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Steuerschätzung und Haushalt '25 Lindner droht den Ampel-Partnern auf Latein

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Mit freundlichen Grüßen aus dem Finanzministerium: Lindner nutzt die Steuerschätzung für deutliche Worte in Richtung SPD und Grüne.

Mit freundlichen Grüßen aus dem Finanzministerium: Lindner nutzt die Steuerschätzung für deutliche Worte in Richtung SPD und Grüne.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Regierung muss mit weniger Geld auskommen - das zeigt die neue Steuerschätzung. Finanzminister Lindner nutzt die Vorstellung der Zahlen für klare Ansagen an die Ampel-Partner. Sogar eine ziemlich deutliche Drohung ist darunter, allerdings auf Latein.

Es ist die nächste schlechte Nachricht für die Ampel-Koalition: Sie wird in den kommenden Jahren mit weniger Geld auskommen müssen. Der Bund muss im laufenden Jahr auf 5,6 Milliarden Euro verzichten, im kommenden Jahr auf 11 Milliarden. Das ist das Ergebnis der neuen Steuerschätzung, die Finanzminister Christian Lindner am Nachmittag bekannt gegeben hat. Insgesamt 80 Milliarden Euro fehlen Bund und Ländern demnach bis 2028.

Damit ist das Loch im Haushalt deutlich größer als noch bei der letzten Steuerschätzung im Herbst vorausgesagt worden war. Mit Mindereinnahmen habe er gerechnet, sagt Lindner bei der Vorstellung der Zahlen am Nachmittag. Sie kämen beispielsweise durch die Senkung der Stromsteuer zustande, die damals noch nicht berücksichtigt worden sei. "Dennoch haben wir über zwei Milliarden Euro geringere Einnahmen, als wir erwartet hatten."

Weniger Geld, das ist für Regierungen nie eine gute Nachricht. Für die Ampel gilt das aber ganz besonders. Sie steckt gerade in den schwierigsten Haushaltsverhandlungen seit ihrem Bestehen. Die gleichen dem Entschärfen einer Bombe. Gelingen sie nicht, könnte es die Regierung zerreißen.

Regierung soll mit Geld auskommen, das sie hat

Deswegen tritt der FDP-Chef nun aber nicht besonders vorsichtig auf. Im Gegenteil: Lindner nutzt die Gelegenheit für klare Ansagen in Richtung SPD und Grüne: "Die Ausgaben müssen so priorisiert werden, dass sie das Wachstum stärken", sagt er. Oder, etwas deutlicher: "Das Ergebnis der Steuerschätzung zerstört die Illusion derjenigen, die vermutet haben, dass das Geld einfach so vom Himmel fällt und uns davon befreit, fiskalische Notwendigkeiten zu erkennen." Und schließlich: "Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nehmen uns in die Pflicht, klare Prioritäten zu setzen und nicht fortwährend soziale Ausgaben auszudehnen."

Was er damit meint: Die Regierung soll mit dem Geld auskommen, das sie hat. Das dürfte für die meisten vernünftig klingen - nur, wenn man sich näher ans Problem heranzoomt, ist die Lage nicht mehr ganz so einfach. Denn wo genau soll denn nun gespart werden? Vielleicht bei der Bundeswehr? Oder beim Klimaschutz? Den Sozialleistungen? Es ist leicht, jeweils gute Gründe dagegen anzuführen.

Sich auf einen Haushalt zu einigen, war schon immer und für alle Regierungen eine Herausforderung. Doch diesmal ist die Übung ungleich schwieriger. Der eine Grund dafür ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen November. Seitdem darf die Schuldenbremse nicht mehr ausgetrickst werden, wie das vorher geschah. Der Finanz-Spielraum ist damit massiv zusammengeschmolzen.

Vielleicht noch schwerer wiegt aber etwas anderes: SPD und Grüne auf der einen und die FDP auf der anderen Seite finden schlicht unterschiedliche Dinge wichtig. Die einen wollen etwas für Geringverdiener, Arbeitslose und das Klima tun. Die anderen wollen die Wirtschaft entlasten. Für die Methode "Alle bekommen alles" ist aber nicht genug Geld da.

Auch ohne Schuldenbremse genug Streitthemen

Dafür sorgt auch die Schuldenbremse. Die könnte man ja lockern, das sagen nicht nur SPD und Grüne. Auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung und zuletzt auch prominente Ökonomen wie Michael Hüther und Sebastian Dullien sprachen sich dafür aus. Lindner aber hält eisern an ihr fest. Sonst erdrückt uns die Zinslast irgendwann, sagt er. Und: Wer Reserven hat, steht auch sicherheitspolitisch besser da.

Doch es brauchte gar nicht die Dauer-Debatte um die Schuldenbremse, um den Streit um den Haushalt 2025 eskalieren zu lassen. Der fing schon vor einigen Monaten an. In Absprache mit Scholz und Habeck setzte Lindner den einzelnen Ministerinnen und Ministern Obergrenzen für ihre Etats. Anschließend sollten die ihm dann mitteilen, wie viel Geld sie für das kommende Jahr brauchten. Und dabei schön unter dieser Grenze bleiben, so stellte Lindner sich das vor.

Es kam, wie es kommen musste: Einige scherten aus. Außenministerin Annalena Baerbock zum Beispiel, aber auch Entwicklungshilfe-Ministerin Svenja Schulze und Verteidigungsminister Boris Pistorius. Der fordert 6,5 Milliarden Euro mehr. Lindner stellte daraufhin das bereits beschlossene Rentenpaket infrage. Die FDP will außerdem die Rente mit 63 abschaffen, ein Lieblingsprojekt der SPD. Es ist kompliziert.

Wie viel Geld für den Haushalt fehlt, will Lindner nicht preisgeben. Am Nachmittag sagt er, es müsse eine Lücke im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich geschlossen werden. Mindestens zehn Milliarden Euro fehlen also. In den vergangenen Monaten war aber auch von bis zu 25 Milliarden Euro die Rede. Was denn nun? "Ich kann keine konkreten Zahlen nennen, weil ich die Anmeldungen einer Reihe von Ministerien gar nicht akzeptiere", sagt Lindner bei der Vorstellung der Steuerschätzung. Keine guten Voraussetzungen, sich zu einigen.

Noch knapp zwei Monate Zeit

Das ist aber noch nicht alles. Denn Lindner will ja außerdem noch die Steuern senken. Er wolle die kalte Progression verhindern, sagt er. Wenn jemand bei einer Gehaltserhöhung, die nur die Inflation ausgleicht, am Ende mehr Steuern zahlt, sei das eine versteckte Steuererhöhung. "Die kann ich nur feige finden", sagt Lindner. Was dann kommt, ist eine Drohung auf Latein: "Deshalb ist es für mich eine conditio sine qua non, dass auch in den Jahren 2025 und 2026 die kalte Progression für Menschen ausgeschlossen wird und es zu einer Entlastung kommt." Conditio sine qua non, das heißt zu deutsch so viel wie: Eine Bedingung, die erfüllt werden muss. Und wenn nicht? Gibt es keinen Haushalt. Eine Regierung aber, die keinen Haushalt hinbekommt, hat fertig. Dann wäre die Entschärfung der Bombe gescheitert.

Jetzt müsse erstmal politisches Einvernehmen in der Bundesregierung hergestellt werden, sagt Lindner dann. Es gebe ja unterschiedliche Forderungen. Die einen seien für einen höheren Mindestlohn, andere wollten den Solidaritätszuschlag abschaffen. Ersteres will die SPD, letzteres die FDP. "Das werden wir jetzt zusammenbringen", sagt Lindner. Bis zum 3. Juli will die Bundesregierung dieses Kunststück hinbekommen. Dann ist die letzte Kabinettssitzung vor der Sommerpause, dann soll der Haushalt stehen. Bis dahin sind es noch sieben Wochen.

Quelle: ntv.de

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