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Thüringer CDU-Chef Voigt "Die AfD redet viel über Probleme, liefert aber nicht"

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Möchte Ministerpräsident von Thüringen werden: Landes-CDU-Chef Mario Voigt.

Möchte Ministerpräsident von Thüringen werden: Landes-CDU-Chef Mario Voigt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Thüringer wählen in vier Monaten einen neuen Landtag - der CDU-Kandidat Mario Voigt möchte den AfD-Chef Björn Höcke besiegen. Wie er das hinbekommen will und warum er trotz Umfragerückstand an seine Chance glaubt, sagt er im Interview mit ntv.de.

ntv.de: Herr Voigt, Sie haben ein großes Ziel: Ministerpräsident von Thüringen werden. Bis zur Wahl am 1. September sind es noch vier Monate. In Umfragen steht Ihre CDU bei rund 20 Prozent, die AfD bei etwa 30. Was macht Sie trotzdem optimistisch?

Mario Voigt: Die Menschen in Thüringen wollen kein "Weiter so" mit dieser linksgrünen Regierung. Sie erwarten, dass es in Thüringen vorangeht: die Wirtschaft in Schwung kommt, Unterricht wieder stattfindet und sie sich wieder sicher fühlen können. Vor diesem Hintergrund sagen viele im Land: Die CDU soll's machen. Deswegen wird es im Sommer ein Duell werden zwischen CDU und AfD. Dafür sind wir fit.

Sie sind längst in den Wahlkampf eingestiegen und haben viele Termine, vom Treffen mit Mittelständlern bis hin zum Skatspiel im Altenburger Land, der Heimat des Kartenspiels. Wie laufen die Gespräche ab?

Sehr offen und direkt. Die Menschen haben das Gefühl, dass unser Land auf dem absteigenden Ast ist. In der Wirtschaft sind wir von der Champions League auf einen Abstiegsplatz gerutscht. Dabei kümmert sich die Berliner, aber auch die Erfurter Politik nicht um Dinge, die wirklich wichtig sind. Cannabis zu legalisieren, aber keine Medikamente in die Apotheken zu bekommen - das ärgert die Menschen. Mein Job ist es, einen konkreten Plan für Thüringen vorzulegen, aber auch zu zeigen: Ich sehe euch mit euren Themen. Dafür erhalte ich viel Zuspruch.

Ihr TV-Duell mit Björn Höcke liegt nun zwei Wochen zurück. Wie ist Ihr Gefühl heute? Fühlen Sie sich als Gewinner?

Es war richtig, das TV-Duell zu machen. Darin haben mich die Reaktionen bestätigt. Viele haben mir gesagt: Es ist gut und wichtig, als Demokrat den Mut zu haben, sich dem zu stellen. Höcke hat in zentralen Fragen gewackelt und gezeigt, dass er bezwingbar ist. Das ist für viele im Freistaat ermutigend. Er hätte die Gelegenheit gehabt, seine Konzepte mal zu erklären. Aber er konnte sich ja nicht einmal mehr daran erinnern, was er in seinem eigenen Buch geschrieben hat.

Warum rennen so viele Menschen in Thüringen einem Rechtsextremen wie Björn Höcke hinterher?

Weil der Frust groß ist. Viele haben die Nase voll. Ihr Eindruck ist: Die Politik macht das Leben nicht besser, sondern komplizierter und schwieriger. Deswegen wollen wir als Union das Leben der Menschen wieder einfacher machen.

Wie denn?

Zum Beispiel mit einer großangelegten Offensive gegen die Bürokratie. Wir wollen eine Acht-Wochen-Genehmigt-Garantie umsetzen. Gibt es nach acht Wochen keine Entscheidung über einen Antrag, gilt er als genehmigt. Mittlerweile fällt jede zehnte Unterrichtsstunde in Thüringen aus. Das frustet die Familien. Das verstehe ich auch, denn ich bin selbst zweifacher Familienvater. Wir wollen eine Übernahmegarantie für alle Lehrer, die das zweite Staatsexamen bestehen.

Ein anderes Thema ist das Bürgergeld. Innerhalb von zwei Jahren gab es eine 25-prozentige Steigerung, und das in Zeiten der Rezession. Der Eindruck ist: Die Fleißigen, die morgens aufstehen, werden geschröpft, und auf der anderen Seite werden permanent neue Sozialstaatsversprechen gemacht. Im letzten Jahr haben wir zehn Milliarden Euro mehr für Sozialausgaben ausgegeben und eine Milliarde weniger für Bildung und Forschung. Da kann Lieschen Müller eins und eins zusammenzählen.

Kernthema der AfD ist aber die Migration.

Das Thema spielt für die Bürger eine große Rolle. Wir haben irreguläre Migration in großer Zahl. Und die muss gestoppt werden, weil Kommunen und die Gesellschaft überfordert sind. In Thüringen lassen wir als CDU unseren Worten auch Taten folgen, das zeigen wir auf kommunaler Ebene. Die erste Landrätin, die deutschlandweit die Bezahlkarte eingeführt hat, war eine CDU-Landrätin. Der Landrat, der eine Arbeitsverpflichtung in Gemeinschaftsunterkünften durchgesetzt hat, war ein CDU-Landrat. Der AfD-Landrat in Sonneberg hat in dieser Richtung noch gar nichts gebacken bekommen. Daran sehen wir: Die AfD redet viel über Probleme, liefert aber nicht.

Schon in weniger als vier Wochen, am 26. Mai, sind in Thüringen Kommunalwahlen. Auch da könnte die AfD Erfolge feiern. Wie wichtig ist diese Wahl?

Das ist schon ein Aufgalopp zur Landtagswahl und wir sind sehr optimistisch. Wir haben im Januar die erste wichtige Kommunalwahl im Saale-Orla-Kreis gewonnen. Das war ein Zweikampf CDU / AfD in einer Höcke-Hochburg.

Die CDU hat sich im Saale-Orla-Kreis durchgesetzt, weil in der Stichwahl alle AfD-Gegner den CDU-Kandidaten gewählt haben. Ist das nicht genau das, was die AfD will? Allein gegen die anderen Parteien?

Ach, diese Opferrolle und dieser weinerliche Ton bei der AfD, den lassen wir nicht zu. In Thüringen stellen sich viele Menschen die Frage: Wie geht es wieder vorwärts? Aber eben auch, wer stoppt die? Glauben Sie, die Menschen wollen ein Land mit dem Image von Björn Höcke? Sie haben schon mit Rot-Rot-Grün zehn Jahre Stillstand erlebt. Sie wollen eine positive Veränderung. Wenn eine aktive Bürgergesellschaft in Stichwahlen sagt: Wir unterstützen jetzt den CDU-Kandidaten, dann finde ich das nachvollziehbar. Denn als CDU stehen wir in der Mitte der Gesellschaft.

Dahinter steht immer auch die Frage: Wie rechts ist Thüringen wirklich?

Thüringen ist das schönste Bundesland und konservativ geprägt. Die linke Minderheitsregierung hat weder im Land noch im Landtag eine Mehrheit. Die Menschen werden regiert von Menschen mit einer Ideologie, die sie in der Tiefe ihres Herzens überwiegend ablehnen. Deren Kritik hat nichts mit Rechtsextremismus zu tun. Diese Hälfte hat echt nur Frust und will, dass sich was ändert. Nehmen Sie das Heizungsgesetz: Das ist eine ideologische Energiepolitik, die dem durchschnittlichen Thüringer Sorge bereitet. Sein über Jahre aufgebauter Wohlstand wird mit einem Fingerschnippen gefährdet. Da fragen sich viele: "Wie kann ich ein Warnsignal senden?" Dafür habe ich Verständnis. Im Gegensatz zu anderen bieten wir als Union aber auch eine Antwort an.

Aber wie grenzen Sie sich da von der AfD ab? Auch Sie äußern sich islamkritisch und wollen Zuwanderung begrenzen.

Gerade in dem Thema gibt es einen substanziellen Unterschied zwischen AfD und CDU. Die linken Parteien wollen: Alle rein. Die AfD sagt: Alle raus. Die CDU sagt: Wir sind ein weltoffenes Land, aber wir hängen nicht die Tür zu unserer Wohnung aus. Wir entscheiden selbst, wer zu uns kommt und wie viele. Dabei müssen wir zwischen dringend benötigten Fachkräften, etwa in der Pflege, und illegalen Einwanderern unterscheiden. Als CDU machen wir da ein ganz klares Angebot. Mit sicheren Drittstaaten, in denen die Anerkennungsverfahren stattfinden und mit klarem Grenzschutz. Die AfD will Leute mit deutschem Pass aus Deutschland verbringen. Das ist etwas völlig anderes.

Einst sagte Bundespräsident Christian Wulff, ein CDU-Politiker, "der Islam gehört zu Deutschland". Im CDU-Grundsatzprogramm heißt es mittlerweile: Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt, gehört nicht zu Deutschland. Warum dieses Rumgeiere? Warum kann es nicht beim Wulff-Diktum bleiben?

Es ist richtig, dass die Union hier den Finger in die Wunde legt. Ein politischer Islam, der aus dem Ausland finanziert wird und Werte predigt, die nicht unser Land ausmachen, gehört nicht zu Deutschland. Wenn Menschen auf deutschen Straßen ein Kalifat ausrufen, so wie am Wochenende in Hamburg, wenn sie die Scharia über das deutsche Gesetz stellen, dann stellen wir uns dem ganz klar entgegen. Wir sind die einzige Partei, die diese Debatte differenziert führt.

Das klingt eher nach Generalverdacht.

Nein, eben nicht. Wir reichen den Millionen Muslimen die Hand, die in Deutschland zum Erfolg unseres Landes beitragen. Das sind doch die, die sich am meisten über diesen Extremismus aufregen. Denjenigen, die unsere Werte nicht teilen und sie sogar bekämpfen, müssen wir klar entgegentreten. Andere Parteien drücken sich in dieser Frage. Wir sagen ganz klar: Es gibt eine Hausordnung, die Leitkultur. Die geht über Verfassungspatriotismus hinaus. Sie besteht aus unserer Kultur und unseren Bräuchen. Das ist eine Einladung, aber auch eine Anforderung. Eines ist klar: Menschen, die Kalifat und Scharia auf unseren Straßen fordern, die kriegen ein One-Way-Ticket aus Deutschland weg.

Eine der neuen Parteien ist das Bündnis Sahra Wagenknecht, BSW. Freuen Sie sich eigentlich darüber, weil die der AfD Stimmen abjagen?

Das zeigt mir vor allem: Der Frust ist groß, aber auch: Die AfD ist schlagbar.

Eine Koalition mit dem BSW schließen Sie nicht aus. Aber das BSW ist aus der Linken hervorgegangen und hat große Überschneidungen. Mit der Linken wollen Sie aber absolut keine Koalition. Wie passt das zusammen?

Was ich in Sachen Migration vom BSW höre, ist viel lebensnäher als das, was die Linke sagt. Ansonsten gilt für Thüringen: Das BSW ist programmatisch eine Blackbox. Es gibt noch kein konkretes inhaltliches Angebot. Das Personalkarussell reicht von konservativen SPD-Leuten bis zu einer konservativen ehemaligen Linken. Sogar ein ehemaliger CDU-Mann ist dabei.

Wir halten fest: Die CDU könnte mit BSW oder auch Grünen koalieren, aber nicht gern. Was ist Ihre Wunschkoalition?

Mein Ziel ist, dass die CDU stärkste Kraft wird. Koalitionsdebatten helfen den Menschen bei ihren konkreten Sorgen wenig. Die Grünen gehören mit ihrer ideologischen Politik in die Opposition. Was nach der Wahl möglich ist, entscheiden die Wähler. Umfragen sind keine Wahlergebnisse.

Die Bundes-CDU fordert von Bundeskanzler Olaf Scholz eine entschlossenere militärische Unterstützung der Ukraine. Die Thüringer sind bei den Ukraine-Hilfen ausgesprochen skeptisch. Wo stehen Sie?

Die Ukraine muss sich verteidigen, darin sind wir uns einig. Aber gleichzeitig brauchen wir auch mehr diplomatische Anstrengungen. Es gibt den Spruch: "Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin - dann kommt der Krieg zu dir." Putin hat alle belogen. Ein Diktator, der in seinem Land und sogar in Deutschland Menschen umbringen lässt, kann kein Partner sein. Das versteht jeder, mit dem ich rede. Wir wissen doch genau, was in der Ukraine passiert, wenn Putin gewinnt. Nawalny und andere Morde zeigen doch, was dann im großen Stil passiert. Das wird zu einer riesigen Fluchtbewegung führen. Schätzungen zufolge könnten vier Millionen Ukrainer nach Deutschland kommen. Deswegen ist es auch in unserem eigenen Interesse, da eine gute Strategie zu haben.

Sollte Deutschland wieder russisches Gas importieren? Kann Putin wieder ein normaler Partner werden?

Russland war immer ein Partner Deutschlands. Putin wird aber Energie immer nur als Instrument seiner Interessen einsetzen. Deswegen tun wir gut daran, viele Energie-Quellen zu nutzen, um die Abhängigkeit Deutschlands zu reduzieren und Energie wieder günstiger zu machen. Aber bitte, wir sind ja vom eigenen Wirtschaftsminister offensichtlich belogen worden beim Thema Kernkraft. Deswegen steht die Kernkraft auch in unserem CDU-Grundsatzprogramm. Sie muss eine Option bleiben.

Aber die Frage war nach dem nach Gas.

Unterschiedliche Quellen machen absolut Sinn.

Auch Gas aus Russland?

Im letzten Jahr kamen rund 15 Prozent der europäischen Gasimporte aus Russland. Günstige Energie ist eine zentrale Frage für unseren Industriestandort. Aber jetzt sind wir in einer Kriegssituation.

Auf dem Bundesparteitag der CDU kommende Woche beschließen Sie das neue Grundsatzprogramm. Sie könnten auch gleich Friedrich Merz die Kanzlerkandidatur antragen, oder?

Friedrich Merz macht einen exzellenten Job. Und wir haben ein verabredetes Verfahren und das finde ich gut so. Die Parteivorsitzenden der CDU und CSU werden nach der Sommerpause einen Vorschlag machen. Da werden sicher auch die Landesverbände mitreden. Die Union geht geschlossen in den Wahlkampf und daran sollten wir auch nichts ändern.

Wer wäre Ihnen denn lieber? Merz oder Söder?

Wir haben gerade ein sehr gutes Mannschaftsspiel in der Union. Wir stehen als einzige christlich-demokratische Partei in Europa stabil über 30 Prozent. Gemeinsam werden zu einer guten Lösung kommen, davon bin ich überzeugt.

Mit Kommunalwahl, Europawahl und Landtagswahl haben Sie ein anstrengendes Jahr vor sich. Wie viele Gehacktes-Brötchen braucht man da pro Woche, um fit zu bleiben?

Sie werden lachen, ich bekomme mittlerweile bei jedem zweiten Termin eins angeboten. Insofern muss ich etwas auf meinen Diätplan achten. Aber als Thüringer atmet man das weg.

Mit Mario Voigt sprach Volker Petersen

Quelle: ntv.de

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