Politik

Der Kriegstag im Überblick Putins Truppen positionieren sich neu - Kiew dementiert Angriff auf Belgorod

Im Gebiet um die Hauptstadt Kiew haben sich die russischen Truppen zurückgezogen.

Im Gebiet um die Hauptstadt Kiew haben sich die russischen Truppen zurückgezogen.

(Foto: REUTERS)

Die Lage in Kiew bleibt angespannt. Die russischen Truppen ziehen zwar ab. Jedoch ist zu erwarten, dass sie ihre Kräfte sammeln, um erneut in den Kampf zu ziehen. Die Ukraine weist derweil die Vorwürfe eines Angriffs auf russisches Gebiet von sich. Der 37. Kriegstag im Überblick.

Kiew weiter unter Beschuss

Die Gemengelage um die ukrainische Hauptstadt Kiew ist derzeit schwierig zu durchschauen. Zwar ziehen sich die russischen Truppen offenbar aus dem Gebiet zurück. Von Entspannung kann dennoch keine Rede sein. Denn erwartet wird, dass das russische Militär seine Kräfte sammelt, auffrischt und dann zurück in den Kampf schickt. So bestätigte das Pentagon einen Rückzug russischer Soldaten aus dem Gebiet Kiew ins benachbarte Belarus. Doch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte: "Nach unseren Geheimdienstinformationen ziehen sich russische Einheiten nicht zurück, sondern positionieren sich neu."

Dafür spricht auch, was britische Militärs beobachten: Aus den abtrünnigen georgischen Gebieten Abchasien und Südossetien wird Verstärkung herangeführt, um die bisher erlittenen Verluste der Russen auszugleichen. Der britische Geheimdienst teilte mit, der Ukraine seien Geländegewinne an den Hauptversorgungsrouten zwischen Kiew und der umkämpften Großstadt Tschernihiw im Norden des Landes gelungen. Tschernihiw und Kiew würden von Russland aber weiterhin beschossen.

Der Gouverneur der Region Kiew sagte ebenfalls, dass sich die russischen Truppen aus einigen Gebieten zurückzögen, aber ihre Positionen in anderen Orten verstärkten. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko teilte mit, nördlich und östlich der Hauptstadt sei es erneut zu heftigen Kämpfen gekommen. "Das Risiko, in Kiew zu sterben, ist ziemlich hoch, und deswegen ist mein Rat an alle, die zurückkommen wollen: Bitte lasst Euch ein bisschen länger Zeit", sagte er.

Russische Truppen eingekesselt

Zugleich weisen Berichte darauf hin, dass das russische Militär im Großraum Kiew massiv in Bedrängnis zu geraten droht. So können die ukrainischen Verteidiger bei ihrem Kampf gegen die sich zurückziehenden russischen Einheiten im Nordwesten Kiews offenbar größere Gebietsgewinne erzielen. Dabei soll es übereinstimmenden Berichten zufolge zuletzt auch zu Gefechten bei Iwankiw gekommen sein. Die ukrainische Kleinstadt liegt rund 70 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt und ist für die Versorgung der russischen Truppen vor Kiew von entscheidender Bedeutung. Denn der Ort ist ein strategisch wichtiger Verkehrsknotenpunkt am Ufer des Dnepr-Nebenflusses Teteriw. Sollte Iwankiw fallen, säßen die Reste der russischen Belagerungsarmee vor Kiew in der Falle.

Erstmals seit Kriegsbeginn am 24. Februar warf Russland der Ukraine Luftangriffe auf russisches Gebiet vor. Zwei ukrainische Militärhubschrauber hätten Treibstofflager in der russischen Grenzstadt Belgorod beschossen, schrieb der russische Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram. Die Hubschrauber hätten die Grenze zu Russland vor dem Angriff in geringer Höhe überflogen. Bei der Explosion an dem Tanklager seien zwei Arbeiter verletzt worden. Teile der Stadt, die nahe der Grenze zur Ukraine liegt, seien evakuiert worden.

Der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates in der Ukraine, Olexij Danilow, dementierte, Streitkräfte seines Landes stünden hinter dem Brand eines Treibstofflagers in Russland. "Aus irgendwelchen Gründen behaupten die, wir waren es", sagte er im Fernsehen mit Blick auf russische Darstellungen, Ukrainer hätten die Tanks angegriffen. "Nach den Informationen, die ich habe, entspricht das nicht der Wahrheit", erklärte Danilow.

Bundesregierung genehmigt Panzer-Lieferung

Im Kampf gegen die russischen Angreifer fordert die Ukraine den Westen unermüdlich zu weiterer Unterstützung auf, unter anderem auch zu Waffenlieferungen. Die Bundesregierung genehmigte nun eine Lieferung von Schützenpanzern aus Tschechien. Dabei handelt es sich um 58 Schützenpanzer, die aus Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR stammen, wie die "Welt" berichtete. Die Panzerkampfwagen Typ PbV-501 (früher BMP-1) sind laut dem Bericht mit Kanonen und Maschinengewehren ausgerüstet und gehörten zur Standardausrüstung der Armeen des Warschauer Paktes. Die Schützenpanzer waren mit der Wiedervereinigung in den Besitz der Bundeswehr gelangt und von dieser Ende der 90er-Jahre zunächst an die schwedische Armee abgegeben worden. Diese verkaufte sie später an eine tschechische Firma weiter, die nun ihrerseits den Verkauf an die ukrainische Armee anstrebt. Dafür war jedoch eine deutsche Zustimmung erforderlich.

Auf Gaslieferungen aus Russland will Deutschland derweil nicht verzichten. Nach den jüngsten Forderungen aus Moskau, dass Gaslieferungen künftig in Rubel bezahlt werden sollen, bekräftigte Kanzler Olaf Scholz jedoch, dass Deutschland weiter in Euro zahlen werde. "Die Zahlung russischer Gaslieferungen findet entsprechend der bestehenden Verträge in Euro und Dollar statt", teilte Scholz auf Twitter mit. "Das ist so, das wird auch so bleiben, und das habe ich gestern in meinem Gespräch mit Präsident Putin auch deutlich gemacht." Gleichwohl will sich die Regierung die Forderungen aus Moskau genau anschauen.

Am Donnerstagnachmittag hatte der russische Präsident Wladimir Putin mit Wirkung zum 1. April angeordnet, dass westliche Staaten Konten bei der Gazprombank eröffnen müssen, um weiter russisches Gas zu erhalten. Andernfalls würden die Lieferungen für die "unfreundlichen" Länder eingestellt, sagte er im russischen Staatsfernsehen. Laut einem von Putin unterzeichneten Dekret können die Zahlungen weiter in Euro oder Dollar auf das russische Konto eingezahlt werden. Die Gazprombank konvertiert das Geld in Rubel und überweist den Betrag in der russischen Währung an Gazprom. Bei einem Ausbleiben der Zahlungen würden die Lieferungen eingestellt, sagte der Kreml-Chef.

Lawrow lobt neutrale Haltung Indiens

Nach einem Besuch in China reiste Russlands Außenminister Sergej Lawrow weiter nach Indien, wo er die neutrale Haltung des Landes im Ukraine-Krieg lobte. Die indische Außenpolitik sei unabhängig und habe legitime eigene Interessen, sagte er in Neu Delhi. Lawrow betonte auch das Interesse an intensiven Handelsbeziehungen: Russland werde Indien alle Güter liefern, die es kaufen möchte. Indien will unter anderem seinen Import russischen Öls ausbauen und hat seit Kriegsbeginn bereits mehrere Millionen Barrel davon gekauft. Lawrow sprach auch mit Indiens Premierminister Narendra Modi über die Situation in der Ukraine, wie das indische Außenministerium mitteilte. Modi habe bei dem Gespräch auch die Bereitschaft vermittelt, bei Friedensbemühungen zu helfen. Lawrow sagte, dass Russland offen für eine Vermittlung Indiens in der Ukraine-Krise sei.

Indien hat beim Ukraine-Krieg eine neutrale Position eingenommen, trägt westliche Sanktionen nicht mit und enthält sich bei Resolutionen im UN-Sicherheitsrat. Die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt mit seinen mehr als 1,3 Milliarden Menschen hat trotz des Drängens aus den USA und Europa bislang keine Kritik am russischen Angriffskrieg geäußert. Der Grund: Indien und Russland haben lange und enge Beziehungen. Auch ein Großteil der Ausrüstung seines Militärs kommt aus Russland.

EU warnt China vor Reputationsschaden

Beim EU-China-Gipfel herrschte hingegen ein schärferer Ton. Spitzenvertreter der EU warnten China unter Androhung von Konsequenzen davor, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Nach einem per Videokonferenz organisierten Treffen gab es allerdings keine Signale, dass die Führung in Peking ihre Rückendeckung für Moskau aufgeben könnte. Regierungschef Li Keqiang und Staats- und Parteichef Xi Jinping äußerten sich zwar diplomatisch, ließen aber kein echtes Entgegenkommen erkennen.

"Kein europäischer Bürger würde es verstehen, wenn es irgendeine Unterstützung für Russlands Fähigkeit geben würde, Krieg zu führen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach den Gesprächen. "Das würde China hier in Europa einen großen Reputationsschaden zufügen." Das Land trage auch als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine besondere Verantwortung. Indirekt drohte von der Leyen China auch Konsequenzen für die engen Wirtschaftsbeziehungen an. "Es ist klar, dass der russische Einmarsch in die Ukraine nicht nur ein entscheidender Moment für unseren Kontinent, sondern auch für unser Verhältnis zum Rest der Welt ist."

Weitere Artikel zum Ukraine-Krieg:

Alle weiteren Entwicklungen können Sie in unserem Liveticker zum Ukraine-Krieg nachlesen.

Quelle: ntv.de, chf/dpa/AFP/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen