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Paus blockiert Lindner-Gesetz Dieser Ampel-Krach spaltet auch die Grünen

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Paus und Lindner sollen sich bis Monatsende einigen.

Paus und Lindner sollen sich bis Monatsende einigen.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Die Ampelkoalition streitet wieder. Gleich in der ersten Kabinettssitzung nach der Sommerpause entzweien sich Grüne und FDP erneut. Diesmal geht es um das Wachstumschancengesetz, das Familienministerin Paus nicht mittragen will. Allerdings hat sie nicht alle Grünen auf ihrer Seite.

Eigentlich wollte die Ampelkoalition mit neuem Schwung aus der Sommerpause zurückkehren und mit mehreren großen Gesetzesvorhaben Handlungsfähigkeit demonstrieren. Doch daraus wird nichts - ein wichtiges Gesetz zur Entlastung der Wirtschaft schafft es nicht ins Kabinett, das Wachstumschancengesetz bleibt erstmal in der Schublade. Familienministerin Lisa Paus will es nicht mittragen, solange Finanzminister Christian Lindner nicht mehr Geld für die Kindergrundsicherung bereitstellt. Damit eskaliert der seit Monaten schwelende Streit zwischen der Grünen-Politikerin und dem FDP-Chef.

Doch etwas ist anders als in früheren Auseinandersetzungen: Nicht nur Grüne und FDP streiten, sondern auch Grüne mit Grünen. Paus weiß die Parteilinke auf ihrer Seite, während beispielsweise Wirtschaftsminister Robert Habeck dem Lindnerschen Gesetz bereits zugestimmt hat. Habeck versuchte nach ntv-Informationen sogar gemeinsam mit Annalena Baerbock eine Einigung herbeizuführen. Die Frontlinien in der Koalition verlaufen hier also nicht nur zwischen Grünen auf der einen und FDP und SPD auf der anderen Seite - sondern mitten durch die Grünen hindurch.

Hier tut sich wieder jener Graben auf, der die Partei seit ihrer Gründung teilt, jener zwischen Fundis und Realos, also Linken und weniger Linken. Paus, eine Linke, weiß beispielsweise Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang und Katharina Dröge, die Fraktionschefin, an ihrer Seite. Die Vizekanzler-Autorität Habecks, ein Realo, beeindruckt sie offenbar nur sehr begrenzt. Spätestens seit dem Asylkompromiss der EU sind die beiden Grünen-Flügel ohnehin schwer genervt voneinander.

Klärung in Meseberg

Bis der Streit um die Kindergrundsicherung endgültig geklärt wird, werden wohl noch zwei Wochen ins Land gehen. Denn das Wachstumschancengesetz soll nun erst Ende August erneut auf den Kabinettstisch kommen, wie ntv aus Koalitionskreisen erfuhr. Dann trifft sich das Kabinett im brandenburgischen Meseberg zur Klausur. Die Zusammenkunft solle der Wirtschaft gewidmet werden, hieß es nun, und das besagte Gesetz dort beschlossen werden. "Der Austausch hierzu wird nun fortgesetzt". Heißt: Lindner und Paus sollen sich in den kommenden Wochen möglichst einigen.

Das Wachstumschancengesetz sieht Entlastungen für die Wirtschaft in Höhe von rund sechs Milliarden Euro vor und ist ein zentrales Vorhaben Lindners. Paus argumentierte, das Volumen sei zu hoch, wenn Lindner nicht bereit sei, mehr Geld für die Kindergrundsicherung bereitzustellen. Die wiederum ist ein zentrales Anliegen der Grünen, insbesondere des von Paus geführten Familienministeriums. Dabei geht es darum, Sozialleistungen für Kinder zusammenzuführen und digital einfacher abrufbar zu machen. Für die FDP ist das vor allem ein Digitalisierungsprojekt. Die Grünen wollen aber unbedingt auch die Leistungen selbst erhöhen.

Dafür hatte Paus ursprünglich zwölf Milliarden Euro gefordert, Lindner hingegen wollte nur zwei im Haushalt einplanen. Seit Monaten streiten Grüne und FDP, Lindner und Paus, darüber. Immerhin: Paus würden mittlerweile auch bis zu sieben Milliarden Euro reichen. Für die Grünen, insbesondere die Partei-Linke, ist der Kampf gegen Kinderarmut ein Herzensangelegenheit. Setzen sie sich in dieser Frage nicht durch, wäre das schmerzhaft. Nicht zuletzt, weil sie im nächsten Wahlkampf ständig damit konfrontiert würden.

Lindner hingegen pocht auf die Einhaltung der Schuldenbremse und argumentiert unter anderem damit, dass bereits das Kindergeld erhöht wurde. Außerdem geht er davon aus, dass mehr Menschen die Leistungen abrufen werden, wenn die Antragsverfahren digitalisiert und damit einfacher werden. Für die FDP ist die Schuldenbremse ebenfalls ein Wahlkampfthema - und zwar eines der wichtigsten. Überdies hat das Wachstumschancengesetz hohe Priorität für Lindner. Es soll der von Pandemie, Krieg und hohen Energiepreisen gebeutelten Unternehmen neue Luft verschaffen. Der Einsatz ist also auf beiden Seiten hoch.

Scholz schrieb Paus einen Brief

Es ist anzunehmen, dass es Scholz' Idee war, die Lage erstmal zu beruhigen, indem er die Frage auf die Kabinettsklausur in Meseberg Ende des Monats schiebt. Dabei spielte er selbst eine Rolle bei der Verschärfung des Streites. Anfang Juli hatte er Paus einen Brief geschrieben und sie dazu aufgefordert, bis Ende August einen Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung vorzubereiten. Darin forderte er die Ministerin auf, mehrere Varianten für die "beabsichtigten Leistungsverbesserungen" vorzulegen. "Die Ressortabstimmung sollte dann möglichst zeitnah eingeleitet werden, so dass eine Kabinettsbefassung Ende August realisiert werden kann", heißt es in dem Brief, der ntv vorliegt.

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Die Kindergrundsicherung müsste also ebenfalls in Meseberg auf den Tisch kommen. Dabei dürfte das alte Verhandlungsmotto gelten: Nichts ist geeint, bis alles geeint ist. Sprich: Paus wird Lindners Wachstumschancengesetz so lange blockieren, bis ihr ein annehmbares Angebot gemacht wird. Dabei ist es auch in Scholz' Interesse, dass eine Einigung gelingt. Das Ansehen der Ampel ist nach dem Heizungsstreit ramponiert, die drei Parteien haben laut "Trendbarometer" von ntv keine eigene Mehrheit mehr. Geschlossenheit und konstruktives Arbeiten dürfte zu den Grundtugenden zählen, die daran etwas ändern könnten. Das weiß auch Scholz.

Stattdessen hagelt es nun wieder Streit-Schlagzeilen. "Der Gesetzentwurf ist fast fertig", hatte Paus noch am Montagabend im "Nachtjournal Spezial" bei RTL gesagt. Man sei in guten Gesprächen. Offenbar waren sie nicht gut genug.

Quelle: ntv.de

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