Koalitionsstreit geht weiter Paus blockiert Lindners Wachstumschancengesetz im Kabinett
16.08.2023, 12:12 Uhr Artikel anhören
Paus will zunächst über die finanzielle Ausgestaltung der von ihr geplanten Kindergrundsicherung sprechen, heißt es aus Regierungskreisen.
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Mit dem Wachstumschancengesetz will Finanzminister Lindner Klimaschutz-Investitionen von Unternehmen ankurbeln. Dieser Plan liegt nun allerdings auf Eis: Familienministerin Paus legt ihr Veto gegen das Gesetzesvorhaben ein. Sie fordert im Gegenzug mehr Mittel für die geplante Kindergrundsicherung. Der Streit soll nun Ende August in Meseberg beigelegt werden.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat im Kabinett ihre Zustimmung für das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner verweigert. Wie ntv aus Koalitionskreisen erfuhr, blockierte die Ministerin bei der Kabinettssitzung das Vorhaben milliardenschwerer Steuersenkungen für Unternehmen. Per Veto verhinderte das Paus-Ministerium die Befassung durch das Kabinett. Die Grünen-Politikerin begründete dies intern damit, sie wolle erst über die finanzielle Ausstattung der Kindergrundsicherung Klarheit haben. Hier bremst aus ihrer Sicht der FDP-Kabinettskollege die gewünschte Finanzierung, die aus Sicht von Paus mehrere Milliarden Euro umfassen soll.
In Regierungskreisen ist das "Entsetzen" groß, heißt es weiter. Selbst der Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck habe Paus nicht von ihrer Blockade abbringen können. Sie hatte dabei offenbar die Unterstützung der grünen Fraktionsspitze und der Partei-Co-Chefin Ricarda Lang. Eine Pressekonferenz, in der sich Lindner zu dem Gesetzesvorhaben äußern wollte, wurde kurzfristig abgesagt.
Mittlerweile erfuhr ntv aus Regierungskreisen, dass die Koalition das Thema in zwei Wochen auf der Kabinettsklausur in Meseberg klären will. Dort solle die wirtschaftliche Situation Schwerpunkt sein und das Wachstumschancengesetz beschlossen werden. Der Austausch darüber werde "nun fortgesetzt". Dann könnte auch die Kindergrundsicherung beschlossen werden - zumindest hatte Kanzler dafü Olaf Scholz Anfang Juli in einem Brief an Paus "Ende August" als Zielmarke genannt.
Bis tief in die Nacht und am Mittwochvormittag war nach Angaben verschiedener Regierungsvertreter um eine Einigung gerungen worden. Am Dienstagabend hatte es bereits in der Koalition geheißen: "Die Meinungsbildung innerhalb der Grünen zum Wachstumschancengesetz ist noch nicht ganz abgeschlossen."
FDP wütend über Blockade
Der Gesetzesentwurf von Lindner sieht knapp 50 steuerpolitische Maßnahmen vor und soll die Wirtschaft mit einem Steuerpaket um jährlich rund 6,5 Milliarden Euro entlasten. Kernelement des Wachstumschancengesetzes ist eine Prämie für Investitionen in den Klimaschutz. Das Kabinett wollte sich eigentlich am Mittwoch mit dem Entwurf befassen. Wegen der Blockade wurde das Thema jedoch von der Tagesordnung gestrichen.
Die FDP kritisierte das Veto von Paus scharf. "Lisa Paus scheint den Kern jeder Sozialstaatlichkeit nicht verstanden zu haben: Erst muss erwirtschaftet werden, was verteilt werden kann", sagte FDP-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Vogel. Angesichts der schwachen Konjunktur brauche Deutschlands Wirtschaft "jetzt die Unterstützung der Politik als Hürdenräumer", sagte Vogel. "Meine klare Erwartung ist, dass das Kabinett es jetzt schnell auf den Weg bringt", sagte Vogel.
"Die Steuerbelastung für Unternehmen muss ebenso runter wie die Bürokratiebelastung - das ist das Gebot der Stunde." Daran wolle die FDP arbeiten - und erwarte noch weitergehende Maßnahmen: "Das Wachstumschancengesetz kann hier nur der Auftakt sein."
Debatte über Mittel für Kindergrundsicherung
Lindner und Paus liefern sich seit Monaten einen Streit darüber, wie viel Geld für die Einführung der Kindergrundsicherung ab 2025 zur Verfügung stehen soll. Paus hatte die Kosten anfänglich auf zwölf Milliarden Euro pro Jahr beziffert, sprach zuletzt aber von bis zu sieben Milliarden Euro. In der von Lindner vorgelegten Finanzplanung für 2025 ist für die Kindergrundsicherung bisher nur ein "Platzhalter" von zwei Milliarden Euro enthalten.
Die Kindergrundsicherung soll verschiedene Leistungen wie Kindergeld und Kinderzuschlag bündeln und leichter zugänglich machen. Dies dürfte dazu führen, dass mehr Anspruchsberechtigte das entsprechende Geld tatsächlich erhalten. Paus hält zur Bekämpfung von Kinderarmut zudem Leistungserhöhungen für notwendig.
Quelle: ntv.de, spl/AFP/rts/dpa