Abkommen mit Ex-Sowjetrepublik EU will doppelt so viel Gas aus Aserbaidschan beziehen
18.07.2022, 16:43 Uhr
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev.
(Foto: via REUTERS)
Aserbaidschan soll für fehlende russische Gaslieferungen einspringen - die EU vereinbart mit dem Land mit Moskau-Nähe die Verdopplung des Bezugs. Präsident Aliyev soll aber auch beim Ausbau erneuerbarer Energien helfen.
Um sich von Energielieferungen aus Russland zu lösen, will die EU künftig deutlich mehr Gas aus der Südkaukasus-Republik Aserbaidschan beziehen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev unterzeichneten heute in Baku eine Absichtserklärung, wonach über den südlichen Gaskorridor innerhalb von fünf Jahren doppelt so viel Gas im Jahr geliefert werden soll wie bisher. Ab 2027 sollen demnach jährlich mindestens 20 Milliarden Kubikmeter fließen. Damit wendet sich die EU einem "zuverlässigeren Energielieferanten" zu, twittert von der Leyen.
Von der Leyen sagte in der aserbaidschanischen Hauptstadt, mit der Absichtserklärung öffne man "ein neues Kapitel in der Energie-Zusammenarbeit" mit Aserbaidschan. Die autoritär geführte Ex-Sowjetrepublik, die auch zu Russland enge Verbindungen hat, sei ein Schlüsselpartner, um sich von fossilen Brennstoffen aus Russland zu lösen. Schon jetzt würden jährlich 8,1 Milliarden Kubikmeter geliefert, von kommendem Jahr an sollten es bereits 12 Milliarden sein. "Dies wird dazu beitragen, die Kürzungen der russischen Gaslieferungen auszugleichen."
Aliyev betonte, dass Fragen der Energiesicherheit heute wichtiger seien denn je. "Eine langfristige, vorhersehbare und sehr zuverlässige Zusammenarbeit zwischen der EU und Aserbaidschan im Energiebereich ist natürlich von großem Wert."
Ägypten bietet Hilfe an
Neben den Gaslieferungen sieht die Absichtserklärung auch vor, enger bei erneuerbaren Energien zusammenzuarbeiten. Aserbaidschan habe in diesem Bereich "enormes Potenzial", sagte von der Leyen, insbesondere bei Offshore-Windenergie und grünem Wasserstoff. So werde Aserbaidschan sich von einem Lieferanten fossiler Brennstoffe zu einem Partner für erneuerbare Energien entwickeln. Um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu vertiefen, arbeiten beide Seiten zudem an einem Abkommen, das bald abgeschlossen werden soll.
Derweil hat der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi Deutschland und Europa eine verstärkte Zusammenarbeit zur Sicherung der Energieversorgung angeboten. "Die Gasproduktion im Osten des Mittelmeers könnte man durch Ägypten nach Europa liefern und exportieren", sagte Al-Sisi laut offizieller Übersetzung in Berlin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzler Olaf Scholz. "Wenn wir hier eine Rolle spielen können, um die Krise abzumildern, dann würden wir das sofort machen." Die hohen Energiepreise stellten auch eine Belastung für die ägyptische Bevölkerung dar, betonte Al-Sisi.
Scholz sagte, er habe mit Al-Sisi über langfristige gemeinsame Projekte im Energiebereich gesprochen, über Wasserstoff und den Wandel hin zu Erneuerbaren Energien, aber auch darüber, "ganz kurzfristig die Diversifizierungsmöglichkeiten für die Lieferung von Gas nach Europa und nach Deutschland auszuschöpfen und auszubauen".
Draghi sichert sich mehr Gas aus Algerien
Währenddessen hat sich Italien weitere Gaslieferungen aus Algerien gesichert. "In diesen Monaten ist Algerien zum Hauptgaslieferanten für unser Land geworden", sagte Ministerpräsident Mario Draghi in Algier nach einem Treffen von Ministern beider Regierungen. Es sei auch eine Gelegenheit für die Länder gewesen, ihren Einsatz für die Stabilisierung im Mittelmeerraum zu bekräftigen. Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune zeigte sich mit den 15 Abkommen, unter anderem in den Bereichen erneuerbare Energien, Bau und Kampf gegen Korruption, zufrieden.
Algerien ist der wichtigste Gaslieferant Italiens. Draghis Regierung beschloss nach dem russischen Angriff gegen die Ukraine, von Gaslieferungen aus Moskau unabhängig werden zu wollen. Russland pumpte zuvor jährlich 29 Milliarden Kubikmeter Gas nach Italien. Algerien sicherte nun zusätzliche 4 Milliarden Kubikmeter zu den schon vereinbarten 21 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr zu. Das italienische Ministerium für ökologischen Wandel sprach von einem wichtigen Schritt.
Das Gas liefert Algerien über die Transmed-Pipeline, die durch das Mittelmeer nach Sizilien führt. Italien ging auch in anderen Ländern auf die Suche nach möglichen Gaslieferanten und schloss Vereinbarungen unter anderem mit dem Golfstaat Katar für Flüssiggas (LNG) und Aserbaidschan.
Quelle: ntv.de, ysc/dpa