelten. Die Politikerin kritisiert Bundeskanzler Scholz. Der habe das Vertrauen der Alliierten missbraucht und einen Geheimnisverrat begangen, als er in der vergangenen Woche über britische Einsatzpläne gesprochen habe. "Wenn man jetzt über personelle Konsequenzen spricht, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: die personelle Konsequenz, die man jetzt ziehen sollte, liegt in der Person des Bundeskanzlers."
Während Rosenthal den Kanzler verteidigt, übt Hofreiter ganz offen Kritik an Scholz. Man könne ganz entspannt über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern streiten, sagt er. "Aber die Aussagen sollten stimmen." Die Aussagen von Scholz, zur Bedienung der Taurus-Waffen brauche man Bundeswehrsoldaten, sei falsch. Das könne man in Südkorea beobachten. "Südkorea hat 260 Taurus, und da sind keine Bundeswehrsoldaten im Einsatz", sagt Hofreiter. Auch die Angst, die Ukraine könne mit den Taurus-Marschflugkörpern Russland beschießen, sei unbegründet. Hofreiter: "Man kann den Taurus geofencen." Das bedeutet, man kann den Marschflugkörper vor der Auslieferung so programmieren, dass er bestimmte Gebiete nicht anfliegen kann. "Als Kanzler kann man sich beim Hersteller darüber informieren, dass das geht, das ist nicht verboten", sagt Hofreiter.
Und Güler appelliert erneut, die Ukraine mit allem zu unterstützen, was Deutschland habe, damit sie aus der aktuellen Defensive wieder herauskommen könne. Dabei sei es falsch, mit Angst zu reagieren, dass Deutschland zur Kriegspartei werden könne, so wie es der Kanzler tue. "Dann gehen wir Putin auf den Leim."
Quelle: ntv.de