Politik

Interview mit Peter Matuschek "Mit Merz hat die Union Vertrauen und Kompetenz verloren"

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In der Kanzlerfrage liegt Friedrich Merz hinter dem Amtsinhaber.

In der Kanzlerfrage liegt Friedrich Merz hinter dem Amtsinhaber.

(Foto: dpa)

Wöchentlich misst das Umfrageinstitut Forsa für das RTL/ntv-Trendbarometer, welcher Partei die Deutschen am ehesten zutrauen, die Probleme in Deutschland zu lösen. Derzeit schneidet keine Partei in dieser Frage wirklich gut ab. Am deutlichsten ist der Absturz der Union: Die hohen Vertrauenswerte der früheren Bundeskanzlerin Merkel und der große Kompetenzvorsprung ihrer Partei seien immer die zentralen Bausteine für den Erfolg der Union gewesen, sagt Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek. "Beides hat sie aber mit Friedrich Merz verloren."

ntv.de: Was besagt die "politische Kompetenz" im Trendbarometer?

Peter Matuschek: Die politische Kompetenz, die wir neben der Wahlabsicht und der Kanzlerpräferenz regelmäßig erheben, ist ein wichtiger Indikator dafür, wie Parteien von den Wahlberechtigten wahrgenommen werden. Dieser Indikator zeigt, wem die Parteien am ehesten zutrauen, die Probleme im Land zu lösen, und entscheidet daher mit darüber, welche Chancen eine Partei hat, bei Wahlen erfolgreich zu sein. Neben dem Führungspersonal ist es eine der wichtigsten Komponenten für Erfolg oder Misserfolg einer Partei.

Peter Matuschek ist Geschäftsführer von Forsa.

Peter Matuschek ist Geschäftsführer von Forsa.

(Foto: picture alliance / Britta Pedersen/dpa)

Sie fragen immer: "Welcher Partei trauen Sie am ehesten zu, die Probleme im Land zu lösen?" Man kann also nur eine Partei nennen.

In anderen Umfragen wird häufig nach den Kompetenzen von Parteien auf verschiedenen Politikfeldern gefragt: Wer hat die größte Kompetenz in der Außenpolitik, in der Sicherheitspolitik, in der Innenpolitik? Unsere Frage zielt auf die Generalkompetenz, denn auch bei der Wahl muss und kann man sich ja am Ende nur für eine Partei entscheiden. Insofern ist das ein sehr wichtiger und so auch angemessener Indikator.

In der vergangenen Woche haben Sie den Kompetenzwert der AfD im Politbarometer erstmals ausgewiesen, mit 7 Prozent. Ist das ein Hinweis darauf, dass die AfD von ihren Anhängern jetzt anders wahrgenommen wird?

Der Anteil derer, die bei der Kompetenzfrage die AfD nennen, ist in den letzten Wochen angestiegen, so dass wir sie jetzt auch statistisch belastbar bei dieser Frage ausweisen können.

Warum liegen Union, SPD und Grüne in der Kompetenzfrage aktuell so nah beieinander, in der Sonntagsfrage aber so weit auseinander?

Der Kompetenzwert einer Partei und ihr Rückhalt bei den Wählern sind nicht immer völlig deckungsgleich, weil natürlich auch noch andere Faktoren bei der Wahlentscheidung eine Rolle spielen. So verfügen etwa die Grünen über einen sehr loyalen Kern von Anhängern, die immer die Grünen wählen werden, unabhängig vom Führungspersonal der Partei oder der Kompetenz, die sie den Grünen aktuell zuschreiben. Die Union wiederum hat seit der Bundestagswahl eine beachtliche Zahl enttäuschter SPD-Wähler gewinnen können, die der CDU/CSU deswegen aber nicht auch schon große Kompetenz zutrauen, sondern sie vorerst nur als das "kleinere Übel" bewerten.

Im Januar 2021 erreichte die Union einen Kompetenzwert von 41 Prozent, die SPD lag bei 5 Prozent, die Grünen bei 4 Prozent. Dann stürzte die Union ab, schon im Herbst war sie bei der Frage nach der politischen Kompetenz einstellig. Lag das am Wahlkampf von CDU und CSU, der vom Machtkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder geprägt war?

Einen Einbruch bei den Kompetenzwerten erlebte die Union bereits vor der innerparteilichen Auseinandersetzung um die Nominierung von Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten. Das Vertrauen ließ nach der Jahreswende 2020/21 nach, als in der Bevölkerung der Eindruck entstand, dass die Union sich wieder mehr mit sich selbst - Gerangel um den CDU-Vorsitz und dann um die Kanzlerkandidatur - als um das für die Menschen wichtige Krisenmanagement bei der Bewältigung der Corona-Pandemie kümmerte. Dazu kamen dann die Probleme beim Impfmanagement und die im Februar und März aufgedeckte "Maskenaffäre". Als Folge sank der Kompetenzwert der Union seit März 2021 unter die 30-Prozent-Marke. Nach Laschets Nominierung zum Kanzlerkandidaten der Union setzte sich dieser negative Trend fort. Die Union stabilisierte sich im Sommer zwar etwas, stürzte aber dann im Spätsommer weiter ab und lag bei der Kompetenz kurz vor der Bundestagswahl nur noch in etwa gleichauf mit der SPD.

Seit Januar 2022 ist Friedrich Merz CDU-Vorsitzender. Seither ist der Kompetenzwert der Union zwar etwas gestiegen, erreicht aber bei weitem nicht so gute Werte wie früher. Lässt sich sagen, was der Grund dafür ist?

Schon in den Jahren 2000 bis 2002, als Friedrich Merz Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und damit Oppositionsführer war, waren seine Umfragewerte nicht besonders gut. Das hat sich nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden nicht geändert. Im Grunde muss man sagen, dass Merz eine der Hauptursachen dafür ist, dass die Union trotz der großen Unzufriedenheit mit der Ampel unter der 30-Prozent-Marke bleibt. Hätte die CDU einen populäreren Parteivorsitzenden, hätte sie mit Sicherheit bessere Werte als derzeit. Im Moment leidet die Union darunter, dass die Leute ihr weder Kompetenz zutrauen noch Vertrauen zur Führungsfigur der CDU haben. Die hohen Vertrauenswerte von Angela Merkel und der entsprechend große Kompetenzvorsprung ihrer Partei waren immer die zentralen Bausteine für den Erfolg der Union. Beides hat sie aber mit Friedrich Merz verloren.

Wäre das anders mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst an der Spitze?

Das ist im Moment schwer zu sagen. Auffällig ist jedenfalls, dass in unserem regelmäßigen Politikerranking Vertreter der Union aus den Ländern wie Hendrik Wüst oder Daniel Günther auf deutlich bessere Werte kommen als Friedrich Merz, der auch in der Frage nach der Kanzlerpräferenz nur mäßige Werte erreicht. Das spricht nicht gerade für das Personaltableau der Union auf der Bundesebene. Ob allerdings ein Politiker, der in einem Bundesland beliebt ist, auch auf der Bundesebene erfolgreich wäre, zeigt sich immer erst dann, wenn er sich auch tatsächlich in die Bundespolitik begibt.

Die SPD hatte Anfang 2022 ganz gute Kompetenzwerte, die Grünen dann im Sommer 2022. Warum konnten die ihre Werte nicht halten?

Im Sommer 2022 hatten die beiden führenden Figuren der Grünen, Robert - Habeck und Annalena Baerbock, noch sehr hohe Vertrauenswerte. Viele Bürger fanden insbesondere auch Habecks Auftritte in der sich abzeichnenden Energiekrise gut. Doch das begann sich mit der später gekippten Gasumlage zu ändern, weil die Leute irgendwann nicht mehr wussten, was hier eigentlich alles geplant war. Zudem war die große Mehrheit der Meinung, dass die Gasumlage und spätere Vorhaben keine tauglichen Instrumente seien. In der Folge brachen dann auch die Kompetenzwerte der Grünen wieder deutlich ein.

Was bedeutet es, wenn mehr als die Hälfte der Deutschen keiner Partei zutraut, mit den Problemen in Deutschland fertig zu werden?

Das ist besorgniserregend, bewegt sich aber im Einklang mit anderen Ergebnissen: Im vergangenen Jahr haben wir untersucht, inwiefern die Menschen den Staat als handlungsfähig ansehen. Nach Corona fiel dieses Vertrauen auf ein historisches Tief, nachdem es zuvor 2020 beim Vertrauen in alle staatlichen Institutionen einen deutlichen Zuwachs gegeben hatte. Wir haben einen Rückgang bei dem Anteil derer, die glauben, dass der Staat in der Lage ist, mit den Problemen fertig zu werden. Das Gleiche sehen wir auch bei den politischen Parteien.

Mit Peter Matuschek sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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