Politik

Der Kriegstag im Überblick Moskau droht mit härteren Friedensbedingungen - Kreml schließt Lücken mit Wagner-Söldnern

Russische Truppen greifen Getreidefelder in der Ukraine an. Um Getreide geht es auch bei Gesprächen von Putin und Erdogan.

Russische Truppen greifen Getreidefelder in der Ukraine an. Um Getreide geht es auch bei Gesprächen von Putin und Erdogan.

(Foto: picture alliance / abaca)

Neue russische Angriffe erschüttern das Donezker Gebiet. Laut dem ukrainischen Militär kann es die Attacken abwehren. Die Donezker Separatisten hingegen wollen das Dorf Kamjanka erobert haben. Sollte Kiew wieder an Friedensgesprächen interessiert sein, hat Moskau mit "völlig anderen Bedingungen" als bisher gedroht. Laut dem britischer Geheimdienstexperten füllt der Kreml Lücken bei den Truppen mit Wagner-Söldnern wieder auf. Der 144. Kriegstag im Überblick.

Kiew: Moskau greift wieder auf Donezker Gebiet an

Im Osten der Ukraine haben die russischen Truppen nach Angaben des ukrainischen Militärs ihre Angriffe bei der Stadt Awdijiwka nahe der Großstadt Donezk wieder aufgenommen. Die Angriffe seien aber zurückgeschlagen worden, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit. Die von Russland gestützten Donezker Separatisten behaupteten hingegen, das Dorf Kamjanka erobert zu haben. Awdijiwka liegt im Gebiet Donezk nur wenige Kilometer nördlich der gleichnamigen Großstadt.

Den neuen Angriffsbemühungen war ein Befehl des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu vorausgegangen. Der hatte gefordert, die Angriffe in der Ukraine zu verstärken, um den Beschuss der Infrastruktur im von Russland besetzten Donbass zu verringern. Laut dem Sprecher des Ministeriums, Igor Konaschenkow, sind im östlichen Gebiet Donezk eine Gruppierung ausländischer Söldner angegriffen worden. Es seien bis zu 250 Kämpfer getötet worden. Zudem bestätigte er Angriffe auf das südliche Gebiet Mykolajiw. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben beider Kriegsparteien nicht. Donezk war zuletzt häufig das Ziel ukrainischer Artillerieangriffe.

Moskau will mit härteren Bedingungen als bisher in Friedensgespräche gehen

Russland hat der Ukraine im Fall einer Wiederaufnahme von Friedensgesprächen härtere Bedingungen als zuvor in Aussicht gestellt. Bei den Verhandlungen im März in der Türkei seien konkrete Resultate erzielt worden, ehe Kiew den Kontakt abgebrochen habe, klagte Juri Uschakow, ein Berater von Russlands Präsident Wladimir Putin. "Wenn jetzt also die Verhandlungen wieder aufgenommen werden, dann zu völlig anderen Bedingungen", sagte Uschakow - ohne Einzelheiten zu nennen.

Als Kriegsziele hatte Putin bereits im Februar die "Entnazifizierung" und "Entmilitarisierung" der Ukraine, ihren neutralen Status, die Abtretung der Gebiete Donezk und Luhansk sowie die Anerkennung der seit 2014 annektierten Krim als russisch genannt.

Kreml soll mit Wagner-Söldnern Lücken in Truppen auffüllen

Nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten füllt die russische Söldnertruppe Wagner bei den Kämpfen in der Ukraine zunehmend Lücken der russischen Streitkräfte. So hätten die Söldner wohl in jüngsten Gefechten eine zentrale Rolle gespielt, beispielsweise bei der Einnahme der Städte Popasna und Lyssytschansk, hieß es auf dem Twitter-Account des Verteidigungsministeriums in London. Die britischen Experten gehen allerdings auch davon aus, dass die Söldnertruppe schwere Verluste hinnehmen musste.

EU schnürt neues Hilfspaket für Waffen für Ukraine

Knapp fünf Monate nach Kriegsbeginn will die EU weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen. "Europa steht an der Seite der Ukraine", erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel nach Beratungen der Außenminister der EU-Staaten in Brüssel. Die neuen EU-Mittel kommen aus der sogenannten Europäischen Friedensfazilität - ein neues Finanzierungsinstrument der EU, das genutzt werden kann, um Streitkräfte in Partnerländern zu stärken. Mit der neuen Unterstützung erhöhen sich die für Kiew infolge des Kriegs zur Verfügung gestellten EU-Mittel für Militärhilfe auf 2,5 Milliarden Euro.

Kreml: Keine Zeitvorgaben für Krieg gegen die Ukraine

Russland hat sich nach Kremlangaben keine Fristen für die Dauer des Krieges gegen die Ukraine gesetzt. "Es gibt keine festen Zeitrahmen. Das Wichtigste ist die Wirksamkeit der Umsetzung dieser Operation", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in einem heute veröffentlichten Interview. Wenn alle Ziele in der Ukraine erreicht seien, würden die Kampfhandlungen eingestellt, sagte er dem iranischen Rundfunk.

Russischer Oppositionssender nimmt Betrieb wieder auf

Der kremlkritische russische Fernsehsender TV Rain hat heute wieder seinen Betrieb aufgenommen. "Nach der erzwungenen Sendeunterbrechung im März ist es uns gelungen, das Team und die wichtigsten Prinzipien zu erhalten: Wie die letzten zwölf Jahre werden wir über Ereignisse und Erscheinungen ohne Zensur und Manipulation berichten", teilte der Sender auf seinem Youtube-Kanal mit, über den er am Abend seine Berichterstattung startete. Der Start um 20.00 Uhr Moskauer Zeit (19.00 Uhr MESZ) begann mit der Nachrichtensendung "Hier und jetzt". "Wegen der in Russland erlassenen repressiven Gesetze waren wir gezwungen auszureisen und arbeiten jetzt außerhalb des Landes", teilte das Unternehmen mit.

Europäer machen Fortschritte bei Suche nach Ersatz für russisches Gas

Die Europäer machen langsam Fortschritte auf der Suche nach Alternativen zu russischem Gas. Die EU schloss mit Aserbaidschan eine Absichtserklärung, um die Importe aus dem Kaukasus-Land bis 2027 auf mindestens 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr zu verdoppeln. In Berlin bot Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sissi sein Land als Gaslieferant für Europa und Deutschland an. Wenn Ägypten helfen könne, werde man das tun, sagte er nach einem Gespräch mit Kanzler Olaf Scholz in Berlin. Dieser betonte, es sei immer gut, sich nicht nur auf einen Partner stützen zu müssen.

Gazprom begründet fehlende Gaslieferungen mit höherer Gewalt

Derweil hat der russische Gaskonzern Gazprom ausgebliebene Gaslieferungen gegenüber seinem Kunden Uniper mit höherer Gewalt begründet. Uniper habe ein Schreiben von Gazprom Export erhalten, sagte ein Sprecher des Energieversorgers. Gazprom Export ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen des russischen Staatskonzerns. In dem Schreiben habe Gazprom Export rückwirkend "Force Majeure" für die bisherigen und aktuellen Fehlmengen bei den Gaslieferungen geltend macht. Uniper hält dies dem Sprecher zufolge jedoch für nicht gerechtfertigt und hat diesen Anspruch formell zurückgewiesen.

Putin und Erdogan sprechen in Teheran über Getreideexport

Bei ihrem Treffen in Teheran werden Russlands Präsident Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan auch über eine Wiederaufnahme der Getreidelieferungen aus der Ukraine sprechen. "Erstens sind wir bereit, die Arbeit in dieser Richtung fortzusetzen, zweitens wird die Thematik von den beiden Präsidenten diskutiert werden", zitierten russische Agenturen den Kreml-Berater Juri Uschakow. Infolge der russischen Militäroffensive sind in ukrainischen Häfen und Speichern rund 20 Millionen Tonnen Getreide blockiert. Die US-Regierung vermutet das es bei dem Gipfel auch darum gehen wird, dass Russland iranische Kampfdrohnen für den Krieg gegen die Ukraine erwerben will.

Putin will Sanktionen mit neuen Lösungen trotzen

Russlands Präsident bezeichnete die westlichen Sanktionen als Herausforderung, zeigte sich aber weiter optimistisch. "Es ist klar, dass dies eine große Herausforderung für unser Land ist, aber wir werden nicht nur nicht aufgeben", sagte er der Agentur Interfax zufolge. "Natürlich nicht, im Gegenteil: Während wir die kolossale Menge an Schwierigkeiten anerkennen, die vor uns stehen, werden wir intensiv und kompetent nach neuen Lösungen suchen."

Selenskyj entlässt Geheimdienstchef

Präsident Wolodymyr Selenskyj hat aus Ärger über "Verrat" im ukrainischen Sicherheitsapparat die Chefs von Geheimdienst und Generalstaatsanwaltschaft abgesetzt. Nach der Entlassung des Geheimdienstchefs machte Selenskyj dessen bisherigen Stellvertreter zum Interimschef. Einem Erlass zufolge soll Wassyl Maljuk vorerst den Geheimdienst SBU leiten. Am Vortag hatte Selenskyj seinen Jugendfreund Iwan Bakanow, der den Dienst mit seinen mehr als 30.000 Mitarbeitern seit 2019 leitete, aus dem Amt entfernt.

Offiziell wurden seine Entlassung sowie die von Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa mit einer hohen Zahl an Mitarbeitern begründet, die aus dem Sicherheitsapparat zu den russischen Besatzern in der Südukraine übergelaufen sein sollen. Es gebe 651 Strafverfahren gegen Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft und anderen Strafverfolgungsbehörden wegen Hochverrats und Kollaboration mit russischen Diensten, so Selenskyj. Medien verwiesen allerdings auch darauf, dass der 47-jährige Bakanow als Fachfremder nur wenig Autorität unter seinen Angestellten genossen habe.

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Quelle: ntv.de, ysc/dpa/AFP

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